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Wechseljahresbeschwerden bei Frauen nach Brustkrebs

<p class="article-intro">Auf dem internationalen Kongress zum Erhalt der Fruchtbarkeit kürzlich in Wien ging es vor allem darum, wie man Krebspatientinnen trotz Chemotherapie später zu einem Wunschkind verhelfen kann. Doch die Chemotherapie hat noch andere Konsequenzen als Unfruchtbarkeit: Frauen, die Brustkrebs durchlebt haben und mit Chemotherapie behandelt wurden, kommen oft früher in die Wechseljahre und leiden auch häufiger unter klimakterischen Beschwerden. Eine Hormontherapie ist jedoch kontraindiziert, weil sie die Rezidivgefahr erhöht.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Eine fr&uuml;he Diagnose und ein damit verbundener rechtzeitiger Therapiebeginn haben die Mortalit&auml;t von Brustkrebs von 1989 bis 2014 um 28 % gesenkt.<sup>1, 2</sup> Die 5-Jahres-&Uuml;berlebensrate bei lokalisiertem Tumor betr&auml;gt in den Industriel&auml;ndern nahezu 100 % <sup>3</sup> und weltweit leben sch&auml;tzungsweise 9,3 Millionen Frauen, die Brustkrebs hatten.<sup>3, 4</sup> Die Patientinnen kommen meist fr&uuml;her in die Menopause und leiden &ouml;fter unter klimakterischen Beschwerden. So hatte in einer prospektiven Studie jede zweite von 41 ehemaligen Brustkrebspatientinnen Hitzewallungen &ndash; von den 57 Frauen ohne Krebs war nur jede f&uuml;nfte betroffen.<sup>5</sup> Nach einer Chemotherapie leiden die Patientinnen auch &ouml;fter unter Scheidentrockenheit, Schlafst&ouml;rungen oder depressiven Verstimmungen. Bei Frauen mit Brustkrebs, die mit Aromataseinhibitoren behandelt wurden, kann es als Konsequenz deutlich supprimierter &Ouml;strogenspiegel zu einem beschleunigten Knochenverlust und osteoporotischen Frakturen kommen. Manche leiden auch unter einer schweren Form von vulvovaginaler Atrophie, die h&auml;ufiger als bei einer Tamoxifen- Therapie mit trockener Scheide und Dyspareunie verbunden ist. Der selektive &Ouml;strogenrezeptormodulator Tamoxifen wiederum geht ebenfalls h&auml;ufig mit klimakterischen Beschwerden einher, wie Forscher von der Universit&auml;t Kalifornien berichteten.<sup>6</sup> Von 241 Frauen litt nach einem Jahr Therapie jede zweite unter Hitzewallungen, nach drei Jahren waren es immer noch 23 % . Viele litten auch unter trockener Scheide, Schlafst&ouml;rungen, Depressionen, Reizbarkeit oder Gewichtszunahme. Vor allem die Hitzewallungen k&ouml;nnen so schlimm sein, dass die Frauen das Tamoxifen absetzen.<br /> &laquo;Die Patientinnen leiden oft sehr&raquo;, sagte Prof. Egarter. &laquo;Sie nehmen aber meist keine Medikamente, weil sie Angst haben, dass der Krebs wiederkommt.&raquo; Wie die &laquo;Women&rsquo;s Health Initiative&raquo;(WHI)- Studie 20037 und vorher bereits Metaanalysen gezeigt haben, steigt durch eine kombinierte Hormonersatztherapie von &Ouml;strogenen und synthetischen Gestagenen das Brustkrebsrisiko nach 4&ndash;5 Jahren leicht, aber signifikant an. Eine reine &Ouml;strogentherapie f&uuml;hrt dagegen sogar zu einem gewissen Schutz vor Brustkrebs. Eine k&uuml;rzlich erschienene Metaanalyse von Forschern aus China bei 8032 Frauen, die Hormone nach der Diagnose eines Mammakarzinoms eingenommen hatten, war die Mortalit&auml;t nicht erh&ouml;ht, sondern sogar geringer als bei Frauen ohne Hormontherapie.<sup>8</sup> Allerdings waren in diese Metaanalyse &uuml;berwiegend Studien mit geringer Qualit&auml;t einbezogen worden. Hochwertige prospektiv randomisierte Studien wie die HABITS-Studie ergaben eindeutig ein h&ouml;heres Risiko f&uuml;r ein Rezidiv, wenn die Frauen nach der Diagnose Brustkrebs weiter eine kombinierte Hormontherapie einnehmen.<sup>9</sup> &laquo;Bei entsprechenden Wechseljahresbeschwerden werden nach Brustkrebs deshalb heute jedenfalls nicht hormonelle Therapien empfohlen &ndash; davon gibt es gen&uuml;gend&raquo;, so Prof. Egarter.<br /> Um wirksame Pr&auml;parate zu finden, habe man aber erst einmal verstehen m&uuml;ssen, wie Hitzewallungen entstehen. Durch den Abfall der &Ouml;strogene ver&auml;ndert sich die Konzentration von Noradrenalin und Serotonin im Gehirn. &laquo;Dadurch ger&auml;t offenbar das Temperaturkontrollsystem im Gehirn durcheinander und reagiert &uuml;berschiessend&raquo;, erkl&auml;rte der Gyn&auml;kologe. Ausserdem l&ouml;sen schon geringste Abweichungen von der &laquo;Solltemperatur&raquo; Wallungen aus. Selektive Serotonin- oder Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI oder SNRI) erh&ouml;hen die Konzentration von Serotonin und Noradrenalin im Gehirn. Die Medikamente reduzieren die H&auml;ufigkeit und Frequenz der Hitzewallungen deutlich: Bei den meisten Frauen sind die Hitzewallungen damit nur noch halb so schlimm (Abb. 1).<sup>10&minus;12</sup> Die SSRI Paroxetin, Citalopram und Escitalopram und das SNRI Venlafaxin scheinen die effektivsten Pr&auml;parate zu sein.<sup>12</sup> Als Nebenwirkungen kam es am h&auml;ufigsten zu &Uuml;belkeit und Verstopfung, was meist in den ersten Wochen der Behandlung nachl&auml;sst. SNRI gingen bei einigen Patientinnen mit einem Blutdruckanstieg einher, deshalb sollte man das Pr&auml;parat bei Frauen mit Hypertonie vorsichtig einsetzen. &laquo;Bei ehemaligen Brustkrebspatientinnen, die Tamoxifen nehmen, sollte man SSRI aber eher vermeiden, weil die Medikamente mit dem Tamoxifen-Stoffwechsel interferieren k&ouml;nnen&raquo;, sagte Prof. Egarter. &laquo;Hier sind SNRI die bessere Wahl.&raquo; Um Nebenwirkungen zu vermeiden, empfiehlt es sich auch, mit der niedrigsten Dosis zu beginnen und bei Bedarf langsam zu steigern.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1801_Weblinks_lo_gyn_1801_s45_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="877" /></p> <h2>Depressionen werden auch gelindert</h2> <p>SSRI und SNRI h&auml;tten noch einen angenehmen Nebeneffekt, kommentiert Prof. Dr. med. Gregor Hasler, Chefarzt an den Universit&auml;ren Psychiatrischen Diensten an der Uniklinik in Bern. &laquo;Da es Antidepressiva sind, lindern sie auch depressive Verstimmungen, die in den Wechseljahren ein h&auml;ufiges Problem sind. &laquo;Das Risiko f&uuml;r Depressionen ist zwei- bis viermal so hoch wie vor der Menopause, wie Forscher von der Universit&auml;t in Pittsburgh herausfanden.&raquo;<sup>13</sup> Das liege zum einen an den hormonellen Ver&auml;nderungen, erkl&auml;rt Hasler, zum anderen an den psychosozialen Umst&auml;nden. &laquo;Die ausbleibende Menstruation erinnert an den Alterungsprozess, die Kinder ziehen aus und es fehlt pl&ouml;tzlich eine Aufgabe &ndash; das dr&uuml;ckt bei vielen Frauen die Stimmung.&raquo; Auch Gabapentin, das in GABAerge Stoffwechselwege eingreift, kann Hitzewallungen lindern. Psychiater Hasler r&auml;t ab, dieses als Erstlinientherapie einzusetzen. &laquo;Gabapentin macht m&uuml;de und birgt ein Abh&auml;ngigkeitsrisiko. Ferner ist die Evidenz f&uuml;r die antidepressive Wirksamkeit von Antikonvulsiva viel l&uuml;ckenhafter und d&uuml;nner als f&uuml;r diejenige von Antidepressiva.&raquo; F&uuml;r Frauen, die nicht auf Antidepressiva ansprechen, k&ouml;nne es jedoch eine Alternative sein.<br /> Beliebt bei vielen Frauen sind pflanzliche Pr&auml;parate. Traubensilberkerze, Rotklee oder Johanniskraut linderten die Hitzewallungen in vielen Untersuchungen. &laquo;Es ist aber nicht durch grosse Studien belegt, dass sie auch bei Brustkrebspatientinnen wirken&raquo;, sagte Prof. Egarter. &laquo;Ausserdem wirken diese Phytohormone auch am &Ouml;strogenrezeptor und es ist nicht auszuschliessen, dass Wechselwirkungen mit Tamoxifen bestehen.&raquo; Gegen eine trockene Scheide r&auml;t Prof. Egarter eher zu feuchtigkeitsspendenden Vaginalcremes als zu &Ouml;strogengels, denn es ist noch nicht klar, ob das &Ouml;strogen systemisch aufgenommen wird und das Rezidivrisiko erh&ouml;ht. Eine Alternative k&ouml;nnte eine Lasertherapie der Scheide sein. Die amerikanische Gyn&auml;kologengesellschaft spricht sich aber gegen einen generellen Einsatz dieser Therapie aus, weil es noch nicht gen&uuml;gend Daten zur Sicherheit gebe.</p> <h2>Hilfreich und nebenwirkungsarm: Alltagsmassnahmen</h2> <p>&laquo;Es gibt viele Alternativen zur Hormontherapie &raquo;, so das Fazit von Prof. Egarter. Was man der Patientin aber auf jeden Fall raten solle: einfache Massnahmen im Alltag zu ergreifen. Das bedeutet: die Raumtemperatur senken, sich nach dem Zwiebelprinzip kleiden, scharfes Essen und Stress vermeiden &ndash; dann wird der Frau per se schon einmal nicht so warm. Von k&ouml;rperlicher Bewegung k&ouml;nnen grunds&auml;tzlich alle profitieren, vor allem aber diejenigen, die auch unter depressiven Verstimmungen leiden. &laquo;Auch mit Stressmanagement, Entspannungstechniken, Yoga oder Hypnose werden die Beschwerden ertr&auml;glicher&raquo;, sagt Psychiater Hasler. Prof. Egarter r&auml;t ehemaligen Brustkrebspatientinnen zudem zur regelm&auml;ssigen Kontrolle der Knochendichte, weil ihr Risiko f&uuml;r Osteoporose und Knochenbr&uuml;che h&ouml;her ist. Mitunter k&ouml;nnen auch knochensch&uuml;tzende Medikamente wie Bisphosphonate oder Denosumab sinnvoll sein. &laquo;F&uuml;r eine ehemalige Brustkrebspatientin mit Wechseljahresbeschwerden muss man sich bei der Beratung Zeit nehmen und auf individuelle W&uuml;nsche eingehen&raquo;, res&uuml;mierte Prof. Egarter. Auch f&uuml;r Frauen ohne Brustkrebs, die auf Hormone verzichten m&ouml;chten, sind Antidepressiva, &Auml;nderungen des Lebensstils oder pflanzliche Pr&auml;parate eine gute Option.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 5<sup>th</sup> World Congress of the International Society for Fertility Preservation, 16.–18. November 2017, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Siegel RL et al.: CA Cancer J Clin 2017; 67(1): 7-30 <strong>2</strong> Dubrawsky N.: CA Cancer J Clin 1989; 39(6): 399 <strong>3</strong> American Cancer Society: Cancer Treatment and Survivorship. Facts and Figures 2014&ndash;2015. Atlanta, GA: The American Cancer Society; 2017: 1-45 <strong>4</strong> Ferlay J et al.: Int J Cancer 2010; 127(12): 2893-917 <strong>5</strong> Mar Fan HG et al.: Annals of Oncology 2010; 21: 983-7 <strong>6</strong> Lorizio W et al.: Breast Cancer Res Treat 2012; 132(3): 1107-18 <strong>7</strong> Chlebowski RT et al.: JAMA 2003; 289: 3243-53 <strong>8</strong> Yu X et al.: Breast Cancer 2017; 24: 643-57 <strong>9</strong> Holmberg L et al.: J Natl Cancer Inst 2008; 100: 475-82 <strong>10</strong> Ramaswami R et al.: Breast Cancer Res Treat 2015; 152: 231-7 <strong>11</strong> Barton DL et al.: J Clin Oncol 28: 3278-83 <strong>12</strong> Stubbs C et al.: J Okla State Med Assoc 2017; 110(5): 272-4 <strong>13</strong> Bromberger JT et al.: Psychol Med 2011; 41: 1879-88</p> </div> </p>
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