Pulmonale Hypertonie: Was muss der Praktiker wissen?
Autoren:
Dr. med. Stéphane Mouraux
Dr. med. Benoît Lechartier, MD, PhD
Service de pneumologie
Centre hospitalier universitaire vaudois
Lausanne
E-Mail: stephane.mouraux@chuv.ch
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Die pulmonale Hypertonie (PH) ist eine häufige klinische Manifestation einer heterogenen Gruppe von Erkrankungen, die meist durch Belastungsdyspnoe gekennzeichnet ist und hämodynamisch durch einen mittleren pulmonalarteriellen Druck >20mmHg bei der Rechtsherzkatheteruntersuchung definiert wird.1 Vor dieser invasiven Messung kann die transthorakale Echokardiografie die Wahrscheinlichkeit einer PH feststellen und Orientierungshilfe für die Untersuchungen geben. Diese Untersuchung basiert auf der Flussgeschwindigkeit der Trikuspidalinsuffizienz und dem Nachweis von indirekten Anzeichen einer PH. Das Hauptziel für den Hausarzt besteht darin, angesichts eines mitunter unspezifischen klinischen Bildes frühzeitig an die Diagnose zu denken, um den Patienten rasch einer adäquaten Untersuchung und einer gezielten Therapie zuzuführen. Die Früherkennung der PH ist eine Herausforderung, um die Mortalität und Morbidität dieser Erkrankung zu reduzieren.2 In diesem Artikel sollen die Definition und die wichtigsten Ursachen der PH sowie die klinischen und paraklinischen Manifestationen, die auf diese klinische Krankheitsentität hindeuten, beschrieben werden. Abschliessend beleuchten wir die diagnostischen Schritte und die Gründe für die Überweisung an einen Facharzt oder ein Spezialzentrum.
Keypoints
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Die PH ist eine häufige klinische Manifestation, die durch einen mittleren pulmonalarteriellen Druck von >20mmHg gekennzeichnet ist, der mittels Rechtsherzkatheteruntersuchung gemessen wird.
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Eine fortschreitende Belastungsdyspnoe sollte frühzeitig an eine PH denken lassen.
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Die initialen Zusatzuntersuchungen (Labordiagnostik, EKG, Thoraxröntgen) können andere Ursachen der Dyspnoe ausschliessen und den Verdacht auf eine PH erhärten.
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Die Sonografie ist nach wie vor die Screening-Untersuchung der Wahl, um die Wahrscheinlichkeit einer PH abzuschätzen.
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Mittels Rechtsherzkatheteruntersuchung können die Diagnose einer PH bestätigt und die Ätiologie geklärt werden.
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Die pulmonalarterielle Hypertonie (PAH, Gruppe 1 der Klassifikation) ist eine seltene Ursache der PH, die eine Therapie in einem spezialisierten Zentrum erfordert.
Definition 2022
Mit den neuesten gemeinsamen Empfehlungen der europäischen Gesellschaften für Kardiologie (ESC) und Pneumologie (ERS) aus dem Jahr 2022 wird die PH durch einen mittleren pulmonalarteriellen Druck (mPAP) von >20mmHg bei der Rechtsherzkatheteruntersuchung definiert. Auf der Grundlage des pulmonal-arteriellen Verschlussdrucks (PAWP als Schätzung der Linksherzdrücke) und der Berechnung des pulmonalen Gefässwiderstands (PVR) werden drei grosse Unterkategorien unterschieden, die in Tabelle 1 näher erläutert werden:
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präkapilläre PH (PAWP: <15mmHg, PVR: >2WU),
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isolierte postkapilläre PH (PAWP: >15mmHg; PVR: ≤2WU),
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kombinierte prä- und postkapilläre PH (PAWP: >15mmHg; PVR: >2WU).1
Tab. 1: Hämodynamische Definition der pulmonalen Hypertonie nach den europäischen Empfehlungen 2022 (adaptiert von Humbert M et al. 2022)1
Klassifikation
Auf der Basis dieser hämodynamischen Parameter und weiterer Untersuchungen wird die Ätiologie der pulmonalen Hypertonie in fünf Gruppen eingeteilt, die in Tabelle 2 dargestellt sind. Diese Klassifikation ermöglicht es, Patienten mit den gleichen pathophysiologischen Mechanismen zusammenzufassen, die somit von einer ähnlichen Behandlung profitieren.
Tab. 2: Neue klinische Klassifikation der pulmonalen Hypertonie nach den europäischen Empfehlungen 2022 (adaptiert von Humbert M et al. 2022)1
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Gruppe 1 ist die pulmonalarterielle Hypertonie (PAH), eine seltene Entität der Lungengefässerkrankungen, die idiopathisch, familiär, medikamentös bedingt oder mit bestimmten Erkrankungen wie Sklerodermie assoziiert sein kann.
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Gruppe 2 (die häufigste) umfasst die postkapillären pulmonalen Hypertonien im Zusammenhang mit Linksherzinsuffizienz.
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Gruppe 3 umfasst die PH, die mit Lungenerkrankungen und chronischer respiratorischer Insuffizienz einhergehen.
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Gruppe 4 umfasst Lungenarterienobstruktionen wie die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie, die eine seltene Komplikation thromboembolischer Folgeerkrankungen der Lunge ist.
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In Gruppe 5 sind mehrere Erkrankungen zusammengefasst, bei denen der zugrunde liegende Mechanismus der pulmonalen Hypertonie multifaktoriell ist, z.B. hämatologische Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen oder Erkrankungen im Zusammenhang mit chronischer Niereninsuffizienz.
Epidemiologie
Obwohl ein genaues epidemiologisches Profil aufgrund der weiterentwickelten Definition der pulmonalen Hypertonie schwer zu bestimmen ist, wird die Prävalenz in der Weltbevölkerung auf 1% geschätzt, und in den letzten Jahren ist sie kontinuierlich angestiegen. Ausserdem ist sie bei Personen über 65 Jahre am höchsten.3 Die Gruppen 2 und 3 sind die häufigsten Formen der pulmonalen Hypertonie, während die Gruppen 1, 4 und 5 nach wie vor selten sind.
Letztendlich ist festzuhalten, dass die pulmonale Hypertonie nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die mittlere Überlebenszeit, die auf 4,4 Jahre nach dem ersten echokardiografischen Nachweis geschätzt wird, signifikant beeinträchtigt.4
Klinische Manifestationen
Die pulmonale Hypertonie wird als eine Erkrankung mit schleichendem Verlauf beschrieben. Die Zeit bis zur Diagnose ist oft lang, und die Diagnose wird meist erst dann gestellt, wenn die Krankheit bereits fortgeschritten ist.5
Das häufigste Symptom ist die Belastungsdyspnoe, die anfänglich bei 50% der Patienten und im weiteren Verlauf letztendlich bei 85% der Patienten auftritt.6 Auch Erschöpfung (26%), thorakales Engegefühl (22%) oder Herzklopfen (12%) sind relativ frühe Manifestationen der pulmonalen Hypertonie, während die Symptome und Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz, wie z.B. periphere Ödeme (20%), Synkopen (17%) oder Aszites, später auftreten.1,7
Bei der klinischen Untersuchung sollte auf Anzeichen einer pulmonalen Hypertonie (Zyanose,akzentuierter 2. HT, 3. HT, systolisches Trikuspidal- oder diastolisches Pulmonalgeräusch) und einer Rechtsherzinsuffizienz (Jugularvenenstauung, Blässe, Kälte in Fingern und Füssen, Hepatomegalie), aber auch auf Anzeichen einer zugrunde liegenden Erkrankung (anormale Lungenauskultation, Sklerodaktylie, Teleangiektasien, Trommelschlägelfinger) geachtet werden. Die aussagekräftigsten klinischen Zeichen in Bezug auf die PH sind der akzentuierte 2. HT mit einer Likelihood-Ratio von 1,9 und die Jugularvenenstauung mit einer Odds-Ratio von 5,9.8,9
Paraklinische Untersuchungen
Bei Vorliegen einer Dyspnoe unklarer Ursache sollte die anfängliche paraklinische Untersuchung eine umfassende Labordiagnostik, eine Thoraxröntgenaufnahme, ein Elektrokardiogramm und eine Lungenfunktionsprüfung umfassen. Im Folgenden wird näher erläutert, welche dieser verschiedenen Untersuchungen auf eine pulmonale Hypertonie hindeuten können.
Mithilfe der Labordiagnostik wird bei einer Dyspnoe unklarer Ursache nach alternativen Ursachen für die Atemnot gesucht. Dabei werden das einfache Blutbild (Anämie), die Schilddrüsenfunktion (Dysthyreose), Kreatinin (Niereninsuffizienz) und NT-proBNP (Herzinsuffizienz) gemessen. Der initiale NT-proBNP-Wert ist ein unabhängiger Faktor für die Mortalität bei der PH, wobei Patienten mit einem Wert von >1400ng/l bei der Diagnose in der Regel eine schlechtere Prognose haben.10
Wenn die PH bestätigt ist, werden im Rahmen der Untersuchung der Ursache Autoimmuntests und ein HIV-Test durchgeführt sowie die Leberwerte bestimmt.
Mithilfe des Elektrokardiogramms (EKG) können indirekte Anzeichen von Lungenhochdruck oder Arrhythmien infolge von erweiterten Herzkammern, wie z.B. Vorhofflimmern, erkannt werden. Die Rechtsabweichung der QRS-Achse hat einen guten positiven Vorhersagewert (PPV 93%) bei Patienten mit Verdacht auf PH. Ein normales EKG schliesst eine PH nicht aus. Bei Patienten mit Dyspnoe im NYHA-Stadium I–II hat jedoch die Kombination aus normalem EKG, SpO2 >95% und NT-proBNP <333pg/ml einen negativen prädiktiven Wert (NPV) von 97%.11
Die Thoraxröntgenaufnahme soll Hinweise auf andere Ursachen der Atemnot (Pleuraerguss, interstitielle Lungenerkrankung, Emphysem, Lungenödem) oder die der PH zugrunde liegenden Ursache liefern. Insbesondere sollte auf eine Dilatation der rechten Herzkammern oder der Lungenarterien geachtet werden, die sich durch einen Überhang der rechten Herzlinie bzw. eine Schwellung der Lungenhili manifestiert.7 Ältere Studien haben gezeigt, dass die Thoraxröntgenaufnahme zwar eine gute Sensitivität und Spezifität für die PH aufweist, aber nicht ausreicht, um Frühformen der Erkrankung zu erkennen. Ein unauffälliges Röntgenbild schliesst daher auf keinen Fall eine PH aus.12
Die Lungenfunktionsprüfung zur Beurteilung einer PH sollte die Plethysmografie, die Spirometrie und die Diffusionsmessung umfassen. Die Werte können unauffällig sein oder mitunter eine leichte obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung aufzeigen. Schwerer wiegende Beeinträchtigungen liegen bei einer PH vor, die mit Lungenerkrankungen (Gruppe 3) oder angeborenen Herzerkrankungen (Gruppe 2.3) einhergeht. Eine Diffusionsstörung ist meist leicht ausgeprägt (DLCOc 60–74%); wenn sie jedoch schwerwiegend und isoliert auftritt, deutet dies auf eine systemische Sklerodermie, eine pulmonale venookklusive Erkrankung oder eine mit Lungenerkrankungen assoziierte PH (Gruppe 3) hin.1
Echokardiografie
Wenn ein klinischer Verdacht auf eine pulmonale Hypertonie besteht, ist die transthorakale Echokardiografie (TTE) die Screening-Untersuchung der Wahl. Sie ermöglicht es, ventrikuläre Dysfunktionen und Druckanstiege infolge einer pulmonalen Hypertonie sowie eine möglicherweise zugrunde liegende erworbene oder angeborene Herzerkrankung zu erkennen.
Die Wahrscheinlichkeit einer pulmonalen Hypertonie wird anhand der Regurgitationsgeschwindigkeit der Trikuspidalinsuffizienz (TI) und des Vorhandenseins indirekter Anzeichen einer PH bestimmt, wie in Abbildung 1 dargestellt. Weitere Anzeichen für eine Dysfunktion des rechten Ventrikels (RV) sind die Messung der systolischen Exkursion des Trikuspidalrings (TAPSE, «tricuspid annular plane systolic excursion»), die fraktionale Flächenänderung des RV (FAC), die Wandspannung des RV («strain»), die Geschwindigkeit am Trikuspidalring (S-Welle) und die Ejektionsfraktion des RV (RVEF).
Abb. 1: Echokardiografische Wahrscheinlichkeit einer pulmonalen Hypertonie
Zusätzlich werden Parameter beurteilt, die für die Gruppe 2 sprechen, wie z.B. die linksventrikuläre Auswurffraktion (LVEF), die Morphologie der linken Herzkammern sowie die diastolische Funktion und die Füllungsdrücke des LV.
Wann sollte man Patienten überweisen?
Wenn die Echokardiografie bei einem Patienten mit Risikofaktoren für eine pulmonale Hypertonie der Gruppe 1, 4 oder 5 einen Verdacht auf PH ergibt oder wenn Hinweise auf eine schwere Erkrankung (rasches Fortschreiten der Symptome, stark eingeschränkte Belastbarkeit, Lipothymie oder Synkope bei körperlicher Belastung oder Anzeichen einer rechtsventrikulären Dysfunktion in der TTE) vorliegen, sollte der Patient rasch an ein Spezialzentrum überwiesen werden, um eine Rechtsherzkatheteruntersuchung (RHK) durchzuführen.1
Alternativ wird die ätiologische Abklärung einer Herzerkrankung (Gruppe 2) oder einer Lungenerkrankung (Gruppe 3) beim Kardiologen bzw. Pneumologen durchgeführt, der nach einer eindeutigen Ursache zur Erklärung der PH sucht und die zugrunde liegende Erkrankung (chronische Herzinsuffizienz oder Lungenerkrankung) optimal behandelt. Auf keinen Fall sollte eine pulmonale vasodilatative Therapie aufgrund einer echokardiografischen Wahrscheinlichkeit und ohne vorherige Katheteruntersuchung eingeleitet werden. Schliesslich beurteilt der Facharzt, ob der Patient an ein Spezialzentrum überwiesen werden muss, wenn es sich um eine schwere oder nicht durch eine zugrunde liegende Herz- oder Lungenerkrankung erklärbare pulmonale Hypertonie handelt.
Schlussfolgerungen
Eine fortschreitende Belastungsdyspnoe sollte frühzeitig an eine pulmonale Hypertonie denken lassen, damit eine spezifische Behandlung erfolgen kann. Die initialen Zusatzuntersuchungen (Labordiagnostik, EKG, Thoraxröntgen) dienen dazu, andere Ursachen der Dyspnoe auszuschliessen und/oder den Verdacht auf eine pulmonale Hypertonie zu erhärten. Nicht zuletzt wird die Wahrscheinlichkeit einer pulmonalen Hypertonie mithilfe der Echokardiografie eingeschätzt und die Diagnose mittels RHK bestätigt. Bei Verdacht auf eine PH der Gruppe 1, 4 oder 5 wird der Patient an ein Fachzentrum für PH überwiesen. Im Falle einer PH der Gruppe 2 oder 3 ist eine kardiologische bzw. pneumologische Therapie erforderlich.
Literatur:
1 Humbert M et al.: 2022 ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension. Eur Heart J 2022; 43: 3618-731 2 Maron BA, Humbert M: Finding pulmonary arterial hypertension—switching to offense to mitigate disease burden. JAMA Cardiol 2022; 7: 369-70 3Hoeper MM et al.: A global view of pulmonary hypertension. Lancet Respir Med 2016; 4: 306-22 4 Mocumbi A et al.: Pulmonary hypertension. Nat Rev Dis Primer 2024; 10: 1 5Khou V et al.: Diagnostic delay in pulmonary arterial hypertension: insights from the Australian and New Zealand pulmonary hypertension registry. Respirology 2020; 25: 863-71 6 Frost A et al.: Diagnosis of pulmonary hypertension. Eur Respir J 2019; 53: 1801904 7 Poch D, Mandel J: Pulmonary hypertension. Ann Intern Med 2021; 174: ITC49-64 8 Colman R et al.: Utility of the physical examination in detecting pulmonary hypertension. A mixed methods study. PLoS One 2014; 9: e108499 9 Shellenberger RA et al.: Physical examination for the detection of pulmonary hypertension: a systematic review. Cureus 2021; 13: e18020 10 Fijalkowska A et al.: Serum N-terminal brain natriuretic peptide as a prognostic parameter in patients with pulmonary hypertension. Chest 2006; 129: 1313-21 11 Kovacs G et al.: Use of ECG and other simple non-invasive tools to assess pulmonary hypertension. PLoS One 2016; 11: e0168706 12 Sirajuddin A et al.: ACR Appropriateness Criteria® suspected pulmonary hypertension. J Am Coll Radiol 2017; 14: 350-61
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