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Pilzinfektionen: Was gibt es Neues?
Bericht: Dr. Norbert Hasenöhrl
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Insgesamt sind invasive Pilzinfektionen ein Thema, das immer wichtiger wird, und zwar nicht nur bei neutropenischen Patienten. Durch neue Therapien entstehen auch neue Risikogruppen: Stichwort „small molecules“. Die gute Nachricht ist, dass auch neue diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügbar sind oder bald sein werden, wie Assoz. Prof. Dr. Martin Hönigl von der MedUni Graz berichtete.
Man sollte bei invasiven Pilzinfektionen zwischen hämatologischen, neutropenischen Patienten einerseits und nichtneutropenischen Patienten andererseits unterscheiden.
Hämatologische Patienten
Zunehmende Häufigkeit seltener Pathogene
Einer der Gründefür dieses Phänomen, wenn nicht der Hauptgrund,ist sicherlich die breite antimykotische Prophylaxe, die für hämatologische Patienten – insbesondere solche mit prolongierter Neutropenie – verwendet wird. So konnten durch Prophylaxe mit Posaconazol oder Fluconazol/Itraconazol ca. 70% aller invasiven Pilzinfektionen („invasive fungal infection“; IFI) verhindert werden. In einer Studie wurde durch Posaconazol sogar die Gesamtmortalität reduziert.
Eine schimmelpilzaktive Prophylaxe, häufig mit Posaconazol, wird daher in den meisten Zentren breit angewandt. „Dies führt aber durch einen entsprechenden Selektionsdruck dazu, dass früher seltene Schimmelpilzpathogene, wie Mucorales, Fusarium, Lomentospora oder Scedosporium, häufiger auftreten. Ihre Prävalenz variiert stark zwischen unterschiedlichen geografischen Regionen. Zumeist sind diese Erreger resistent gegen mehrere Klassen von Antimykotika, und die Mortalitätsraten solcher Infektionen sind extrem hoch“, so Assoz. Prof. Dr. Martin Hönigl, Professor für translationelle Mykologie an der MedUni Graz. Es gibt inzwischen auch einheitliche Definitionen für die unterschiedlichen Arten von IFI, die unter antifungaler Prophylaxe/Therapie entstehen können (Tab. 1).
Diagnostik und Therapie seltener Pilzinfektionen
Die Diagnostik von IFI hängt insgesamt stark davon ab, ob eine antimykotische Prophylaxe verordnet wurde oder nicht. „Generell lässt sich sagen, dass die diagnostische Performance umso schlechter wird, je mehr Antimykotika im Spiel sind“, fasste Hönigl zusammen. Sensitivität und Spezifität sinken.
„Das gilt nicht nur für die PCR, sondern ebenso auch für Kulturen, Galaktomannantests und alle anderen diagnostischen Verfahren. Deshalb muss man bei der Diagnostik von Durchbruchs-IFI wirklich aggressiv vorgehen. Am besten ist die Kombination mehrerer Biomarker. Die Kombination von Biopsie, Histologie, Kultur, PCR und Galaktomannan wäre, wo immer möglich, sinnvoll“, forderte der Experte. Die Interpretation solcher Befunde muss in Zusammenschau mit der klinischen Evidenz erfolgen.
Dabei sind natürlich auch die lokalen Gegebenheiten zu berücksichtigen. „Auch in Europa sind nicht überall alle Testmöglichkeiten verfügbar“, berichtete Hönigl. Eine rezente Umfrage in europäischen Ländern (388 Zentren in 45 Ländern) zeigte folgendes Bild: Antigentests waren in 94% der Zentren verfügbar (davon hatten 91% zumindest einen Aspergillus-Galaktomannan-Test), 85% hatten molekulare Tests (in erster Linie PCR).
Für die Therapie von Durchbruchs-IFI ist einerseits die erwähnte aggressive Diagnostik Voraussetzung. Weiters sollte natürlich die Antimykotikaklasse gewechselt werden. „Es gibt glücklicherweise inzwischen auch sehr vollständige und brauchbare Leitlinien für die Therapie seltener Hefe- und Schimmelpilzinfektionen sowie auch Mucormykosen“, berichtete der Infektiologe.
Tab. 1: Definitionen der invasiven Pilzinfektionen (IFI) (modifiziert nach Cornely OA et al.: Lancet Infect Dis 2019; 19(12): e405-e421)
Einfluss des Klimawandels
Ein weiterer Aspekt, der noch zu wenig beachtet wird, ist der Einfluss des Klimawandels auf Pilzinfektionen. Er führt dazu, dass die Virulenz, die geografische Verteilung, die Verbreitung, die Vermehrung der Vektoren und nicht zuletzt auch die Empfindlichkeit der Wirtsorganismen ansteigen können. „Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder Tsunamis können die Verbreitung bestimmter Pilzspezies massiv fördern“, ergänzte Hönigl. So gibt es z.B. Modellrechnungen, die zeigen, dass sich aufgrund von Veränderungen der Durchschnittstemperaturen und -niederschlagsmengen Coccidioidmykosen bis Ende des 21. Jahrhunderts über fast die gesamten USA ausbreiten könnten.
In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass manche Pilze – z.B. Fusarium graminearum oder Puccinia striiformis –, die heute nur für Pflanzen pathogen sind, bei höheren Temperaturen auch zu Humanpathogenen werden könnten. „So gibt es etwa Hinweise darauf, dass Fusarium graminearum aufgrund hoher Temperaturen und Wasserstress die Produktion seiner Mykotoxine erhöht“, erklärte der Pilzexperte. Puccinia striiformis hat sich an höhere Temperaturen angepasst, indem neue Stämme, die sowohl hitzetoleranter als auch aggressiver sind, die alten Stämme ersetzt haben. So kann der Pilz sich auch in neue Regionen ausbreiten.
Ein anderes solches Beispiel ist Candida auris, ein Pilz, der ebenfalls als Pflanzenpathogen begonnen hat. Durch die Entwicklung von thermotoleranten Stämmen und die Verbreitung durch Vögel ist es C. auris gelungen, sich in menschlichen Siedlungsgebieten sowohl im ländlichen als auch im städtischen Raum anzusiedeln und zum Humanpathogen zu werden, das auch von Patient zu Patient über das Krankenhauspersonal übertragen werden kann. „So sehen wir inzwischen weltweit zunehmend Ausbrüche mit multiresistenten C. auris auf ICUs“, kommentierte Hönigl.
Die Entdeckung von kryptischen Aspergillusspezies – also solchen, die bisher nicht bekannt waren bzw. einfach nicht diagnostiziert bzw. nicht von häufigeren Aspergillusspezies differenziert wurden – ist wohl zum Teil auf verbesserte diagnostische Maßnahmen zurückzuführen.
„Wir haben z.B. in Graz einen Aspergillus calidoustus nachgewiesen, der sehr hohe minimale Hemmkonzentrationen gegen Posaconazol, aber auch andere Azole aufwies, während er auf Echinocandine und liposomales Amphotericin B empfindlich war“, berichtete der Infektiologe. A. calidoustus ist der häufigste Vertreter der Ustus-Gruppe der Aspergillen, die insgesamt 0,8 bis 2,7% aller invasiven Aspergillosen (IA) verursachen. „Hier ist, im Gegensatz zu anderen Aspergillosen, liposomales Amphotericin B das Mittel der Wahl.“
Die lokale Epidemiologie zu kennen ist wichtig. Andererseits gibt es ein weltweites Register von neu aufkommenden Pilzinfektionen – Fungiscope – das wertvolle Hinweise für Behandler liefern kann. So sind dort z.B. 41 Fälle von Lomentospora-Infektionen gelistet. Dabei zeigte sich, dass eine antimykotische Kombinationstherapie die Überlebensrate im Vergleich zu einer Monotherapie signifikant erhöht und dass die Kombination Voriconazol/Terbinafin die besten Ergebnisse liefert. „Im Gegensatz dazu sollte liposomales Amphotericin B bei Lomentospora nicht verwendet werden“, warnte der Experte.
„Wir haben das ehrgeizige Ziel, weltweite Guidelines zu allen invasiven Mykosen zu generieren, und zwar relativ rasch – pro Guideline maximal ein Jahr –, damit sie zum Zeitpunkt des Erscheinens noch aktuell sind, und wir sind hier auf einem guten Weg“, erklärte Hönigl.
Nichtneutropenische Patienten
„Die Prävalenz von IFI nimmt ca. seit 1950 kontinuierlich zu“, so Hönigl in seinem zweiten Vortrag. 2017 traten weltweit ungefähr 15 Millionen Fälle von pulmonalen und invasiven Pilzinfektionen auf, darunter ca. 250000 Fälle von invasiver Aspergillose. Diese Prävalenzzunahme betrifft vor allem auch nichtneutropenische Patienten. Dies steht im Zusammenhang mit verschiedenen Grundkrankheiten bzw. deren Therapien. Betroffen sind etwa Patienten auf der ICU, Empfänger solider Organtransplantate, Patienten unter systemischen Glukokortikoiden, Patienten mit Atemwegserkrankungen oder mit soliden Tumoren. „Und das bedingt, dass Pilzinfektionen insgesamt weiter zunehmen, obwohl wir ja durchaus Mittel an der Hand haben, z.B. die antimykotische Prophylaxe bei hämatologischen Patienten, um Pilzinfektionen zu reduzieren“, fuhr der Experte fort. „Andererseits kommen aber immer wieder neue Risikogruppen dazu.“
Neue Risikogruppen
„Wenn man sich die Mechanismen der Immunität gegen Pilzinfektionen anschaut und dann überlegt, wie viele neue Substanzen – z.B. IL-6-Inhibitoren, Tyrosinkinasehemmer (TKI), Checkpoint-Inhibitoren und viele andere – es gibt, die am einen oder anderen Punkt dieser Immunitätsmechanismen angreifen, so wird einem schnell klar, warum die Inzidenz von IFI bei nichtneutropenischen Patienten weiter steigt“, betonte Hönigl. Diesbezüglich haben Substanzen, die intrazelluläre Signalwege blockieren (vor allem TKI und andere „small molecules“, aber auch IL-6-Inhibitoren insbesondere in Kombination mit systemischen Kortikosteroiden), das höchste Risiko.
Eine wichtige neue Risikogruppe sind Patienten, die schwer an Covid-19 erkranken und aufgrund von akutem Lungenversagen beatmet werden. Diese Patienten sind nicht nur durch die wichtige Therapie der Covid-19-Infektion (Dexamethason plus Tocilizumab), sondern auch durch spezielle, durch die Virusinfektion ausgelöste immunologische Mechanismen prädisponiert, eine systemische Pilzinfektion zu entwickeln. Hier ist zunächst die Covid-19-assoziierte pulmonale Aspergillose, kurz CAPA, zu erwähnen. Es sind aber auch andere Pilzinfektionen – z.B. Mucormykosen – im Zusammenhang mit Covid-19 beschrieben.
Diagnostik
Neben der Mikroskopie und der Kultur mit ihrer niedrigen Sensitivität hat sich als – wenn auch nicht perfekter – Goldstandard für die Diagnostik der IA der Galaktomannan-Antigentest etabliert. „Mit der Verfügbarkeit eines Point-of-Care-Tests ist dieses Tool noch einmal wichtiger geworden“, betonte Hönigl. Allerdings ist Galaktomannan aus dem Serum nur bei neutropenischen Patienten verlässlich, für nicht-neutropenische Patienten wird eine Bronchiallavage (BAL) benötigt.
Fazit
„Die Zukunft sieht jedenfalls gut aus“, freute sich der Infektiologe. „Die antimykotische Pipeline ist gut gefüllt, sowohl mit Substanzen, die auch eine Aktivität gegen seltene Schimmelpilze aufweisen, als auch mit solchen, die gegen resistente Candidaspezies wirken“, so Hönigl abschließend.
Quelle:
Vorträge von Assoz. Prof. Dr. Martin Hönigl, Graz, im Rahmen des Giftigen LiveStreams „ACH, es gibt Schwammerl“ am 29. Juni 2022
Vorträge abrufbar in der Mediathek unter https://infektiologie.co.at/
Literatur:
beim Vortragenden
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