Malaria: Was sagen die Guidelines?
Bericht:
Reno Barth
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Die aktuellen Empfehlungen zur Malariaprophylaxe werden zunehmend detaillierter, was Reisenden eine genauere Planung und Vorbereitung ermöglicht. In der Diagnostik der Malaria gewinnen die PCR sowie die LAMP an Bedeutung, die Mikroskopie bleibt jedoch nach wie vor Goldstandard. In der Therapie hat sich gezeigt, dass drei Tage Behandlung mit Artemether/Lumefantrin zu wenig sein können.
Was die Erstellung von Leitlinien für die Malariaprophylaxe angeht, befindet sich die Schweiz in einer Vorreiterrolle, wie Prof. Dr. Andreas Neumayr vom Schweizer Zentrum für Tropen- und Reisemedizin, Mitglied der Malaria-Gruppe des Schweizerischen Expertenkomitees für Reisemedizin (EKRM) und Mitautor der nationalen Malariaprophylaxe-Empfehlungen, in einer Session am ÖIK ausführte. Seit der ersten Publikation in den 1990er-Jahren wurden diese Empfehlungen immer granulärer, bilden also das Malariarisiko in den verschiedenen Weltregionen immer detaillierter ab. „Wir aktualisieren diese Guideline jedes Jahr und erstellen immer genauere Karten, die eine sehr genaue Reiseplanung ermöglichen“, so Neumayr. Unterschieden wird zwischen der Empfehlung einer Chemoprophylaxe, vorzugsweise mit Atovaquon/Proguanil, seltener mit Doxycyclin oder Mefloquin, und der Empfehlung der Mitnahme eines Notfallmedikaments, mit dem bei Auftreten von malariaverdächtigen Symptomen und lokal fehlender Möglichkeit einer Malariatestung eine empirische Notfallselbstbehandlung erfolgen kann.
Die Schweizer Empfehlungen werden in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit (DTG) erstellt, das letzte österreichische Konsensus-Statement zur Malariaprophylaxe stammt aus dem Jahr 2011.1 Allerdings betont Neumayr, dass Expertinnen und Experten aus Österreich regelmäßig an den jährlichen Schweizer Expertenkomitee-Treffen teilgenommen haben. Die Schweizer Guidelines2 zur Malariaprophylaxe stehen kostenpflichtig im Internet zur Verfügung, die deutschen Empfehlungen3 können als PDF-File auf derWebsite der DTG heruntergeladen werden.
Die aktuellen Empfehlungen aus Italien und Frankreich stammen aus dem Jahr 2020. Generell besteht das Bedürfnis nach internationaler Harmonisierung, so Neumayr. Dabei zeichnet sich ein über die Jahre zunehmender Konsens über die zugrundeliegende Methodologie und Risikobeurteilung ab. Neumayr betonte auch, dass zwischen den verschiedenen europäischen Fachgesellschaften hinsichtlich der Empfehlungen weitgehend informeller Konsens besteht. Im Gegensatz dazu empfehlen die amerikanischen Centers of Disease Control Reisenden generell eine Chemoprophylaxe, wenn es im Zielland auch nur theoretisch Malaria gibt. Neumayr: „Dann trifft man im Dezember auf der Akropolis in Athen amerikanische Touristen, die Malariaprophylaxe nehmen.“ Dies liege auch daran, dass die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten in weiten Teilen der USA unzureichend sind und man daher unbedingt auf Nummer sicher gehen wolle.
Diagnostik: Goldstandard ist nach wie vor die Mikroskopie
Auch die Empfehlungen zur Diagnostik sind in kontinuierlicher Entwicklung. Goldstandard in der Malariadiagnostik ist nach wie vor die Mikroskopie. Darüber hinaus stehen Schnelltests („rapid diagnostic tests“; RDT) sowie die PCR zur Verfügung. Die bevorzugte Stellung der Mikroskopie hat laut DTG-Leitlinie4 mehrere Gründe, wie Neumayr ausführte. Zum einen kann mittels Mikroskopie der Therapieerfolg im Verlauf ermittelt werden, während sowohl PCR als auch Schnelltests auch nach erfolgreicher Therapie noch über mehrere Wochen positive Ergebnisse liefern. Zum anderen fallen im Mikroskop auch Erreger auf, die klinisch ein der Malaria ähnliches Bild ergeben können und an die im Rahmen der Routinediagnostik nicht gedacht wird. Dies betrifft z.B. die wenigen Fälle der Afrikanischer Schlafkrankheit, die zwar selten, aber regelmäßig durch Safaritouristen importiert wird. Liefert die Mikroskopie ein negatives Resultat bei weiter bestehendem klinischem Verdacht, soll die Mikroskopie alle 24 Stunden wiederholt werden – gegebenenfalls über mehrere Tage.
Ein Schnelltest kann, insbesondere wenn dicker Tropfen und Blutausstrich nicht in angemessener Zeit und Qualität zur Verfügung stehen, zur ersten Orientierung hilfreich sein. Bei positivem RDT soll umgehend die Mikroskopie (mit Bestimmung der Spezies und der Parasitendichte) veranlasst werden. Auch bei negativem RDT ist umgehend eine Mikroskopie durchzuführen, um eine Malaria sicher ausschließen zu können. Das Ergebnis sollte, insbesondere bei hoher Vortestwahrscheinlichkeit, innerhalb weniger Stunden vorliegen.
PCR erlaubt Speziesdifferenzierung auch bei niedrigen Parasitenzahlen
Daneben gewinnt die PCR an Bedeutung. In den österreichischen Konsensus-Empfehlungen von 2011 wird die PCR noch als „sehr zeitaufwendig, teuer und für die Routinediagnostik nicht geeignet“ bezeichnet. Sofern verfügbar, eigne sie sich jedoch als Bestätigungstest für die mikroskopische Diagnose. Dies sei heute nicht mehr haltbar, so Neumayr.
Die PCR wird heute zunehmend in der Routinediagnostik als Ergänzung oder alternativ zu RDT und Mikroskopie eingesetzt. Sie kann v.a. bei speziellen Fragestellungen wie der Speziesdifferenzierung bei geringer Parasitendichte sinnvoll sein. Die PCR erleichtert auch die Differenzierung zwischen dem in Südostasien heimischen P. knowlesi und dem phänotypisch sehr ähnlichen P. malariae. Diese Unterscheidung ist wichtig, da es sich bei P. knowlesi um den deutlich gefährlicheren Erreger handelt. Weitere Anwendungsbereiche der PCR in der Malariadiagnostik sind der sichere Ausschluss einer Plasmodieninfektion z.B. im Rahmen von von Organtransplantationen oder Bluttransfusionen, der Nachweis von Resistenzmarkern sowie von HRP-2/-3-Deletionen, die Plasmodien für die gebräuchlichen Schnelltests „unsichtbar“ machen.
Als einziges europäisches Land verfügen die Niederlande seit 2022 über eine eigene Leitlinie zur Malariadiagnostik.5 Diese sieht LAMP („loop-mediated isothermal amplification“) quasi als Sparvariante der PCR als initialen Screeningtest vor. Dies zeige, so Neumayr, dass LAMP an niederländischen Krankenhäusern offenbar großflächig zur Verfügung stehe. Auch in der Schweiz gehe der Trend in diese Richtung. Als Alternative zu LAMP können ein Schnelltest plus zeitgleich Mikroskopie oder ein Schnelltest plus zeitgleich QBC(„quantitative buffy coat“)-Mikroskopie durchgeführt werden. Damit sollen RDT ausdrücklich nicht ohne zusätzliche Diagnostik zur Anwendung kommen.
Ist der Screeningtest negativ, soll eine Kombinationstestung wiederholt werden, falls weiterhin der klinische Verdacht auf Malaria besteht. Wurde initial LAMP mit einem negativen Ergebnis durchgeführt, so soll Mikroskopie erwogen werden, um andere mikroskopisch detektierbare Erreger wie z.B. Trypanosomen auszuschließen. Diesen Schritt hält Neumayr für essenziell, da sonst lebensbedrohliche Infektionen übersehen werden können. Bei positivem Screeningtest soll innerhalb von ≤2,5 Stunden ein Bestätigungstests mittels Mikroskopie durchgeführt werden. Mittels Antigentest kann zeitnah eine Falciparum- von einer Non-falciparum-Malaria unterschieden werden.
In Diskussion bleibt die Frage, ab wann bzw. nach welcher Diagnostik eine Malaria mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Die meisten Leitlinien empfehlen Entwarnung bei dreimal negativer Mikroskopie im Abstand von acht bis 24 Stunden. Die aktuell in Entwicklung befindlichen Schweizer Empfehlungen werden vermutlich eine Kombination von Schnelltest und Mikroskopie vorsehen, so Neumayr, der auch betonte, dass eine PCR bei negativem Ergebnis nicht wiederholt werden muss. Aktuelle Daten aus der Schweiz zeigen, dass die Zahl positiver Resultate bei der dritten Testung sehr gering ist(0,2%).6
Charakteristika sowie Vor- und Nachteile der einzelnen Testverfahren werden in der Tabelle 1 zusammengefasst.7
Tab. 1: Die verschiedenen diagnostischen Tests bei Malaria (modifiziert nach Williams L et al. 2022)7
Malariatherapie: Artemether/Lumefantrin besser über fünf als über drei Tage
Hinsichtlich der Therapie erstellte die WHO eine Living Guideline, die permanent an den aktuellen Wissensstand angepasst wird. Das letzte Update stammt aus dem Jahr 2022, die aktualisierte Schweizer Leitlinie stammt aus 2023 und eine Anpassung der deutschen AWMF-Leitlinie ist 2024 fällig. Einer der gegenwärtig in Diskussion stehenden Punkte ist die Therapie der unkomplizierten P.-falciparum-Malaria mit Artemether/Lumefantrin (A/L), zumal seit 2017 zunehmende Evidenz für regelmäßiges Versagen derDrei-Tage-A/L-Standard- therapie ohne Hinweis auf ein zugrundeliegendes Resistenzproblem vorliegt. Entsprechende Berichte kommen aus Schweden, England, Japan und Tschechien. Neumayr wies darauf hin, dass dies vor allem in nichtendemischen Populationen zutrifft, während drei Tage Therapie in endemischen Populationen ausreichen.8 Ein möglicher Grund kann eine bestehende partielle Immunität der Bevölkerung in Endemiegebieten sein, so Neumayr. Daher soll laut Schweizer Empfehlungen die Dauer einer Therapie mit Artemether/Lumefantrin von drei auf fünf Tage verlängert werden. Die deutsche Leitlinie empfiehlt die Therapieverlängerung bei sehr hohem Körpergewicht und/oder höherer Parasitämie.
Ein Update erfahren haben auch die Empfehlungen für die Behandlung der P.-falciparum-Malaria in der Schwangerschaft. Aufgrund aktueller Sicherheitsdaten der WHO kann Artemether/Lumefantrin nun auch im 1. Trimenon zum Einsatz kommen, wobei die WHO betont, dass Artemether/Lumefantrin mangels entsprechender Daten nicht durch eine andere Artemisinin-basierte Kombinationstherapie ersetzt werden kann. Die Empfehlungen für Artemether/Lumefantrin wurden auch auf die unkomplizierte Non-P.-falciparum-Malaria ausgeweitet. Die Ausnahme stellt Plasmodium malariae dar, das suboptimal auf Medikamente mit kurzer Halbwertszeit anspricht. In dieser Indikation werden Piperaquin/Dihydroartemisinin oder Chloroquin empfohlen.
Relativ neue Empfehlungen gibt es auch betreffend eine adjuvante Therapie. Ein Erythrozytenaustausch, der vor zehn Jahren bei der komplizierten P.-falciparum-Malaria noch auf Konsensusbasis vorsichtig empfohlen wurde, gilt heute als obsolet. Empfohlen wird allerdings bei schwerer Malaria und ausgeprägter Hämolyse die adjuvante Gabe von Paracetamol/Acetaminophen während der ersten 72 Stunden der Therapie, da diese einen nephroprotektiven Effekt haben dürfte.
Quelle:
„Malaria: Gibt es Guidelines oder Wildwuchs?“; Vortrag von Prof. Dr. Andreas Neumayr, Allschwil, im Rahmen des Symposiums „Tropenerkrankungen – Essentials“ beim 16. ÖIK am 11. April 2024 in Saalfelden
Literatur:
1 Kollaritsch H et al.: Consensus Statement Malaria 2011. http://www.oeginfekt.at/download/cs-malaria.pdf ; zuletzt aufgerufen am 6.5.2024 2 Schweizerisches Expertenkomitee für Reisemedizin: Medizinische Empfehlungen für Reisende. https://www.healthytravel.ch/ ; zuletzt aufgerufen am 6.5.2024 3 Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V.: Empfehlungen zur Prophylaxe und Therapie der Malaria 2023. https://www.dtg.org/index.php/empfehlungen-und-leitlinien/empfehlungen/malaria.html ; zuletzt aufgerufen am 6.5.2024 4 Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V.: Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Malaria. https://register.awmf.org/assets/guidelines/042-001l_S1_Diagnostik-Therapie-Malaria_2021-08.pdf ; zuletzt aufgerufen am 6.5.2024 5 Federatie Medisch Specialisten: Malariea Diagnostiek. https://richtlijnendatabase.nl/richtlijn/malaria_diagnostiek/startpagina_-_malaria_diagnostiek.html ; zuletzt aufgerufen am 6.5.2024 6 Slack L, Blaise G: Usefulness of serial testing for the diagnosis of malaria in cases of fever upon return from travel. J Travel Med 2024; 31(3): taae030 7 Williams L, Drennan VM: Evaluating the efficacy of rapid diagnostic tests for imported malaria in high income countries: A systematic review Int Emerg Nurs 2022; 60: 101110 8 Neumayr A et al.: Artemether-Lumefantrine treatment failure in nonimmune European travelers with plasmodium falciparum malaria: do we need to reconsider dosing in patients from nonendemic regions? Clin Infect Dis 2017; 64(10): 1466-7
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