
Diagnose und Behandlung von vulvären intraepithelialen Neoplasien
Autorin:
Assoz. Prof. PD Dr. Gerda Trutnovsky
Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Medizinische Universität Graz
E-Mail: gerda.trutnovsky@medunigraz.at
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Die Inzidenz der vulvären intraepithelialen Neoplasie (VIN) ist in den letzten Jahrzehnten, vor allem bei jüngeren Frauen, deutlich gestiegen. Zur Standardtherapie zählen chirurgische Exzision und Laserdestruktion. Es werden aber zunehmend auch medikamentöse Therapiealternativen verwendet.
Die klinischen Erscheinungsbilder und die Symptomatik der VIN sind sehr vielseitig und erschweren oft die zeitgerechte Diagnose und Therapie. VIN-Läsionen können sich durch anhaltenden Juckreiz bemerkbar machen, sind aber auch oft asymptomatisch und werden dann nur im Rahmen von gynäkologischen Routinekontrollen erkannt. Eine sorgfältige Inspektion der Vulva ist daher ein wichtiger Bestandteil jeder gynäkologischen Untersuchung. Vor allem bei Patientinnen mit bekannter HPV-Infektion, zervikaler Dysplasie und/oder bekannter Dermatose sollte an die Entstehung einer vulvären intraepithelialen Neoplasie gedacht werden.
Klassifikation
Die aktuelle WHO-Nomenklatur unterscheidet zwei unterschiedliche Formen der VIN, die sich in Inzidenz, Erscheinungsbild und Prognose deutlich unterscheiden: die HPV-assoziierte VIN (vulväre HSIL) und die differenzierte VIN.1
Circa 90% aller höhergradigen VIN (VIN2 und VIN3) werden durch persistierende Infektionen mit Hochrisiko-HPV (humanen Papillomaviren), vor allem HPV16, verursacht und als „vulvar high-grade squamous intraepithelial lesions“ (vHSIL), oder auch „usual type VIN“ klassifiziert. Die Läsionen zeigen sich in unterschiedlicher Größe uni- oder multizentrisch, als Leukoplakie oder bräunlich pigmentierte Areale, und können alle Bereiche der Vulva sowie die perianale Region betreffen. Die nicht betroffene Vulva zeigt sich meist unauffällig.
Dem gegenüber steht die differenzierte VIN, die auf dem Boden einer Dermatose (Lichen sclerosus oder Lichen planus) entsteht. Typischerweise zeigen sich hier Veränderungen der gesamten Vulva mit Pigmentstörungen und Strukturverlust der Labien. Therapieresistente Hyperkeratosen und Erosionen müssen bioptisch abgeklärt werden, um eine intraepitheliale Neoplasie auszuschließen. Die differenzierte VIN betrifft vor allem ältere postmenopausale Patientinnen und zeigt eine hohe Rate an Rezidiven. Die Wahrscheinlichkeit einer Progression zu einem invasiven Karzinom wird auf 33% geschätzt und ist damit deutlich höher als bei der HSIL mit circa 6%.2
Diagnosesicherung
Abb. 3: Lichen planus mit rezidivierender differenzierter VIN
Bei beiden Formen der VIN sollte eine histologische Sicherung der Diagnose erfolgen. Dies kann in Lokalanästhesie mit Stanzbiopsie ambulant erfolgen. Bei HSIL zeigen Antikörper gegen p16, einen indirekten Marker für eine transformierende Infektion mit HPV-high-risk-Genotypen, eine spezifische Überexpression. Bei der differenzierten VIN zeigten sich meistens Hinweise auf das Vorliegen eines Lichen planus oder Lichen sclerosus.
Therapie
Die bisherige Standardtherapie der VIN ist chirurgisch. Bei der differenzierten VIN wird vor allem eine Exzision empfohlen, um durch die Histologie eine okkulte Invasion auszuschließen. Eine anschließende Einleitung bzw. Fortführung einer lokalen Therapie mit topischen Kortikosteroiden, z.B. Clobetasol (Dermovate®), ist essenziell, um die Wahrscheinlichkeit für Rezidive zu verringern. Frauen müssen über die Notwendigkeit einer lebenslangen Therapie mit Kontrolluntersuchungen aufgeklärt werden.
Die Therapie der vulvären HSIL hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Es hat sich gezeigt, dass auch weniger radikale chirurgische Eingriffe vertretbar sind und Exzision und Laserdestruktion etwa gleich effektiv sind. Bei Persistenz der vulvären HPV-Infektion kann es jedoch in bis zu 50% zu Rezidiven kommen.
Durch wiederholte chirurgische Eingriffe kann es zu Narbenbildung, vulvovaginalen Veränderungen und zu psychosexuellen Beschwerden kommen. In den letzten Jahrzehnten wurden daher zunehmend medikamentöse, konservative Therapiealternativen untersucht.
Eine der meistverwendeten medikamentösen Off-label-Therapien ist der lokale Immunmodulator Imiquimod (Aldara®). Durch eine lokale Entzündungsreaktion kommt es zur Aktivierung von natürlichen Killerzellen gegen HPV-infizierte Hautzellen, zur HPV-Clearance und zur Rückbildung von HSIL. Als typische Nebenwirkung zeigen sich lokale Entzündungsreaktionen mit Rötung und Schmerzen, aber auch systemische Reaktionen mit grippe-artigen Symptomen.
Die Therapie dauert, je nach Größe der Läsion, zwischen 2 und 6 Monate und wird von den Patientinnen nach genauer Aufklärung selbstständig durchgeführt. Die Creme sollte sparsam auf dem betroffenen Areal aufgetragen werden und die Dosis langsam von einmal wöchentlich bis auf maximal dreimal pro Woche gesteigert werden. Die regelmäßige Verwendung von Pflegesalben wird empfohlen, um vulväre Reizungen zu lindern. Im Falle von stärkeren lokalen Nebenwirkungen kann die Dosis reduziert bzw pausiert werden. Kontrolluntersuchungen zur Überwachung von Compliance, Wirkung und möglichen Nebenwirkungen werden empfohlen.
Aktuelle Studie
In unserer aktuellen, im „Lancet“ publizierten Studie konnte gezeigt werden, dass Imiquimod eine sichere, effektive und gut verträgliche Alternative zur chirurgischen Therapie ist.3
Die multizentrische randomisierte Phase-III-Non-Inferiority-AGO-Studie wurde an der Frauenklinik der Medizinischen Universität Graz und fünf weiteren österreichischen Zentren durchgeführt.3 Frauen mit histologisch bestätigter uni- oder multifokaler vHSIL wurden eingeladen, an der Studie teilzunehmen. Ausschlusskriterien waren unter anderem der klinische Verdacht auf Invasion, Zustand nach Vulvakarzinom, Schwangerschaft oder Immunsuppression.
Die Patientinnen erhielten nach Randomisierung entweder eine medikamentöse Therapie mit Imiquimod oder einen chirurgischen Eingriff. Die Therapie mit Imiquimod (Aldara 5% Creme) wurde von den Patientinnen nach ausführlicher mündlicher und schriftlicher Aufklärung selbstständig über einen Zeitraum von 4 Monaten, mit möglicher Verlängerung bis zu 6 Monaten, durchgeführt. Die chirurgischen Interventionen wurden entsprechend dem jeweiligen Klinikstandard durchgeführt und erfolgten je nach Klinik mit Exzision und/oder Laserdestruktion.
Nach 6 Monaten erfolgte eine ausführliche Kontrollunteruchung mit Fotodokumentation, Kontrollbiopsie, HPV-Test und Lebensqualität-Fragebögen. Zusätzlich wurden anfangs monatliche klinische Kontrollen sowie Follow-up-Untersuchungen nach 9 und 12 Monaten durchgeführt.
Von den 110 eingeschlossenen Patientinnen hatten 78% eine unifokale und 22% eine multifokale vulväre HSIL. Von 98 Patientinnen mit Per-Protokoll-Behandlung zeigten 80% (37/46) nach Imiquimod-Therapie eine komplette klinische Remission und 79% (41/52) nach einer chirurgischen Intervention. Invasive Läsionen wurden bei 5 Patientinnen im Rahmen der primären oder sekundären Operation entdeckt, jedoch bei keiner Patientin mit Per-Protokoll-Imiquimod-Therapie. Nach 6 und 12 Monaten wurde kein Unterschied in HPV-Clearance, Nebenwirkungen und Therapiezufriedenheit zwischen den zwei Studiengruppen beobachtet.
Aufgrund der Studienergebnisse kann Imiquimod als sichere Therapiealternative zur chirurgischen Therapie empfohlen werden. Wichtig sind gute Aufklärung und Compliance, um Nebenwirkungen zu vermeiden und die onkologische Sicherheit zu gewährleisten.
Literatur:
1 Lebreton M et al.: Vulvar intraepithelial neoplasia: Classification, epidemiology, diagnosis, and management. J Gynecol Obstet Hum Reprod 2020; 49: 10180 2 van de Nieuwenhof HP et al.: Vulvar squamous cell carcinoma development after diagnosis of VIN increases with age. Eur J Cancer 2009; 45: 851-6 3 Trutnovsky G et al.: Topical imiquimod versus surgery for vulvar intraepithelial neoplasia: a multicentre, randomised, phase 3, non-inferiority trial. Lancet 2022; 399: 1790-8
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