Blutkomponenten: Was, wann, wie
Autor:
A.o. Univ.-Prof. Dr. Martin Kurz, MLS, MBA
Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin
MedUni Wien und AKH Wien
E-Mail: martin.kurz@meduniwien.ac.at
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Die Menschen werden älter, wodurch immer mehr zu Patienten werden. Sie werden nicht per se kränker, im Gegenteil: Sie bleiben durch das Eingreifen der modernen Medizin immer länger gesund, erleben allerdings auch Erkrankungen, die sie sonst nicht erlitten hätten. Die Zunahme der Möglichkeiten zur Behandlung der Primärerkrankung geht mit einer Expansion diverser supportiver Strategien einher, ohne die z.B. Chemotherapien nicht durchgeführt werden könnten oder in ihrer Intensität reduziert werden müssten. Eine solche supportive Therapiestrategie ist die Gabe von Blutprodukten.
Keypoints
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Transfusionen sind ausschließlich eine Therapie mit Blutkomponenten, Vollbluttransfusionen sind somit obsolet. Es wird selektiv nur der Blutbestandteil ersetzt, der objektiv auch fehlt.
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Der Bedsidetest ist die letzte Chance vor der Transfusion eines Blutproduktes, irgendeine Form der Verwechslung im AB0-System, wo bereits physiologisch Antikörper vorliegen können, aufzudecken.
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Transfusionsassoziierte Virusinfektionen sind schwerwiegende, aber sehr seltene Nebenwirkungen, deren Wichtigkeit jedoch in der letzten Zeit durch eine Reduktion des Virusloads der Blutprodukte deutlich abgenommen hat.
Transfundiert wird ausschließlich jene Komponente, die objektiv und nachvollziehbar auch wirklich benötigt wird. Früher wurde Vollblut ohne weitere Verarbeitung verwendet, aber da die einzelnen Komponenten unterschiedliche Verfallsdaten haben, war die Haltbarkeit generell nach unten nivelliert. Somit ist die Transfusion von Vollblut obsolet.
Blutkomponenten
Grundsätzlich können aus beinahe allen Bestandteilen des Vollblutes Blutprodukte hergestellt werden, wobei die bei Weitem häufigsten Bestandteile Plasma („fresh frozen plasma“), Plasmaderivate und Erythrozytenkonzentrate sind. Thrombozytenkonzentrate werden meistens durch Apherese gewonnen. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem durch Zentrifugation während der Spende Blutbestandteile abgetrennt werden können. Dies ist eine extrakorporale Entfernung von spezifischen Zellen aus dem Blut. Nach der Entfernung der gewünschten Zellen wird das Restblut wieder zurückgeführt. Thrombozytenkonzentrate können aber auch aus Vollblut produziert werden (Poolthrombozytenkonzentrate).
Erythrozytenkonzentrat (EK)
Tab. 1: Transfusionstrigger für Erythrozytenkonzentrat
Erythrozytenkonzentrate sind eine gut standardisierte, durch Spendermangel leider immer rarer werdende Ressource. Ein EK hat ein Volumen von ca. 300ml und enthält mindestens 40g Hämoglobin (Hb) bei einem Hämatokrit von ca. 60% (aufgefüllt mit Nährlösung), wobei das Restplasma aus der ursprünglichen Spende rund 10ml beträgt. Die Lagerung muss bei 4±2°C erfolgen, dann ist das EK 42 Tage lang haltbar. Bei einem Patienten mit ca. 75kg Körpergewicht bringt eine Einheit einen Anstieg von 0,8 bis 1,0g/L Hämoglobin. Vor jeder Transfusion eines EK müssen eine serologische Verträglichkeitsprobe (SVP) und ein Bedsidetest erfolgen. Bei vitaler Indikation kann Erstere auch parallel durchgeführt werden.
Indikation
Blutprodukte dürfen nie als Laborkosmetik, sondern immer als Ausgleich eines klinischen Defizits verstanden werden. Es müssen akute versus chronische Anämie und die Adaptation an das jeweilige Gleichgewicht zwischen Sauerstoffverbrauch und Angebot (Transportkapazität=Hb) abgewogen werden. Ein erhöhter Grundumsatz (z.B. bei Fieber, Tachykardie etc.) geht immer mit erhöhtem Sauerstoffverbrauch einher.
Plasma
Plasmen gibt es in mehreren Ausprägungsformen, die mehr oder minder äquivalent sind. Eine chemisch vorbehandelte Version ist SD-Plasma, eine andere ist mit UVA-Bestrahlung virusabgereichertes Methylenblauplasma, außerdem gibt es noch Quarantäneplasma. Plasmen sind sehr gut standardisiert und enthalten rund 90–95% der im Spenderplasma vorhandenen Gerinnungsfaktoren. Die Lagerung erfolgt tiefgefroren bei –30°C. Bedingt durch das Fehlen von Erythrozyten sind ein Bedsidetest oder eine SVP nicht zielführend und daher nicht notwendig. Die einzige Indikation, die für Plasmen übrigbleibt, ist die Gabe bei Massivtransfusion. Alle anderen Gerinnungsprobleme sind heutzutage ein Fall für Faktorenkonzentrate.
Thrombozytenkonzentrat (TK)
Im Gegensatz zu EK sind TK nur mäßig standardisiert; es gibt außerdem Präparationen, die spezifisch für einen Patienten aufgrund seines Blutvolumens zugeschnitten sind, was vor allem für die Pädiatrie wichtig ist. TK sind eine Suspension von Thrombozyten in Plasma und/oder Nährlösung. Die Lagerung erfolgt bei 23±2°C unter permanenter Agitation, wobei die Haltbarkeit 5–7 Tage beträgt. Der Anstieg auf die Gabe eines TK sollte ca. 30G/L Thrombozyten betragen. Weit darunter liegende Werte sprechen für das Vorliegen eines Refraktärstatus auf TK, dessen Ursache meist in HLA-Antikörpern liegt. Aber auch HPA-Antikörper, Fieber oder ein erhöhtes C-reaktives Protein können einen Refraktärstatus hervorrufen.
Indikation
Es gibt prinzipiell zwei Arten von Indikationen für TK: die akute Gabe bei thrombozytopenischen Blutungen und die prophylaktische Gabe bei tiefer Thrombozytopenie, v.a. bei Patienten nach Chemotherapie. Die prophylaktische Gabe ist unter 10G/L Thrombozyten absolut indiziert, da hierbei die Wahrscheinlichkeit einer Hirnblutung deutlich ansteigt. Bei Patienten mit erhöhter Blutungsneigung, wie z.B. Patienten mit schlecht einstellbarer arterieller Hypertonie, muss diese Prophylaxe früher einsetzen. Hier liegt die Grenze bei etwa 20–30G/L.
Spezielle Präparationen
Leukozytendepletion
Alle Blutprodukte in Österreich sind leukozytendepletiert, um eine Immunisierung im HLA-System zu vermeiden. Die Leukozytendepletion (landläufig „Filtrieren“ genannt) wird direkt anschließend an die Abnahme des Produktes durchgeführt und muss nicht vom Anwender initiiert werden.
Plasmadepletion
Diese wird im Jargon „Waschen“ genannt und entfernt Plasma in einem Zentrifugationsschritt, um lösliche Eiweiße zu entfernen. Die Indikationen beschränken sich auf die repetitive allergische Reaktion bei Transfusionen, bei denen die Gabe von Antihistaminika frustran ist. Weiters wird eine Plasmadepletion auch bei intra- oder extrauterinen Austauschtransfusionen durchgeführt.
Bestrahlung
Etwaige nach der Filtration im Produkt verbleibende (v.a. junge) Leukozyten können eine transfusionsbedingte Graft-versus-Host-Disease (GvHD) auslösen. Mithilfe der Bestrahlung (meist 30 Gray) wird durch dadurch induzierte Chromosomenschäden die Fähigkeit der Zellen zu klonen verunmöglicht. Die Indikationen sind generell bei immunsupprimierten Patienten zu finden. Details hierzu in sind in Tabelle2 zusammengestellt.
Tab. 2: Indikationen zur Bestrahlung von Blutprodukten
Bedsidetest
Die letzte Chance, vor der Transfusion eines Blutproduktes irgendeine Form der Verwechslung aufzudecken, ist der Bedsidetest. Hierbei wird der im Falle einer Verwechslung gefährlichste Blutgruppenfaktor, die Blutgruppe nach dem AB0-System, direkt am Bett des Patienten durch die transfundierende Person unmittelbar vor der Transfusion sowohl des Patienten als auch Spenders (Blutprodukt) getestet. Ist die Blutgruppenkonstellation ident oder kompatibel, darf transfundiert werden. Werden mehrere EK hintereinander transfundiert, muss der Patient nur einmal getestet werden.
Unerwünschte Wirkungen
Akute hämolytische Transfusionsreaktionen
Sie treten unmittelbar während der Transfusion bis 24 Stunden danach auf, zeigen ein schweres Krankheitsbild mit akuten Hämolysezeichen (Tachykardie, Hypotension, Blutung, Unwohlsein, Flankenschmerz, hämolytische – rote – Verfärbung von Urin und Plasma) und sind durch antierythrozytäre Antikörper – meist im AB0-System – bedingt. Die Therapie besteht aus Katecholaminen, hoch dosiertem Kortikosteroiden und Antihistaminika, zusätzlich können intensivmedizinische Massnahmen notwendig werden.
Verzögerte hämolytische Transfusionsreaktionen
Sie treten innerhalb von 24–48 Stunden auf und fallen v.a. durch einen nur passageren Hb-Anstieg ohne Vorliegen einer Blutung und geringgradige Hämolysezeichen auf. Eine spezifische Therapie ist nicht notwendig.
Allergische/anaphylaktische Reaktion
Sie tritt normalerweise unmittelbar nach Transfusionsbeginn auf und zeigt ein buntes Bild der Symptome von nur mukokutanen bis hin zu schweren anaphylaktischen Reaktionen. Ursächlich sind Antikörper gegen Plasmaproteine.
Febrile nichthämolytische Transfusionsreaktion
Sie tritt bei maximal 0,1% aller Transfusionen sofort oder bis zu vier Stunden danach auf und zeigt einen transfusionsassoziierten Temperaturanstieg von mindestens 1°C. Die Ursache liegt in antileukozytären Antikörpern des Empfängers. Eine spezifische Diagnostik ist für den Einzelfall nicht vorhanden. Therapeutisch können Antipyretika eingesetzt werden.
Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI)
Innerhalb von 6 Stunden nach der Transfusion finden sich beidseitige Lungeninfiltrate, die mit Dyspnoe einhergehen. Dies kann Maßnahmen bis zur Intubation und maschinellen Beatmung notwendig machen. Meist sind antileukozytäre Antikörper im Spenderplasma die Ursache. Die Therapie ist v.a. symptomorientiert. Die Wirksamkeit von Kortikosteroiden ist fraglich.
Literatur:
beim Verfasser
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