Covid-19: Was sieht der Pathologe?
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Covid-19 ist einerseits eine Lungenerkrankung, die bei schweren Verläufen zu einem ARDS führt, es ist aber auch eine Multisystemerkrankung, deren pathologische Details noch längst nicht alle aufgeklärt sind. Univ.-Prof. Dr. Sigurd Lax, Pathologe aus Graz und einer der Ersten, die in Österreich Covid-19-Patienten obduziert haben, gibt einen Überblick.
Keypoints
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Die hauptsächliche pathologische Veränderung ist ein ARDS mit pulmonaler Angiopathie, diffusem Alveolarschaden, Mikro- und Makrothrombosen sowie Bronchopneumonie als Komplikation.
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Covid-19 ist aber auch eine Systemerkrankung mit Multiorganversagen (u.a. Niereninsuffizienz).
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Weiters kommt es zur Depletion von Lymphozyten in Lymphknoten und Milz (assoziiert mit einer Hyperplasie
der Nebennierenrinde).
Die Situation bezüglich Covid-19 war Anfang März2020 von Unsicherheit geprägt, es gab wenig Obduktionsdaten, hauptsächlich lag klinische Literatur vor“, erläuterte Univ.-Prof. Dr. Sigurd Lax, Institut für Pathologie, LKH Graz II und Medizinische Fakultät, Johannes-Kepler-Universität, Linz. Bezüglich der Obduktion von Covid-19-Verstorbenen gab es zunächst große Zurückhaltung; das Robert-Koch-Institut in Deutschland sprach sich explizit dagegen aus, das österreichische Gesundheitsministerium gab keine Empfehlung pro oder kontra ab. „In der Österreichischen Gesellschaft für Pathologie gab es unterschiedliche Meinungen dazu“, fuhr Lax fort. „Allerdings besteht laut §25 des Bundes-Krankenanstaltengesetzes eine Pflicht zur Obduktion dann, wenn öffentliche oder wissenschaftliche Interessen zu wahren sind, insbesondere bei diagnostischer Unklarheit des Falles.“
Die erste österreichische Fallserie
Am 14.Mai konnte eine Analyse der ersten von Lax und Mitarbeitern obduzierten Covid-19-Fälle publiziert werden.1 Es handelte sich um elf Patienten: acht Männer und drei Frauen, im Alter zwischen 66 und 91 Jahren (Durchschnitt: 80,5Jahre). An Vorerkrankungen bestanden hypertensive Kardiomyopathie (9/11), Diabetes mellitus (5/11), zerebrovaskuläre Erkrankungen (4/11) und COPD (2/11). Die Covid-19-Erkrankung hatte zwischen vier und 18 Tage gedauert, zwei Patienten waren auf der ICU. Sechs Übertragungen hatten sich zu Hause ereignet, drei im Krankenhaus, zwei im Altersheim. Laborbefunde: Lymphopenie (9/11), Anämie (9/11), Erhöhung von CRP (11/11), D-Dimer (6/7), LDH (10/11) und Kreatinin (6/11), Reduktion der eGFR (10/11). Fast alle Patienten (10/11) waren prophylaktisch antikoaguliert.
Die Lungen waren beidseitig und symmetrisch befallen und zeigten eine Hypostase, die Pleura war meist unauffällig und zeigte kaum Ergüsse. Histologisch fand sich ein diffuser Alveolarschaden in unterschiedlichen Stadien, es kamen – trotz Antikoagulation – sowohl Mikrothromben als auch makroskopische subsegmentale bzw. segmentale Gefäßverschlüsse vor. Bei 9/11 Patienten gab es Lungeninfarkte, bei 6/11 Bronchopneumonien, auch Emphyseme kamen vor.
Thrombose oder Embolie?
„Hier erhob sich nun die Frage, ob es sich hauptsächlich um thrombotisches oder um embolisches Geschehen handelte“, kommentierte Lax. In der Grazer Studie fanden sich verschlossene Lungengefäße, vor allem in Arealen massiver Hypostase (dorsal und basal) mit Prädilektion des Unterlappens. Die Gefäße waren meist vollständig verschlossen und trotz sorgfältiger Suche fanden sich keine Thrombosen der großen Bein- und Beckenvenen und nur sehr selten Thrombosen der tiefen Unterschenkelvenen. Im Gegensatz dazu fand die Hamburger Studie von Wichmann und Mitarbeitern bei 30% Pulmonalembolien.2
Noch viele Fragen offen
Die Frage, wie SARS-CoV-2 eigentlich auf das Gefäßendothel einwirkt, ist nicht restlos geklärt. Einerseits dürfte es über verschiedene Signalwege zu einem Zytokinsturm kommen, was zu gravierender Endothelschädigung führt.3 Andererseits wird aber auch eine direkte Entzündung des Endothels durch das Virus selbst diskutiert.1, 4 Dafür spricht, dass sich bei Covid-19 entzündliche Gefäßveränderungen in verschiedenen Organen, wie Herz, Lunge oder Darm, finden. Bei einem Transplantationspatienten wurden auch Viruspartikel in Glomerula nachgewiesen.4 In einer Folgestudie konnte das Team aus Graz auch virale RNA in Dünn- und Dickdarm nachweisen, häufig vergesellschaftet mit einer ischämischen Schädigung der Darmschleimhaut.5 Verglichen mit der Viruslast war die Organschädigung im Darm jedoch wesentlich geringer als in den Lungen.
„Die Endothelitis könnte jedoch eine Ursache für die gestörte Mikrozirkulation und die Ausbildung von Thrombosen sein“, so der Pathologe. Als eventueller therapeutischer Ansatz könnte die Stabilisierung des Endothels mittels antiinflammatorischer Substanzen gelten.
Eine kleine Fallserie aus Deutschland verglich sieben Lungen von an Covid-19gestorbenen Personen mit der gleichen Zahl von Patienten, die an H1N1 gestorben waren.6 Es zeigten sich bei Covid-19 deutlich mehr Mikrothromben in den alveolären Kapillaren und auch ein erhöhtes Ausmaß an Gefäßneubildungen. „Insgesamt bietet die Lunge bei Covid-19 ein heterogenes Bild, wie es bei ARDS allerdings schon vor Jahrzehnten beschrieben wurde“, berichtete Lax.
Tabelle 1 fasst die Befunde aus weiteren Organen bei Covid-19 zusammen.
Tab. 1: Weitere Organbefunde bei Covid-19
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
Quelle:
Giftiger Livestream vom 30.Juni2020; Vortrag „Was sieht der Pathologe? Hat er die Lösung?“ von Univ.-Prof. Dr. Sigurd Lax, Institut für Pathologie , LKH Graz II und Medizinische Fakultät, Johannes-Kepler-Universität Linz; abrufbar als E-Learning unter www.infektiologie.co.at
Literatur:
1 Lax SF et al.: Pulmonary arterial thrombosis in Covid-19 with fatal outcome: results from a prospective, single-center, clinicopathologic case series. Ann Intern Med 2020; E-Pub: 2020/05/14 2 Wichmann D et al.: Autopsy findings and venous thromboembolism in patients with Covid-19. Ann Intern Med 2020; E-Pub: 6.5.2020 3 Pascarella G et al.: Covid-19 diagnosis and management: a comprehensive review. J Intern Med 2020; 288(2): 192-206 4 Varga Z et al.: Endothelial cell infection and endotheliitis in Covid-19. Lancet 2020; 395(10234): 1417-8 5 Skok K et al.: Post-mortem viral dynamics and tropism in Covid-19 patients in correlation with organ damage. Virchows Arch 2020; doi:10.1007/s00428-020-02903-8 6 Ackermann M et al.: Pulmonary vascular endothelialitis, thrombosis, and angiogenesis in Covid-19. N Engl J Med 2020; 383(2): 120-8
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