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Umfrage

ERAS: Was wissen und machen wir in Österreich?

Im September 2024 fand in der Nähe von Málaga in Spanien der 10. Weltkongress der Internationalen Gesellschaft für „Enhanced Recovery After Surgery“ (ERAS) statt. Im Rahmen des dreitägigen Kongresses wurde auch eine Session dem Konzept der ERAS in der Gynäkologie und Geburtshilfe gewidmet (Obstetrics & Gynecology Group Symposium). Dies zeigt die Relevanz dieser Guidelines und Erkenntnisse insbesondere in unseren Fächern, auch in Bereichen, in denen sie bis dato noch wenig Umsetzung gefunden haben – wie in der Geburtshilfe.

ERAS in Gynäkologie und Geburtshilfe

„Enhanced Recovery After Surgery“ (ERAS) ist ein multidisziplinäres Konzept zur Behandlung von Patienten, das darauf abzielt, postoperative Ergebnisse durch evidenzbasierte Maßnahmen zu verbessern und die Erholungszeit der Patient:innen zu verkürzen.

In der Gynäkologie und Geburtshilfe hat ERAS in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, insbesondere bei chirurgischen Eingriffen wie Hysterektomien, Kaiserschnitten und minimalinvasiven Operationen.

Die wissenschaftlich fundierten Maßnahmen des ERAS-Protokolls in der Gynäkologie zielen darauf ab, den prä-, intra- und postoperativen Verlauf zu optimieren, die Genesung zu beschleunigen und Komplikationen zu minimieren. Die ERAS-Gesellschaft und das American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) haben diese Richtlinien speziell für gynäkologische sowie gynäkologisch-onkologische Eingriffe angepasst. Mit fortschreitendem Wissensstand werden die Maßnahmen kontinuierlich erweitert und beinhalten zunehmend auch geburtshilfliche Themen.

Die 2018 erstellten und etablierten Leitlinien (ACOG 2018) umfassen die in Tabelle 1 beschriebenen Kernpunkte.

Tab. 1: Kernpunkte der etablierten Leitlinien des ACOG 2018

Traditionelle postoperative Pflegekonzepte basieren häufig auf einem „schonenden“ Ansatz und implizieren dadurch oft verlängerte Fastenzeiten, eingeschränkte Mobilisation und verzögerte Nahrungsaufnahme. Im Gegensatz dazu verfolgt ERAS das Ziel, die Stressreaktionen des Körpers zu minimieren, indem es postoperative Mobilität und Selbstständigkeit fördert und den Bedarf an einer längeren Hospitalisation reduziert. Die ERAS-Protokolle bauen auf einem ganzheitlichen Ansatz auf, welcher sämtliche Phasen der perioperativen Versorgung abdeckt – von der präoperativen Vorbereitung bis hin zur postoperativen Rehabilitation. Wichtige Maßnahmen hierbei sind die Präoptimierung des Ernährungsstatus, eine frühzeitige Mobilisation sowie die Reduktion von Schmerztherapien mit Opioiden.

Besonders großes Potenzial in der Geburtshilfe

Vom 18. bis 20. September 2024 fand nun ein reger internationaler Austausch über aktuelle sowie neue Erkenntnisse zum ERAS-Konzept statt. Das Programm des gynäkologischen und geburtshilflichen Symposiums des ERAS-Weltkongresses behandelte Themen wie Carbohydrate-Loading, TAP-Blocks, Drainagen, neue Forschungsergebnisse in der Urogynäkologie und gynäkologischen Anästhesie sowie weniger bekannte Aspekte wie die neuen GLP-1-Inhibitoren (z.B. Ozempic) und das ERAS-Konzept bei Plazentaadhärenzstörungen. Besonders in der Geburtshilfe haben aktuelle ERAS-Empfehlungen das Potenzial, die postoperative Genesung von Mutter und Neugeborenem erheblich zu verbessern. Ein standardisiertes postoperatives Schmerzmanagement, eine frühzeitige Nahrungsaufnahme und eine rasche Mobilisation fördern nicht nur das Wohlbefinden der Patientinnen, sondern erleichtern auch den Beginn des Stillens und die Bindung zum Neugeborenen. Die Implementierung von ERAS hat sich nachweislich positiv im Sinne derReduktion von Komplikationen, einer verkürzten Aufenthaltsdauer im Krankenhaus und einer gesteigerten Patientenzufriedenheit ausgewirkt. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von ERAS als innovatives, patientenorientiertes Versorgungskonzept in der gynäkologischen Chirurgie und Geburtshilfe.

Nationale Umfrage der Jungen Gyn

Um zu ermitteln, wie diese wichtigen Themen in den verschiedenen „schneidenden Fächern“ in Österreich in die Ausbildung eingebaut werden und wie viele Kliniken mit diesen Konzepten vertraut sind, startet die Junge Gyn eine nationale Umfrage. Die gesammelten Daten sollen helfen, mögliche Lakunen und Barrieren zu identifizieren. Die Teilnahme dauert nur wenige Minuten und ist über den Link möglich. Wir bitten Sie, den Link auch Kolleg:innen aus anderen Kliniken, insbesondere Kolleg:innen in Ausbildung sowie aus benachbarten Fachrichtungen wie Urologie, Allgemeinchirurgie und Anästhesie, weiterzugeben. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme und bedanken uns im Sinne der Frauengesundheit österreichweit.

• American College of Obstetricians and Gynecologists. ACOG Committee Opinion No. 750: Perioperative Pathways: Enhanced Recovery After Surgery. Obstet Gynecol 2018;132(3):e120-30 • Ljungqvist O et al.: Enhanced Recovery After Surgery: a review. JAMA Surg 2017;152(3):292-8 • Nelson G et al.: Guidelines for perioperative care in gynecologic/oncology: Enhanced Recovery After Surgery (ERAS) Society recommendations - 2019 update. Int J Gynecol Cancer 2019; 29(4):651-668 • Nelson G et al.: The ERAS® Society Handbook for Obstetrics &Gynecology. 1st ed. Elsevier; 2022 • Wilson RD et al.: Enhanced recovery after cesarean delivery. Am J Obstet Gynecol 2020;223(4):608

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