Impfung gegen SARS-CoV-2 – der Stand der Dinge
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Die Bemühungen um die Entwicklung von Impfstoffen gegen Covid-19 sind als noch nie dagewesene globale Anstrengung zu bezeichnen, die auch neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Industrie, Regierungen und Universitäten hervorgebracht hat. Mehr als zehn Impfstoffe sind in Phase III, und zumindest zwei sollen laut Pressemeldungen kurz vor der Zulassung stehen.
Die Anstrengungen, die derzeit weltweit unternommen werden, um einen Impfstoff gegen Covid-19 zu entwickeln, sind enorm und werden vielleicht in der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen. Die Zusammenarbeit zwischen Industrie, Regierungen und Universitäten hat zur Bildung von Forschungsplattformen geführt, die die Möglichkeit haben, Daten zu mehreren Impfstoffkandidaten parallel zu generieren und damit die Forschungszeit erheblich zu verkürzen. „Tatsächlich wurde die Arbeit von sechs Jahren in nur sechs Monaten geleistet“, brachte es Dr. Penny M. Heaton vom Bill and Melinda Gates Research Institute in den USA in einem Editorial auf den Punkt.1
Allerdings birgt dieses Vorgehen natürlich auch Gefahren. So warnte etwa H. Holden Thorp, Chefredakteur der „Science“-Journale, schon im August vor übereilten Zulassungen, zitierte das Beispiel des russischen Covid-Impfstoffs, der ohne publizierte Daten und ohne Phase-III-Studien zugelassen wurde, und warnte vor einem vorschnellen Vorgehen. So sei etwa die Notfallzulassung von Hydroxychloroquin in den USA, die nicht zuletzt unter politischem Druck erfolgte, aus heutiger Sicht ein klarer Fehler gewesen.2
Welche Impftypen gibt es?
Um den Stand der Wissenschaft zur Impfung gegen SARS-CoV-2 zu verstehen, dürfte es nützlich sein, sich daran zu erinnern, welche Typen von Impfungen gegen Viruserkrankungen es überhaupt gibt bzw. in Zukunft geben wird.
Da sind zunächst die lang erprobten, traditionellen Ansätze.
Beim sogenannten Totimpfstoff wird der Erreger in Zellkulturen vermehrt und dann zum Zweck der Impfstoffherstellung chemisch und/oder physikalisch inaktiviert.
Im Gegensatz dazu enthält ein Lebend-impfstoff vermehrungsfähige Erreger, die jedoch durch Zellpassagen, genetische Manipulation oder Mutagenese so stark attenuiert werden, dass sie – zumindest bei immunkompetenten Personen – keine Erkrankung mehr auslösen können.
Subunit-Impfstoffe bestehen nur aus bestimmten, entweder hoch aufgereinigten oder gentechnisch hergestellten Bestandteilen des Erregers, und zwar genau jenen, gegen die eine Immunantwort entstehen soll. Diese ist jedoch mitunter zu schwach; deshalb sind oft multiple Impfungen und/oder die Beigabe von Adjuvanzien erforderlich.
Peptidimpfstoffe enthalten immunogene Proteinfragmente – das könnte im Fall von SARS-CoV-2 z.B. ein Teil des Spike-Proteins sein, aber auch ein Teil der Capsidstruktur oder der Rezeptorbindungsdomäne.3
Vektorimpfstoffe verwenden bestimmte attenuierte Viren – z.B. Masern- oder Adenoviren – die gentechnisch so verändert werden, dass sie die von ihnen infizierten Zellen dazu bringen, Proteine des Virus zu produzieren, auf die das menschliche Immunsystem dann reagiert. Man unterscheidet vermehrungsfähige und nicht vermehrungsfähige Virusvektoren, wobei Letztere eine schwächere Immunantwort auslösen.
Nukleinsäure-basierte Impfstoffe sind so etwas wie der letzte Schrei in der Impfstoffentwicklung. Da an diesen Verfahren bereits seit Jahren gearbeitet wurde, kann das dadurch angesammelte Wissen nun schnell und nutzbringend für die Entwicklung eines Covid-Impfstoffs eingesetzt werden. Der Nachteil dabei ist, dass es noch keine zugelassenen Impfstoffe – für irgendeine Indikation – gibt, die nach diesem Verfahren hergestellt wurden.
Aktueller Stand per 16. November 2020
Laut einem Dokument der Weltgesundheitsorganisation (WHO) befinden sich per 12. November elf verschiedene Covid-Impfstoffe in Phase III, darunter auch einige mRNA-Impfstoffe. Viele weitere Impfstoffkandidaten sind in früheren Phasen der Entwicklung.12
Für den Covid-Impfstoff BNT162b2 von Biontech/Pfizer wurde am 9. November in einer Zwischenanalyse eine Schutzrate von 90% bekannt gegeben.13
Am 16. November publizierte Moderna eine Zwischenanalyse seines Covid-Impfstoffs mRNA-1273: Im Rahmen einer Phase-III-Studie mit 95 Patienten wurde eine Schutzrate von 94,5% evaluiert.14
DNA- oder RNA-Impfstoff?
Man kann zwischen DNA- und RNA-Impfstoffen unterscheiden. Ist das Virus einmal sequenziert, so lassen sich die benötigten Nukleinsäuresequenzen relativ einfach herstellen. Die DNA-Sequenz des gewünschten Antigens wird meist in ein bakterielles Plasmid verpackt. Die sogenannte Elektroporation soll die Zellmembranen durchgängiger machen, sodass die DNA besser in die Zielzellen gelangen kann.
Noch direkter ist die Impfung mittels Messenger-RNA (mRNA). Dies sind jene RNA-Teile, die durch Auslesen einer DNA-Sequenz im Zellkern entstehen und diese Information zu den Ribosomen transportieren, wo dann die entsprechenden Proteine aus einzelnen Aminosäuren zusammengesetzt werden. mRNA muss daher gar nicht in den Zellkern gelangen, sondern lediglich ins Zytoplasma, wo sie ihre Aufgabe, also die Codierung z.B. des Spike-Proteins von SARS-CoV-2, erfüllen kann.3,4
Von Interesse sind natürlich jene Epitope des Proteins, gegen die eine Immunantwort des Körpers wahrscheinlich ist. Einige Epitope des Spike-Proteins sind zwischen SARS-CoV-1 und SARS-CoV-2 hoch konserviert. Eine gegen diese Epitope gerichtete Impfung könnte kreuzprotektiv gegen verschiedene Beta-Coronaviren wirken.5
Das Problem der Kühlung
Zur Frage, ob mRNA-Impfstoffe gekühlt werden müssen, und wenn ja, wie stark, gibt es unterschiedliche Aussagen. Offenbar sind die Kühlungserfordernisse von Impfstoff zu Impfstoff verschieden – dies dürfte daran liegen, dass weniger die mRNA selbst der Kühlung bedarf als ihre Verpackung, z.B. bestimmte Lipid-Nanopartikel, an die sie in manchen Impfstoffen gekoppelt wird.6
Manche gefriergetrockneten mRNA-Impfstoffe benötigen überhaupt keine Kühlung.7 Bei den Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 scheint das jedoch anders zu sein. Und auch hier gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Vakzinen. So soll z.B. der Impfstoff der Firma Curevac laut Aussage eines Verantwortlichen bei Kühlschranktemperatur gelagert und bei Raumtemperatur verabreicht werden könne.8 Allerdings hat, per Mitte November 2020, die Phase-III-Testung des Curevac-Impfstoffs noch nicht begonnen.
Anderen Meldungen zufolge müssen jedoch manche mRNA-Impfstoffe nicht nur bei Kühlschranktemperatur, sondern bei extrem niedrigen Temperaturen (–70°C und darunter) gelagert werden, um ihre Stabilität zu garantieren.9 Dies würde natürlich eine zusätzliche Hürde bei der Produktion, Verteilung und Lagerung der enormen Mengen von Impfstoffdosen bedeuten, die global benötigt werden.
Einer der zurzeit am weitesten fortgeschrittenen Covid-Impfstoffe, BNT162b2 von Biontech/Pfizer (ebenfalls ein mRNA-Impfstoff), unterliegt einer solchen Restriktion. Er muss auf –70°C gekühlt bis an den Ort der Impfung transportiert werden – eine enorme Herausforderung. Pfizer teilte dazu mit, dass man für die Lagerung der Impfdosen einen besonderen „Thermokoffer“ entwickelt habe, in dem die Ampullen bis zu zehn Tage lang bei einer Temperatur von –75°C gelagert werden können. Der Koffer sei so groß wie ein Handkoffer, wiege voll beladen allerdings fast 32kg. Eine Lagerung bei Kühlschranktemperatur, also 2–8°C, sei nur für maximal fünf Tage möglich. Pfizer empfiehlt daher die Anschaffung von Ultraniedrigtemperatur-Kühlschränken für die Impfzentren, in denen der Impfstoff dann bis zu sechs Monate haltbar wäre.9 Zudem überlege man bei Biontech/Pfizer bereits, für eine zweite Generation des Impfstoffs andere Wege zu gehen, um die Notwendigkeit der Lagerung bei extrem niedrigen Temperaturen zu vermeiden.8
Der Impfstoff mRNA-1273 von Moderna soll hingegen bei –20°C für sechs Monate lagerbar sein und bei Kühlschranktemperaturen (2–8°C) immer noch für 30 Tage.10
Wer sollte zuerst geimpft werden?
Wenn eine Covid-Impfung einmal verfügbar ist, stellt sich die Frage, welche Gruppen sie zuerst erhalten sollen. Dies wird zwar politisch entschieden werden, aber hoffentlich auf Basis existierender mathematischer Modellrechnungen. Diese gibt es, und sie geben eine klare Antwort: Die erste und wichtigste Gruppe, die geimpft werden sollte, sind alte Menschen (besonders jene über 80 Jahre, dann absteigend), gefolgt von Personen mit erheblichen Komorbiditäten. An nächster Stelle kommen dann sofort die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Gesundheitssystems. Obwohl junge Menschen durchaus einen Anteil an der Verbreitung von SARS-CoV-2 haben, ist ihre Impfung laut dieser Modellrechnung weniger prioritär. Wenn in dieser Reihenfolge geimpft wird, sollte – wenn die Impfung eine nur 50-prozentige Effizienz hat – die Durchimpfung von 70% der über-20-jährigen Bevölkerung ausreichen, um die Pandemie zu beenden. Dies gilt allerdings nur, wenn weiterhin gewisse Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden. Um wieder vollkommene Normalität, wie in Vor-Pandemiezeiten, leben zu können, müsste die Impfung eine Effizienz von 80% aufweisen und 70% der gesamten Bevölkerung müssten geimpft sein.11
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
◾16
Literatur:
1 Heaton PM: N Engl J Med 2020; 383(20): 1986-82 Thorp HH: Science 2020; 369(6506): 885 3 Zylka-Menhorn V, Grunert D: Dtsch Ärztebl 2020; 117(21): A1101-6 4 Callaway E: Nature 2020; 580(7805): 576-7 5 Karamloo F, König R: Allergy 2020; 75(7): 1822-4 6 Killy D: www.rnd.de/gesundheit/corona-impfstoff-das-problem-mit-der-ultra-kaltlagerung-FMKCPIFVPRDUZPXIGUWAFJEOG4.html. Zuletzt aufgerufen am 15.11.2020 7 www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/hoffnung-fuer-mrna-impfstoffe-trotz-daempfer. Zuletzt aufgerufen am 15.11.2020 8 Müller C: www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/11/12/kuehlschranklagerung-genuegt. Zuletzt aufgerufen am 16.11.2020 9 Hohmann-Jeddi C: www.pharmazeutische-zeitung.de/curevacs-impfstoff-kommt-mit-kuehlschrank-temperatur-aus-121797/. Zuletzt aufgerufen am 15.11.2020 10 investors.modernatx.com/news-releases/news-release-details/moderna-announces-longer-shelf-life-its-covid-19-vaccine. Zuletzt aufgerufen am 16.11.2020 11 Moore S et al.: doi: 10.1101/2020.09.22.2019418312 World Health Organization (WHO): www.who.int/publications/m/item/draft-landscape-of-covid-19-candidate-vaccines. Zuletzt aufgerufen am 15.11.2020 13 Dingermann T: /www.pharmazeutische-zeitung.de/mrna-impfstoff-verspricht-90-prozentigen-schutz-gegen-covid-19-121673/. Zuletzt aufgerufen am 15.11.2020 14 investors.modernatx.com/news-releases/news-release-details/modernas-covid-19-vaccine-candidate-meets-its-primary-efficacy. Zuletzt aufgerufen am 16.11.2020
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