„Hybrid Closed-Loop“-Systeme – aktuelle Entwicklungen
Autorinnen:
Assoz. Prof. PD Dr. Julia Mader
PD Dr. Gerlies Treiber
Universitätsklinik für Innere Medizin, Endokrinologie und DiabetologieMedizinische Universität Graz
E-Mail: julia.mader@medunigraz.at
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Sowohl kommerzielle als auch von Personen mit Diabetes mellitus selbst entwickelte Closed-Loop-Systeme finden immer mehr Einzug in den klinischen Alltag. Durch Closed-Loop-Systeme wird eine gute glykämische Kontrolle bei gleichzeitiger Reduktion von Hypoglykämien und Glukosevariabilität ermöglicht und es kommt in vielen Fällen zu einer Verbesserung der Lebensqualität.
Keypoints
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Hybrid Closed-Loop-Systeme können die Diabeteseinstellung verbessern und die Lebensqualität von Personen mit Typ-1-Diabetes erhöhen.
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Mithilfe dieser Syteme kommt auch zu einer Reduktion der Zeit in der Hypoglykämie.
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Diese positiven Effekte sind sowohl bei Kindern/Jugendlichen als auch bei Erwachsenen zu beobachten.
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Neben kommerziellen Systemen gibt es auch von der Diabetes-Community selbst entwickelte Do-it-Yourself-Systeme, die durch personalisiertes Design einen großen Zuspruch erleben.
Eine gute Diabeteseinstellung ist für viele Personen mit Typ-1-Diabetes oftmals mit großem Aufwand verbunden und wird in vielen Fällen nicht erreicht. Das Nichterreichen der Therapieziele ist für viele Betroffene auch eine emotionale Belastung. Das Erreichen einer normnahen Diabeteseinstellung ist oft mit dem gleichzeitigen Auftreten von Hypoglykämien verbunden. Durch Diabetestechnologie wie kontinuierliche Glukosesensoren (CGM-Systeme) und Insulinpumpen sowie moderne Insuline werden die Therapieziele dennoch häufig nicht erreicht.
„Hybrid Closed-Loop“-Systeme, auch künstliche Bauchspeicheldrüsensysteme genannt, sind aktuell der höchste Stand der Entwicklung in der Diabetestechnologie. Dabei wird eine Insulinpumpe mit einem CGM-System und einem Kontrollalgorithmus, der die Insulinabgabe abgestimmt auf die aktuellen Glukosewerte steuert, kombiniert. Üblicherweise ist der Algorithmus in der Insulinpumpe (insbesondere bei kombinierten, kommerziellen Systemen) oder als eigenständige Komponente in Form einer Smartphone-App (bei modularen Systemen) lokalisiert. Zur Kommunikation zwischen den einzelnen Komponenten wird BlueTooth genutzt.
Entwicklung der Hybrid Closed-Loop-Systeme
Erste Hybrid Closed-Loop-Systeme wurden von Forschergruppen in Cambridge, Virginia und Padua entwickelt. Die klinischen Testungen fanden meist unter überwachten Bedingungen an Forschungszentren, in Hotels oder im Rahmen von Camps statt und waren nur von kurzer Dauer (24–72 Stunden). Nach Erfolg versprechenden Ergebnissen wurde das Studiendesign in den 2010er-Jahren dahin gehend verändert, dass die Studienteilnehmer unter Nutzung der Hybrid Closed-Loop-Systeme ihrem normalen Leben zu Hause ohne engmaschige medizinische Überwachung nachgehen konnten. Diese Studien dauerten meist Wochen bis Monate. Über die Jahre wurden dabei verschiedene Populationen von Personen mit Typ-1-Diabetes (Erwachsene, Kinder und Jugendliche, Schwangere, Menschen >60 Jahre) unter Anwendung von Hybrid Closed-Loop-Systemen mit durchwegs positiven Ergebnissen untersucht.
Kommerziell verfügbare Hybrid Closed-Loop-Systeme
Das erste kommerziell verfügbare Hybrid Closed-Loop-System war das MiniMed 670G System (Medtronic 670G Insulinpumpe mit Guardian 3 Sensor, Medtronic, USA), welches auch in Österreich seit ein paar Jahren im Einsatz ist. Das 670G System wurde in einer Vorher-nachher-Analyse bei 94 Erwachsenen und 30 Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes über 3 Monate untersucht. Dabei erhöhte sich die Zeit im Zielbereich (70–180mg/dl) von 69% auf 74% bei den Erwachsenen und von 60% auf 67% bei den Jugendlichen. Dies konnte bei gleichzeitiger Reduktion der Zeit in der Hypoglykämie (<70mg/dl) und ohne das Auftreten schwerer Hypoglykämien oder Ketoazidosen erreicht werden. Vergleichbare Daten zeigten sich bei Kindern im Alter von 7 bis 13 Jahren. Dabei ist der Glukosezielwert mit 120mg/dl festgelegt und kann bei Sport oder Erkrankung auf 150mg/dl erhöht werden.
Die Weiterentwicklung davon ist das Advanced Hybrid Closed-Loop System (AHCL) MiniMed 780G (Medtronic, USA). Dieses unterscheidet sich vom 670G System durch anpassbare Zielbereiche und automatisierte Boluskorrektur. Unter Verwendung des 780G Systems zeigte sich bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes mehr Zeit im Zielbereich bei vergleichbarer Zeit unter dem Zielbereich. Ebenso traten weniger Alarme auf, die Nutzung des Auto Mode erhöhte sich von 75% auf 86% im Vergleich zum 670G System und es gab weniger Beendigungen des „Auto Mode“. Das 780G System wurde bereits in Europa zugelassen und soll bald auch in Österreich verfügbar sein.
Tandem Control-IQ
Es handelt sich hierbei um ein modulares System, bei dem Pumpe und Sensor von unterschiedlichen Herstellern erzeugt werden und der Algorithmus in die Pumpe integriert ist. Das System besteht aus dem Dexcom G6 Sensor und der Tandem t:slim X2 Insulinpumpe mit dem dort integrierten Control IQ Algorithmus (Tandem, USA). Eine Studie untersuchte das System bei 168 Personen mit Typ-1-Diabetes (über 14 Jahre) über einen Zeitraum von 6 Monaten und verglich die Effizienz der Therapie mit sensorunterstützter Pumpentherapie. Die Zeit im Zielbereich stieg unter Verwendung des von Control-IQ von 61% auf 71% nach sechsmonatiger Verwendung, ebenso kam es zu einer Reduktion der Zeit in der Hypoglykämie und einer Verbesserung des HbA1c. In der Vergleichsgruppe der sensorunterstützten Pumpentherapie kam es im selben Zeitraum zu keiner Veränderung (59% vs. 59%). Ein ebenso beachtliches Ergebnis ist, dass alle 168 Studienteilnehmer die Studie komplett zu Ende führten, was man als Zeichen einer großen Zufriedenheit mit dem System werten kann. Eine weitere Studie untersuchte das System bei 101 Kindern im Alter von 6 bis 13 Jahren ebenfalls im Vergleich zu sensorunterstützter Pumpentherapie, allerding nur über einen kürzeren Zeitraum (16 Wochen). Auch hier kam es unter Verwendung von Control-IQ zu einer Verbesserung der Zeit im Zielbereich ohne wesentliche Unterschiede bei der Zeit in der Hypoglykämie zwischen den beiden Gruppen.
OmniPod Horizon Hybrid Closed-Loop-System
Das OmniPod Horizon Hybrid Closed-Loop System (Insulet Corp., USA) ist das einzige System, das derzeit eine Patchpumpe nutzt. Auch dieses System ist ein modulares System. Neben der OmniPod Pumpe kann entweder der Dexcom G6 Sensor (Dexcom, USA) oder der Abbott libre Sensor (Abbott Diabetes Care, USA) genutzt werden. Es handelt sich somit um das erste System, bei dem verschiedene Komponenten genutzt werden können. Das System soll Ende 2022 in Österreich verfügbar sein.
CamAPS FX
CamAPS FX ist die erste interoperable Hybrid Closed-Loop Smartphone Application. Der Algorithmus wurde vom Team um Prof. Hovorka in Cambridge entwickelt und wird nun als Firmenausgründung (CamDiab, Cambridge, Vereinigtes Königreich) kommerziell betrieben. Aktuell läuft die App auf Android-Smartphones und ist kompatibel mit der Dana RS Insulinpumpe (Sooil, Südkorea) und dem Dexcom G6 Sensor (Dexcom, USA). In Zukunft sollen auch andere Insulinpumpen und CGM-Systeme mit der App kombinierbar sein. Die App ist nach extensiver Testung im Rahmen von randomisiert-kontrollierten Studien in verschiedenen Populationen mit Typ-1-Diabetes (Erwachsene, Kinder, Jugendliche, Schwangere, Personen über 60 Jahre) CE-zertifiziert, wird aber noch nicht in allen Ländern der Europäischen Union vermarktet. Auch mit diesem Algorithmus zeigen sich eine Verbesserung der Zeit im Zielbereich, eine Reduktion der Zeit in der Hypo- und Hyperglykämie und eine Verbesserung des HbA1c.
Do-it-Yourself Systeme
Als „Do-it-yourself Artificial Pancreas“- Systeme (DIY-APS) bezeichnet man Closed-Loop-Systeme, die von der Diabetes-Community selbst entwickelt werden. Dabei werden handelsübliche Insulinpumpen und Glukosesensoren mit selbst entwickelten Algorithmen am Smartphone bzw. auf der Smartwatch genutzt. Aktuell gibt es drei verschiedene APS-Plattformen, die zur Entwicklung und den Betrieb der Algorithmen genutzt werden können: Loop (iOS basiert), OpenAPS (Android-basiert) und Android APS (Android-basiert). Durch den starken Rückhalt in der Diabetes-Community, die über diverse Kommunikations-Plattformen Support gibt, können auch technisch weniger versierte Personen derartige Systeme nutzen. Die selbst entwickelten Algorithmen sind deutlich personalisierter als die Algorithmen kommerzieller Systeme. Weiters ist es möglich, Komponenten der Wahl miteinander zu kombinieren (wenn auch nicht alle Sensoren und Pumpen eine Nutzung ermöglichen). Ein DIY-APS sowie ein Tagesverlauf unter Nutzung von DIY-AP sind in der Abbildung 1 dargestellt.
Abb. 1: A: Ein „Do-it-yourself Artificial Pancreas“-System mit Sensor, Pumpe, Handy und Smartwatch; B: Darstelung des Tagesverlaufs in der aktuellen App (mit freundl. Genehmigung © Lily Cheng)
Literatur:
Literatur bei den Verfasserinnen
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