Übergewicht & Adipositas auf dem Vormarsch: Österreich muss handeln!
Rückfragen:
Mag. Marie-Theres Egyed
Österreichische Gesundheitskasse
E-Mail: presse@oegk.at
Mag. Robert Bauer
Österreichische Adipositas Allianz
E-Mail: office@adipositas.at
Die ÖGK und die Österreichische Adipositas Allianz erklären anlässlich des Weltadipositastags am 4. März, dass konkretes Handeln angesichts der steigenden Adipositaszahlen gefragt ist.
Keypoints
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Mehrheit der Gesamtbevölkerung ist übergewichtig, schon ein Drittel der Neunjährigen betroffen
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Ernstzunehmende Folgeerkrankungen und Kosten für Gesellschaft und Gesundheitssystem
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ÖGK-Programme für Prävention und Expertenplattform für Aufbruch in der Gesellschaft
Aktuell sind etwas mehr als die Hälfte der Erwachsenen und rund ein Viertel der Kinder und Jugendlichen übergewichtig (BMI 25–29,9kg/m2) oder adipös (BMI ab 30kg/m2). Männer sind in allen Altersgruppen häufiger betroffen, die Häufigkeit steigt mit dem Alter stark an. Konkret leben in Österreich 41% der Männer mit Übergewicht bzw. 18% mit Adipositas. Bei Frauen ist der Anteil etwas geringer mit 27% Übergewicht bzw. 15% Adipositas.1
Adipositas beginnt bei den Jüngsten
Schon bei den Neunjährigen sind mehr als 31% der Buben und 29% der Mädchen übergewichtig oder adipös.2 „Wir können es uns als Gesellschaft nicht leisten, dass eine chronische Erkrankung immer weitere Teile der Bevölkerung erfasst“, warnt Andreas Huss, MBA, Obmann-Stellvertreter der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), angesichts dieser Fakten, und er fordert: „Adipositas ist eine für die betroffenen Menschen und für die Gesellschaft sehr belastende Erkrankung, die früh im Leben zu vielen Folgeerkrankungen und eingeschränkter Lebensqualität führt. Die Prävention, aber auch die Verbesserung der Gesundheitskompetenz bei Ernährung, Bewegung und Psyche sind enorm wichtig. Die ÖGK setzt in ihren Präventionsprogrammen bereits bei Kindern und Jugendlichen an. Aber auch die Politik und die Lebensmittelindustrie sind gefordert. Hoch verarbeitete und krankmachende Lebensmittel müssen verständlich gekennzeichnet werden. Denn den gesunden Schokoriegel gibt es nicht!“
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Florian Kiefer ist Präsident der Österreichischen Adipositas Allianz (ÖAA) und Leiter der Endokrinologischen Ambulanz an der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel am AKH Wien. Er unterstreicht: „Adipositas ist eine chronische Erkrankung, bei deren Entstehung und Verlauf viele verschiedene Faktoren zusammenwirken. Dazu gehören Lebensstil-Aspekte wie Ernährung und Bewegung, aber bei rund 70%3 der Betroffenen auch genetische Faktoren. Prävention ist darum ebenso wichtig wie evidenzbasierte Therapien für bereits Erkrankte.“
In der Öffentlichkeit ist die Komplexität der Erkrankung weitgehend unbekannt. Betroffene leiden daher unter massiver Stigmatisierung („selber schuld“, „keine Disziplin“ etc.), die oft in der eigenen Familie oder im Freundeskreis geschieht und Menschen in die Abwärtsspirale von Rückzug, sozialer Isolation und psychischen Erkrankungen wie etwa Depressionen treibt. Zu den psychischen Folgen kommen weitere Folgeerkrankungen, etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, erhöhter Blutdruck, erhöhte Blutfettwerte, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Demenz.
Schwere Folgen für Betroffene, Gesellschaft und Gesundheitswesen
Die persönlichen Auswirkungen für Betroffene im Privat- und Arbeitsleben sind gravierend, aber auch jene für die Gesellschaft, Wirtschaft und das Gesundheitssystem. Prognosen der OECD für Europa zeigen, dass Adipositas zwischen 2020 und 2050 das österreichische BIP im Schnitt um 2,5% pro Jahr reduziert. Eingerechnet werden hier auch indirekte Kosten wie Krankenstände, vorzeitige Pensionierungen etc. Bezogen auf das BIP 2021 von 403 Milliarden Euro geht es also um jährlich rund 10 Milliarden Euro.3 Menschen mit Adipositas müssen öfter Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch nehmen, haben mehr Fehltage aufgrund von Krankheit, werden häufiger operiert und bekommen mehr Medikamente verschrieben.4
Präventionsprogramme der ÖGK
Die Prävention von Übergewicht, Adipositas und den resultierenden Erkrankungen ist in einem interdisziplinären Therapieansatz dringend notwendig. Die ÖGK hat nachhaltige Interventionsprogramme entwickelt. Die Angebote sind gut zugänglich und bieten Informationen, um eine Reduktion von Fehlernährung und Bewegungsmangel zu erreichen, Gesundheit eigenverantwortlich zu fördern und den nachhaltigen Aufbau von gesunden Lebensgewohnheiten im körperlichen und auch im psychischen Bereich zu unterstützen.
ÖGK-Präventionsprogramm „Leichter Leben“ (Erwachsene)
Unter „Leichter Leben – Körpergewicht & Blutwerte im Griff“ ist ein auf den S3-Leitlinien fußendes Präventionsprogramm zusammengefasst. Es handelt sich um ein hochwertiges Gruppenprogramm für Erwachsene mit Übergewicht/Adipositas und/oder Risikofaktoren für chronische Erkrankungen zum Aufbau gesundheitsfördernder Verhaltensweisen mit Augenmerk auf Ernährung und Bewegung. Das Programm unterstützt durch Wissensvermittlung zum multiplen Krankheitsbild sowie durch konkrete Angebote zu Bewegung, Ernährung und psychischem Wohlbefinden. Dies erfolgt mithilfe von qualifizierten Fachkräften aus den Bereichen Psychologie, Ernährung und Bewegung.
ÖGK-Präventionsprogramme „Leichter Leben – Kids & Teens“
Diese Kurse erfolgen in altersentsprechenden Gruppen mit jeweils ca. 12 Kindern/Jugendlichen (plus Begleitpersonen). Die Familien werden von interdisziplinären Expertenteams begleitet und betreut. Individuelle Zielvereinbarungen und neue Verhaltensmuster verändern das Ernährungs- und Bewegungsverhalten und damit die körperliche Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. Im Zentrum stehen altersadäquate Bewegungs- und Ernährungseinheiten, die altersgerecht vermittelt werden. Die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen erlernen einen neuen Zugang zu ihrem Körper, ihrem Selbstwertgefühl und ihrem körperbezogenen Verhalten.
Österreichische Adipositas Allianz: Information und konkrete Schritte
Die Österreichische Adipositas Allianz (ÖAA) ist ein Zusammenschluss von Institutionen, die gemeinsam die Fülle der Themen und Anliegen rund um die Erkrankung Adipositas abdecken. Zu medizinischen Fachgesellschaften kommen Vertreter:innen der Betroffenen sowie weitere Stakeholder hinzu. Wesentliche Anliegen der Expert:innenplattform sind die Anerkennung von Adipositas als eigenständige chronische behandelbare Erkrankung, ein faktenbasiertes Verständnis der Erkrankung, ein Ende der Diskriminierung und Stigmatisierung von Betroffenen und Maßnahmen, die zu einer effektiven Verhältnisprävention führen. Für bereits Erkrankte fordert die ÖAA einen klaren Pfad durch die verschiedenen Therapie- und Rehabilitationsmöglichkeiten und ein Disease-Management-Programm gemeinsam mit den Gesundheitskassen und der Gesundheitspolitik, ergänzt um Aus- und Fortbildung des medizinischen Personals und weiterer Gesundheitsberufe für das komplexe Krankheitsbild der Adipositas. (red)
Quelle:
Presseaussendung der Österreichischen Adipositas Allianz vom 29.2.2024
Literatur:
1 https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/gesundheit/gesundheitsverhalten/uebergewicht-und-adipositas 2 https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Kinder--und-Jugendgesundheit/COSI.html 3 Presseaussendung der Österreichischen Adipositas Allianz vom 22.6.2022 4 https://www.wko.at/pages/wiener-wirtschaftskreis/broschuere-adipositas-ernaehrung.pdf , Seite 9
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