
Frisch- versus Kryo-Embryotransfer
Autoren:
Dr. scient. med. Gregor Weiss, MSc
Dr. med. univ. Michael Schenk, MAS
Das Kinderwunsch Institut Schenk GmbH, Dobl
Korrespondierender Autor:
Dr. scient. med. Gregor Weiss, MSc
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Tiefgekühlt oder frisch? Die Embryotransferpolitik wird seit der Einführung der Kryobiologie kontroversiell diskutiert. Neue Studien deuten auf eine größere Erfolgschance in Kryozyklen hin. Ist „freeze-all“ somit die Lösung für alle Kinderwunschpatienten?
Keypoints
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Frisch- und Kryo-Embryotransfers zeigen ähnliche Resultate in Bezug auf biochemische, klinische und fortlaufende Schwangerschaftsraten.
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Kryo-Embryotransfers zeigen bessere Chancen auf Implantation und Lebendgeburt.
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Kryo-Embryotransfers erhöhen das Risiko für Präeklampsie und erhöhtes Geburtsgewicht.
Infertilität ist ein globales Phänomen, das weltweit mehr als 186 Millionen Menschen betrifft.1 Die Zahl der Betroffenen steigt konstant und damit einhergehend der Bedarf an reproduktionsmedizinischen Maßnahmen, wie der in-vitro-Fertilisation (IVF) oder der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI).
Die Gründe für Infertilität sind vielfältig, jedoch spielt das zunehmende Alter der Patienten die wohl bedeutendste Rolle. Zusätzlich können akute oder chronische Infektionskrankheiten, Umwelteinflüsse, genetische Prädispositionen, Lebensstil und das Mikrobiom zur Infertilität beitragen und den Kinderwunsch nur bedingt möglich machen. Der Erfolg der IVF/ICSI-Behandlungen resultiert aus einem komplexen Zusammenspiel zwischen Reproduktionsmedizin und klinischer Embryologie. Der Prozess des Embryotransfers spielt dabei eine wesentliche Rolle.
Der Vormarsch der Kryobiologie
Der Embryotransfer galt seit Einführung der IVF 1978 als Übertragung eines frischen Embryos, die direkt nach der Eizellpunktion am Tag 3 (Morula-Transfer) oder Tag 5 (Blastozysten-Transfer) nach Fertilisierung durchgeführt wird.2 Durch den Technologiefortschritt konnte bereits ein paar Jahre später (1984) die erste Lebendgeburt nach Kryo-Embryotransfer verzeichnet werden. Die Kryobiologie hatte somit Einzug in die Reproduktionsmedizin gehalten und wurde durch technische Adaptierungen immer häufiger angewandt. Die amerikanische Gesellschaft für assistierte Reproduktion (SART) berichtete bereits 2016 über eine enorme Zunahme der Kryo-Embryotransfers im letzten Jahrzehnt, die mancherorts die Zahl der frischen Embryotransfers sogar überholt hat. Damit sind die Kryobiologie und der Kryotransfer zu einer essenziellen Methode der IVF- und ICSI-Behandlung geworden.3
Mittlerweile gibt es unzählige Reviews und Metaanalysen zum Thema der Transferpolitik. Beide Transfermethoden haben ihre Berechtigung in der Reproduktionsmedizin, werden aber nach wie vor kontroversiell diskutiert.
Der traditionelle Frischtransfer ist im Normalfall günstiger, da keine Kosten einer Kryolagerung oder indirekte Monitoringkosten in einem Folgezyklus entstehen. Außerdem erlaubt er den Patienten einen direkten Transfer ohne zeitliche Verzögerung.
Im Kryo-Embryotransfer werden die Embryonen nach der Fertilisierung kryokonserviert und in einem Folgezyklus aufgetaut und eingesetzt. Dies wird vor allem durch standardisierte Technologien der Kryobiologie gewährleistet (z.B. automatisierte Vitrifikationssysteme). Embryonen werden im Allgemeinen in den frühen Teilungsstadien gefroren. Trotz moderner Techniken besteht ein Risiko von 3%, den Embryo während des Auftauprozesses zu schädigen. Forscher gehen davon aus, dass der Frier-Auftau-Prozess eine Art Qualitätskontrolle für den Embryo ist, die für den Erfolg der Implantation entscheidend ist.4
Verbesserte klinische Ergebnisse nach Kryo-Embryotransfer
In einer der rezentesten Metaanalysen aus dem Jahr 2021 versuchten Wang und Hu die beiden Transfermethoden hinsichtlich ihrer Sicherheitsaspekte und Effektivität zu vergleichen. Anhand eines Auswahlprozesses wurden von 1327 publizierten Artikeln 9 Studien (publiziert zwischen 2010 und 2018) mit insgesamt 11392 Patientinnen analysiert.5 Es zeigte sich eine deutlich höhere Implantationsrate nach Kryo-Embryotransfer, jedoch konnten keine Unterschiede für die biochemischen, klinischen und fortlaufenden Schwangerschaftsraten ermittelt werden. Zusätzlich zeigte sich eine erhöhte Lebendgeburtenrate nach Kryo-Embryotransfer und auch eine deutlich größere Wahrscheinlichkeit für erhöhtes Geburtsgewicht im Vergleich zu Frisch-Embryotransfers.
Neben dieser Metaanalyse bestätigt eine zunehmende Anzahl von Studien verbesserte klinische Ergebnisse nach dem Kryo-Embryotransfer.6–9 So konnte mit hoher wissenschaftlicher Evidenz gezeigt werden, dass das Risiko für eine Frühgeburt und ein niedriges Geburtsgewichts bzw. eine geringe Geburtsgröße („small for gestational age“, SGA) nach Kryo-Embryotransfer im Vergleich zum Frisch-Embryotransfer deutlich geringer ist.10 Der Prozess des „freeze-all“ – also der gesamten Kryokonservierung aller Embryonen aus einer Punktion für einen späteren Kryotransfer – zeigt sich vor allem für Patientinnen mit polyzystischem Ovarsyndrom (PCOS) oder Patientinnen mit Risiko für ein ovarielles Überstimulationssyndrom (OHSS) vorteilhaft. Die hormonelle Stimulation der Eierstöcke bei IVF/ICSI verursacht einen Zustand des Hyperöstrogenismus zu einem Zeitpunkt, an dem frische Embryonen übertragen werden. Es wurde spekuliert, dass dies zu einer abnormalen endometrialen Angiogenese führt, was im Weiteren eine reduzierte Implantation sowie eine abnormale Plazentation bewirken kann. Dies könnte das geringere Geburtsgewicht oder das erhöhte Frühgeburtenrisiko nach Frisch-Embryotransfer erklären. Im Vergleich dazu ist das Uterusmilieu in einem Kryozyklus natürlicher, da die Wirkung der ovariellen Stimulation zum Zeitpunkt des Kryo-Embryonentransfers tendenziell nachlässt.10
Die Nachteile des Kryotransfers
Jedoch zeigen sich nicht nur Vorteile im Kryo-Embryotransfer: Ein deutlich gesteigertes Risiko für erhöhtes Geburtsgewicht bzw. erhöhte Geburtsgröße („large for gestational age“, LGA) sowie hypertensive Störungen, wie Präeklampsie, im Verlauf der Schwangerschaft wurden berichtet. Die Gründe für diese Auswirkungen sind bis dato nicht geklärt. Jedoch ist davon auszugehen, dass ein erhöhtes Implantationspotenzial zu einer besseren Plazentation und einem stärkeren Wachstum des Fötus führt.10
Die Vergleichbarkeit von Studien im Bereich der Transferpolitik ist oftmals sehr schwierig, da unterschiedliche Länder auch verschiedene Strategien und Richtlinien innerhalb der Reproduktionsmedizin verfolgen. Weiters ist zu bedenken, dass die meisten Metaanalysen das gesamte Patientenkollektiv einschließen. Dazu zählen auch Patientinnen mit PCOS. Die ovarielle Antwort bei Patientinnen mit PCOS ist meist intensiver, Östradiolspiegel sind stark erhöht und die Anzahl an gewonnenen Eizellen ist ebenso deutlich höher. Das uterine Milieu ist somit, im Vergleich zu einem Frisch-Embryotransfer bei Patientinnen ohne PCOS, noch weiter vom natürlichen Zustand entfernt.11 Diese Tatsache sollte in zukünftigen Studien berücksichtigt und Subgruppenanalysen mit PCOS-Patientinnen durchgeführt werden.
Schlussfolgerung
Die derzeitige Literatur deutet darauf hin, dass Frisch- und Kryo-Embryotransfer ähnliche Auswirkungen auf biochemische, klinische und fortlaufende Schwangerschaftsraten haben. Zwar zeigen sich im Kryo-Embryotransfer verbesserte Implantations- und Lebendgeburtenraten, jedoch sind das Risiko für Präeklampsie und ein höheres Geburtsgewicht mögliche Konsequenzen, die entsprechend berücksichtigt werden sollten. Die Wahl von Frisch- oder Kryo-Embryotransfer sollte auf die aktuelle Situation der Patientin zugeschnitten sein, alle Biomarker im Therapieverlauf berücksichtigt und das Patientenpaar im Sinne des „patient empowerments“ in die Entscheidung miteingebunden werden.
Literatur:
1 Inhorn MC, Patrizio P: Infertility around the globe: new thinking on gender, reproductive technologies and global movements in the 21st century. Hum Reprod Update 2015; 21(4): 411-26 2 Steptoe PC, Edwards RG: Birth after the reimplantation of a human embryo. Lancet 1978; 2(8085): 366 3 Pereira N, Rosenwaks Z: A fresh(er) perspective on frozen embryo transfers. Fertil Steril 2016; 106(2): 257-8 4 Darwish E, Magdi Y: Artificial shrinkage of blastocoel using a laser pulse prior to vitrification improves clinical outcome. J Assist Reprod Genet 2016; 33(4): 467-71 5 Wang C-H, Hu X-Q: A systematic review of clinical efficacy of frozen-thawed embryos and fresh embryos in in-vitro fertilization cycles. Cryobiology 2021; 100: 19-25 6 Evans J et al.: Fresh versus frozen embryo transfer: backing clinical decisions with scientific and clinical evidence. Hum Reprod Update 2014; 20(6): 808-21 7 Shapiro BS et al.: Clinical rationale for cryopreservation of entire embryo cohorts in lieu of fresh transfer. Fertil Steril 2014; 102(1): 3-9 8 Ozgur K et al.: Perinatal outcomes after fresh versus vitrified-warmed blastocyst transfer: retrospective analysis. Fertil Steril 2015; 104(4): 899-907.e3 9 Roque M et al.: Freeze-all policy: fresh vs. frozen-thawed embryo transfer. Fertil Steril 2015; 103(5): 1190-3 10 Maheshwari A et al.: Is frozen embryo transfer better for mothers and babies? Can cumulative meta-analysis provide a definitive answer? Hum Reprod Update 2018; 24(1): 35-58 11 Jin X et al.: Pregnancy outcome difference between fresh and frozen embryos in women without polycystic ovary syndrome: a systematic review and meta-analysis. Reprod Sci 2021; 28(5): 1267-76
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