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Wie lange therapieren?
Jatros
30
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23.03.2017
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<p class="article-intro">Tamoxifen wird bereits seit mehr als 40 Jahren zur antihormonellen Therapie des Mammakarzinoms eingesetzt. Doch erst jetzt richtet die Forschung ihr Augenmerk darauf, herauszufinden, wie lange das Mittel überhaupt gegeben werden sollte. Über den aktuellen Stand der Untersuchungen berichtete Univ.-Prof. Michael Seifert, Wien, im Rahmen der Fortbildungsveranstaltung „Brustkrebstherapie 2016“ Ende Oktober in Wien.</p>
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<p class="article-content"><div id=""> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Nach invasivem Mammakarzinom ist die Tamoxifen- Therapie über zehn Jahre der fünfjährigen Gabe überlegen.</li> <li>Beim duktalen Carcinoma in situ (DCIS) ist die fünfjährige Behandlung ausreichend.</li> <li>Bei den Aromatasehemmern ist eine Therapiedauer von zehn Jahren ebenfalls besser als fünf Jahre.</li> <li>Dabei muss man auf die Nebenwirkungen, insbesondere auf die Knochendichte, achten.</li> </ul> </div> <p>Eine schwedische Arbeitsgruppe untersuchte 1996, wie sich das Gesamt- und das krankheitsfreie Überleben unter einer zwei- und unter einer fünfjährigen Tamoxifen- Therapie unterscheiden. Insgesamt nahmen mehr als 3 800 postmenopausale Frauen mit frühem invasivem Brustkrebs an der Studie teil. Es zeigte sich, dass die längere Tamoxifen-Einnahme sowohl das Gesamt- wie auch das krankheitsfreie Überleben verlängerte.<sup>1</sup> Allerdings seien diese frühen Studien schlecht ausgeführt worden, erklärte Seifert. So habe man nicht zwischen Östrogenrezeptor-positiven und -negativen Tumoren unterschieden. Wenn man dies aber berücksichtige, so erhalte man beeindruckende Ergebnisse, sagte er und zeigte die Ergebnisse einer Studie der Early Breast Cancer Trialists’ Collaborative Group (EBCTCG) von 2011. In dieser Metaanalyse aus 20 Studien mit mehr als 21 000 Patientinnen mit frühen rezeptorpositiven Mammatumoren wurden Rezidivraten und Mortalität unter einer fünfjährigen Tamoxifen-Therapie versus keine Tamoxifen-Gabe verglichen. Diese Patientinnen profitierten eindeutig von der Therapie: Die fünfjährige Tamoxifen- Behandlung reduzierte das 15-Jahres- Risiko für Rezidive und tumorbedingte Sterblichkeit signifikant.<sup>2</sup></p> <h2>Fünf versus zehn Jahre Tamoxifen</h2> <p>Der nächste Schritt war, die fünfjährige mit der zehn Jahre dauernden Behandlung zu vergleichen. „Überraschenderweise kam dabei heraus, dass das Gesamtund das krankheitsfreie Überleben bei den Patientinnen länger war, die kürzer mit Tamoxifen behandelt worden waren“, so Seifert.<sup>3</sup> Dies habe die Wissenschaft zunächst davon abgehalten, weitere Studien in diese Richtung zu unternehmen, sagte er. Dennoch wurden zwei große Untersuchungen mit mehr als 20 000 Patientinnen gestartet: ATLAS<sup>4</sup> und aTTom<sup>5</sup>.<br /> Für ATLAS wurden mehr als 15 000 Frauen aus über 30 Ländern randomisiert. Darunter waren laut Seifert sehr viele Teilnehmerinnen aus Ländern, deren Gesundheitswesen noch nicht so weit fortgeschritten ist, z.B. Indien. Dies habe dazu geführt, dass bei fast 70 % der Frauen der Hormonrezeptorstatus zu Beginn der Studie unbekannt war. Dennoch zeigte die Studie bei den Patientinnen mit rezeptorpositiven Tumoren bzw. ungeklärtem Rezeptorstatus, dass eine längere Tamoxifen- Therapie die Rezidivrate senken konnte (Abb. 1).<sup>4</sup> Wenn man zudem berücksichtige, dass im Verlauf der Langzeittherapie erfahrungsgemäß die Compliance der Patienten abnehme, dann seien die Ergebnisse durchaus valide, betonte Seifert. Ähnliche, allerdings nicht signifikante Resultate ergab auch die britische aTTom- Studie.<sup>5</sup> Wenn man die Daten beider Untersuchungen kombiniere, ergebe sich ein signifikanter Vorteil für die längere Gabe, erklärte er. Allerdings sollte man die Nebenwirkungen nicht vernachlässigen. Bei der verlängerten Therapiedauer treten häufiger Endometriumkarzinome auf (10 Jahre 2,9 % vs. 5 Jahre 1,3 % , p<0,0001).<sup>6</sup><br /> Diese Studien konnten zwar die Experten beeindrucken, so Seifert, hätten jedoch keine durchschlagende Änderung der Therapiepraxis gebracht. Warum? „Sie kamen zu spät.“</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Gyn_1701_Weblinks_s10_abb1.jpg" alt="" width="1461" height="893" /></p> <h2>Das Zeitalter der Aromatasehemmer</h2> <p>Heutzutage interessiere sich kaum noch jemand dafür, ob Tamoxifen über fünf oder zehn Jahre gegeben werde, sagte Seifert. Patientinnen mit Hormonrezeptorpositiven Mammatumoren erhalten vorwiegend Aromatasehemmer. Ausnahme seien die Entwicklungsländer, wo noch immer das kostengünstigere Tamoxifen eingesetzt werde. „Die spannende Frage bei den Aromatasehemmern ist: Sind fünf Jahre besser als zehn?“, setzte Seifert fort. Dies wurde in der MA.17R-Studie untersucht. Dazu wurden 1 918 postmenopausale Frauen mit hormonsensitivem Brustkrebs randomisiert. Alle hatten zuvor rund fünf Jahre lang Letrozol bekommen, teils mit, teils ohne Tamoxifen. Nach der Randomisierung nahm die Hälfte der Frauen weiterhin Letrozol, die andere ein Placebo ein. Die Nachbeobachtungszeit in beiden Gruppen betrug im Mittel 6,3 Jahre. Die Patientinnen waren zur Hälfte nodal-positiv, mehr als die Hälfte hatte eine Chemotherapie erhalten – es war also keine einfache Studienpopulation. Dennoch brachte die verlängerte Gabe des Aromatasehemmers signifikante Vorteile hinsichtlich des krankheitsfreien Überlebens. Vor allem wurde Brustkrebs der kontralateralen Seite verhindert (1,4 vs. 3,2 % , p=0,007; Abb. 2). Beim Gesamtüberleben gab es keine Unterschiede.<sup>7</sup> Als Nebenwirkungen traten in beiden Gruppen die üblichen Beschwerden wie Hitzewallungen, Scheidentrockenheit, Muskel- und Gelenkschmerzen auf. Signifikante Unterschiede gab es bei Knochenschmerzen, die unter Letrozol häufiger waren (18 vs. 14 % , p=0,01), sowie eine Erhöhung der alkalischen Phosphatase unter dem Aromatasehemmer (12 vs. 9 % , p=0,01). Die zumeist gefürchteten Gelenkschmerzen traten in beiden Gruppen gleich häufig auf: bei rund der Hälfte der Frauen, was daher, wie Seifert vermutet, eher auf das Alter der Patientinnen (im Mittel 65 Jahre) zurückzuführen ist. Ein wichtiger Aspekt bei der Behandlung mit Aromatasehemmern ist die Osteoporose. Hier gab es signifikante Unterschiede zwischen den Patientinnen unter Letrozol und der Placebogruppe. In der Letrozol-Gruppe wurde nahezu doppelt so oft eine Osteoporose neu diagnostiziert (11 vs. 6 % , p<0,0001). Zudem kam es häufiger zu Frakturen (14 vs. 9 % , p=0,001). Die Lebensqualität war jedoch in beiden Gruppen vergleichbar.<sup>7</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Gyn_1701_Weblinks_s10_abb2.jpg" alt="" width="1462" height="826" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: „Brustkrebstherapie 2016“, Zuweiserveranstaltung der
Abteilung für Allgemeine Gynäkologie und gynäkologische
Onkologie der Universitätsklinik für Frauenheilkunde
Wien, 13. Oktober 2016, Wien
</p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Swedish Breast Cancer Cooperative Group: Randomized trial of two versus five years of adjuvant tamoxifen for postmenopausal early stage breast cancer. J Natl Cancer Inst 1996; 88: 1543-9 <strong>2</strong> Early Breast Cancer Trialists’ Collaborative Group (EBCTCG): Relevance of breast cancer hormone receptors and other factors to the efficacy of adjuvant tamoxifen: patient-level meta-analysis of randomised trials. Lancet 2011; 378: 771-84 <strong>3</strong> Fisher B et al: Five versus more than five years of tamoxifen for lymph nodenegative breast cancer: updated findings from the Nation- al Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project B-14 randomized trial. J Natl Cancer Inst 2001; 93: 684-90 <strong>4</strong> Davies C et al: Long-term effects of continuing adjuvant tamoxifen to 10 years versus stopping at 5 years after diagnosis of oestrogen receptor-positive breast cancer: ATLAS, a randomised trial. Lancet 2013; 381: 805-16 <strong>5</strong> Gray RG et al: aTTom (adjuvant Tamoxifen-To offer more?): randomized trial of 10 versus 5 years of adjuvant tamoxifen among 6,934 women with estrogen receptorpositive (ER+) or ER untested breast cancer-preliminary results. J Clin Oncol 2008; 26 (15_suppl): 513 <strong>6</strong> Gray RG et al: aTTom: long-term effects of continuing adjuvant tamoxifen to 10 years versus stopping at 5 years in 6,953 wom- en with early breast cancer. ASCO Annual Meeting 2013, Abstract 05; J Clin Oncol 2013; 31 (suppl; abstr 5) <strong>7</strong> Goss PE et al: A randomized trial (MA.17R) of extending adjuvant letrozole for 5 years after completing an initial 5 years of aromatase inhibitor therapy alone or preceded by tamoxifen in postmenopausal women with early-stage breast cancer. ASCO Annual Meeting 2016, LBA1; J Clin Oncol 2016; 34 (suppl; abstr LBA1)</p>
</div>
</p>
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