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Management des Typ-2-Diabetes

Leitliniengerechte Diabetestherapie in der Praxis

<p class="article-intro">Individuelle Zielwerte, individualisierte Therapie. Das sind kurz gefasst die Vorgaben der nationalen und internationalen Guidelines zur Therapie des Typ-2- Diabetes. Praktische Hinweise für die Behandlungsstrategie im klinischen Alltag gab Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Fasching, Wilhelminenspital der Stadt Wien, beim Wiener Diabetes-Dialog 2017.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Unver&auml;ndert ist Metformin die Basistherapie des Typ-2-Diabetes.</li> <li>Aktuell sind alle Kombinationstherapien m&ouml;glich, ausgenommen GLP-1-Rezeptor-Agonist/ DPP-4-Hemmer (kein Nutzen) und GLP-1-Rezeptor-Agonist/ SGLT2-Hemmer (sinnvoll, aber nicht erstattet).</li> <li>Neu ist, dass Metformin bis zu einer GFR 30ml/min eingesetzt werden kann und dass Schwangerschaft keine Kontraindikation mehr darstellt.</li> <li>Neu ist auch die Erkenntnis, dass Empagliflozin als einziges orales Antidiabetikum nachweislich das kardiovaskul&auml;re Risiko und die Gesamtmortalit&auml;t senkt.</li> </ul> </div> <p>In den letzten f&uuml;nf oder sechs Jahren hat sich in der Diabetestherapie mehr ver&auml;ndert als in den 25 Jahren davor&ldquo;, hielt Univ.-Prof. Dr. Peter Fasching, Wilhelminenspital der Stadt Wien, zu Beginn seines Referats fest. Einerseits brachten die vergangenen Jahre zahlreiche neue therapeutische Optionen und damit mehr M&ouml;glichkeiten f&uuml;r eine individuelle Therapie. Andererseits gingen die nationalen und internationalen Fachgesellschaften weg von einer fixen HbA<sub>1c</sub>- Zielwert-Vorgabe hin zu einem individualisierten Ziel, angepasst an die Situation des Patienten.<sup>1, 2</sup> &bdquo;Ziel dieser Anpassung ist die Vermeidung von Hypoglyk&auml;mien. Mit den neuen Antidiabetika sehen wir Hypoglyk&auml;mien in weit geringerem Ausma&szlig; als fr&uuml;her. Von den uns zur Verf&uuml;gung stehenden Substanzen l&ouml;sen nur Insuline, Sulfonylharnstoffe und Glinide Hypoglyk&auml;mien aus&ldquo;, sagte Fasching.</p> <h2>Individuelles HbA<sub>1c</sub>-Ziel nach Risikosituation</h2> <p>Heute gilt nicht mehr ein HbA<sub>1c</sub>-Ziel f&uuml;r alle Patienten, sondern das HbA<sub>1c</sub>-Ziel wird individuell auf Basis von Diabetesdauer, Lebenserwartung, Komorbidit&auml;ten und Hypoglyk&auml;mierisiko festgelegt:<sup>1</sup></p> <ul> <li>HbA<sub>1c</sub> 6,0&ndash;6,5 % kann sinnvoll sein bei kurzer Diabetesdauer, langer Lebenserwartung und wenn keine relevanten kardiovaskul&auml;ren Komorbidit&auml;ten vorliegen. &bdquo;Wir versuchen, junge Patienten ohne Komorbidit&auml;ten m&ouml;glichst stringent einzustellen&ldquo;, sagte Fasching.</li> <li>HbA<sub>1c</sub> =7 % kann ausreichend sein, wenn ein HbA<sub>1c</sub> von 6,0&ndash;6,5 % nicht komplikationslos und nicht ohne hohes Hypoglyk&auml;mierisiko erreicht werden kann.</li> <li>HbA<sub>1c</sub> =8 % kann als ausreichend erachtet werden bei Patienten mit schweren Hypoglyk&auml;mien in der Vorgeschichte, eingeschr&auml;nkter Lebenserwartung und multiplen Sp&auml;tkomplikationen (&Ouml;DG-Leitlinie 2016).<sup>1</sup></li> </ul> <p>Sekund&auml;re Richtgr&ouml;&szlig;en sind die N&uuml;chternblutglukose (&lt;130mg/dl, ideal: &lt;100mg/dl) und die postprandiale Blutglukose (2 Stunden nach einer Mahlzeit max. 180mg/dl).</p> <h2>Therapiestrategie je nach Ausgangs-HbA<sub>1c</sub></h2> <p>Ein konkreter Algorithmus f&uuml;r das antidiabetische Regime, das eine klare Abfolge der Substanzen festlegt, fehlt in allen aktuellen Leitlinien. Die US-amerikanische Gesellschaft f&uuml;r Endokrinologie schl&auml;gt einen Behandlungspfad vor, der das Hypoglyk&auml;mierisiko und den Einfluss der einzelnen Substanzen auf Gewicht, Nierenfunktion, Gastrointestinaltrakt, Herzinsuffizienz, Atherosklerose und Knochenstoffwechsel ber&uuml;cksichtigt und je nach Ausgangs-HbA<sub>1c</sub> eine Monotherapie (&lt;7,5 % ) oder gleich eine Dual- (=7,5 % ) oder Tripeltherapie vorsieht (&gt;9 % ).3 &bdquo;Aber auch diese Leitlinie &uuml;berl&auml;sst die Zusammenstellung der Therapie weitgehend dem behandelnden Arzt&ldquo;, erl&auml;uterte Fasching.<br /> Auch die &Ouml;sterreichische Diabetes Gesellschaft (&Ouml;DG) empfiehlt einen Therapiebeginn unter Ber&uuml;cksichtigung des HbA<sub>1c</sub>-Ausgangswerts.<sup>1</sup></p> <ul> <li>Ausgangs-HbA<sub>1c</sub> 6&ndash;6,5 % : Im pr&auml;diabetischen Stadium ist eine Lebensstilintervention indiziert. &bdquo;Studien zeigen, dass Metformin bei jungen, &uuml;bergewichtigen Patienten einen Vorteil bringen kann. Pioglitazon z&ouml;gert m&ouml;glicherweise die Manifestation des Diabetes hinaus. Es stellt sich aber die Frage, ob man im Vorstadium bereits medikament&ouml;s behandeln soll. Das w&auml;re nur sinnvoll, wenn man damit Sp&auml;tsch&auml;den verhindern kann&ldquo;, sagte Fasching.</li> <li>Ausgangs-HbA<sub>1c</sub> 6,5&ndash;9,0 % : Medikament&ouml;se Basistherapie des manifesten Typ-2-Diabetes ist weiterhin Metformin.<sup>1</sup> Wird der HbA<sub>1c</sub>-Zielwert nach 3&ndash;6 Monaten nicht erreicht, wird ein zweites Antidiabetikum hinzukombiniert.</li> <li>Bei einem Ausgangs-HbA<sub>1c</sub> &gt;9,0 % ist bereits initial eine Kombinationstherapie mit Metformin indiziert. Bei unzureichender Wirksamkeit werden weitere Antidiabetika hinzugegeben.</li> </ul> <h2>Weitgehend freie Wahl der Kombinationstherapien</h2> <p>Die Wahl der Kombinationstherapien ist weitgehend freigestellt, mit zwei Ausnahmen, wie Fasching festhielt: &bdquo;GLP-1- Rezeptor-Agonisten sollen nicht mit DPP- 4-Hemmern kombiniert werden, da dies keinen Vorteil bringt. Sinnvoll w&auml;re aufgrund des synergistischen Wirkmechanismus die Kombination eines GLP-1-Rezeptor- Agonisten mit einem SGLT2-Hemmer. Diese Kombination ist derzeit aber nicht zugelassen und wird auch nicht erstattet. Der Nutzen ist derzeit erst in einer einzigen Studie nachgewiesen.&ldquo;<br /><br /> <strong>Neuerungen zu Metformin</strong><br /> Die j&uuml;ngste Vergangenheit brauchte zwei &Auml;nderungen zu Metformin: den Wegfall der Kontraindikation f&uuml;r Metformin bei Schwangeren und die Senkung der GFR-Untergrenze. Wie Fasching betonte, bedeute der Wegfall der Kontraindikation aber nicht, dass Metformin zur Therapie des Schwangerschaftsdiabetes indiziert sei. Metformin kann nun bis zu einer GFR von 30ml/min eingesetzt werden, allerdings in reduzierter Dosis (GFR &lt;60ml/ min: max. 2000mg, GFR zwischen &gt;30 und &lt;45mg/min: max. 1000mg). Zu beachten ist das erh&ouml;hte Risiko f&uuml;r akutes Nierenversagen unter Metformin mit deutlich eingeschr&auml;nkter Nierenfunktion.</p> <h2>Einstieg in die Insulintherapie mit Basalinsulin</h2> <p>Der Einstieg in eine Insulintherapie erfolge meist durch Zugabe eines Basalinsulins zur laufenden oralen Therapie, so Fasching. Sulfonylharnstoffe m&uuml;ssen am Abend pausiert werden, um keine Hypoglyk&auml;mien zu riskieren. Ist Basalinsulin nicht ausreichend wirksam, dann ist auch eine einmalige Gabe eines Mischinsulins zur oralen Therapie m&ouml;glich. Reicht auch dies nicht aus, dann wird eine differenzierte Insulintherapie n&ouml;tig.</p> <h2>Kardiovaskul&auml;re Aspekte der Diabetestherapie</h2> <p>&bdquo;Durch konsequente multifaktorielle Therapie konnten das kardiovaskul&auml;re und das renale Risiko von Patienten mit Typ- 2-Diabetes gesenkt werden. Neueren Daten zufolge ist es aber immer noch doppelt so hoch wie jenes von Nichtdiabetikern. Das wird zu wenig wahrgenommen&ldquo;, sagte Fasching. Bis zum vergangenen Jahr konnte in keiner gro&szlig;en Studie ein Effekt eines Antidiabetikums auf kardiovaskul&auml;re Endpunkte valide nachgewiesen werden.<br /> Lediglich f&uuml;r Metformin zeigte eine kleine Studie bei adip&ouml;sen Diabetikern eine Reduktion der Gesamtmortalit&auml;t um 36 % im Vergleich zur Kontrollgruppe, was dessen Stellenwert als Basistherapie begr&uuml;ndet.<sup>4</sup><br /> <strong>Pioglitazon</strong> verl&auml;ngerte in der PROACTIVE- Studie die Zeit bis zum fatalen oder nicht fatalen Myokardinfarkt (sekund&auml;rer Endpunkt). Davon profitierten besonders Patienten mit stattgehabtem Myokardinfarkt. Das Risiko f&uuml;r ein Schlaganfallrezidiv war halbiert.<sup>5</sup> Rezent wurde gezeigt, dass Pioglitazon das Risiko f&uuml;r ein Schlaganfallrezidiv auch bei Nichtdiabetikern verringert.<sup>6</sup><br /> <strong>DPP-4-Hemmer</strong> sind gem&auml;&szlig; den bisher publizierten kardiovaskul&auml;ren Outcome- Studien kardiovaskul&auml;r sicher, sieht man von der ausschlie&szlig;lich f&uuml;r Saxagliptin gezeigten erh&ouml;hten Rate von Hospitalisierungen aufgrund von Herzinsuffizienz ab.<sup>7</sup> &bdquo;Es ist nicht von einem Gruppeneffekt auszugehen. Und man wei&szlig; auch nicht, ob es bei Saxagliptin nicht ein zuf&auml;lliges Ergebnis war&ldquo;, sagte Fasching.<br /> F&uuml;r den <sup>SGLT2-Hemmer</sup> Empagliflozin wurde erstmals mit einem Antidiabetikum eine Verringerung schwerer kardiovaskul&auml;rer Ereignisse (3-Punkt-MACE) und der Gesamtmortalit&auml;t gezeigt (EMPA-REGOutcome- Studie, Abb. 1) und auch die Nierenfunktion verbesserte sich.<sup>8</sup> &bdquo;Diese Tatsache wird sich in den Leitlinien vor allem bei Patienten mit Herzinsuffizienz und mit kardiovaskul&auml;rer Vorerkrankung abbilden. Die ESC empfiehlt bereits, SGLT2-Hemmer (Empagliflozin) bei Patienten mit Typ- 2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankung fr&uuml;h im Krankheitsverlauf zu ber&uuml;cksichtigen.<sup>9</sup> Auf Basis der EMPA-REG-Studie wurde die Fachinformation von Empagliflozin erg&auml;nzt. In der aktuellen Fassung wird auf die Senkung der kardiovaskul&auml;ren Mortalit&auml;t und der Mortalit&auml;t als integraler Bestandteil der Behandlung des Typ-2-Diabetes hingewiesen.<sup>10</sup><br /> Abschlie&szlig;end verwies Fasching auf die Notwendigkeit, kardiovaskul&auml;re Risikofaktoren bei Patienten mit Typ-2-Diabetes strikt zu kontrollieren, und betonte: &bdquo;Es gilt ein LDL-C-Ziel von &lt;70mg/dl.&ldquo;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Diabetes_1702_Weblinks_s36_abb1.jpg" alt="" width="1421" height="770" /></p> <div id="fazit"> <h2>Praxistipp</h2> &bdquo;Setzen Sie Diabetespr&auml;parate ein, mit denen Sie vertraut sind! Damit vermeiden Sie irrt&uuml;mliche Doppelverordnungen, wenn mehrere Kombinationspr&auml;parate verschrieben werden.&ldquo;</div></p> <p class="article-quelle">Quelle: Wiener Diabetes-Dialog 2017, 17. März 2017, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> &Ouml;sterreichische Diabetes Gesellschaft: Wien Klin Wochenschr 2016; 128(Suppl 2): S37-S225 <strong>2</strong> American Diabetes Association Diabetes Care 2016 <strong>3</strong> Garber AJ et al: Endocr Pract 2016; 22: 84-113 <strong>4</strong> UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) Group: Lancet 1998; 352: 854-865 <strong>5</strong> Viscoli CM et al: N Engl J Med 2016; 375: 704 <strong>6</strong> Dormandy JA et al: Lancet 2005; 366: 1279-89 <strong>7</strong> Green JB et al: N Engl J Med 2015; 373: 232-42 <strong>8</strong> Zinman B et al: N Engl J Med 2015; 373: 2117-28 <strong>9</strong> Piepoli MF et al: Eur Heart J 2016; 37: 2315-81 <strong>10</strong> Fachinformation Jardiance<sup>&reg;</sup>, Stand 01/2017</p> </div> </p>
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