Orale Antikoagulation bei VHFA: Dosierung, Pausierung, Bridging
Autor:
Assoc. Prof. PD Dr. Thomas Gary
Klinische Abteilung für Angiologie
Universitätsklinik für Innere Medizin
Medizinische Universität Graz
E-Mail: thomas.gary@medunigraz.at
Bei der Prävention einer Embolie werden Vitamin-K-Antagonisten zunehmend von direkten oralen Antikoagulanzien abgelöst. Sie bieten Vorteile für beide Seiten: Die Patienten leiden weniger oft an schweren Blutungen und für Ärzte hat sich der Alltag insbesondere rund um Operationen vereinfacht. Wie die Medikamente zu dosieren sind und welches Blutungsrisiko sie mit sich bringen, wird hier dargelegt.
Seit Jahrzehnten ist die Hemmung des plasmatischen Gerinnungssystems (Antikoagulation) Goldstandard in der Verhinderung von Emboliegeschehen bei Patienten mit Vorhofflimmerarrhythmie (VHFA). Wurde früher mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA), Marcoumar und Sintrom, gearbeitet, so hat sich in diesem Bereich in den letzten Jahren durch die Etablierung der direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK/NOAK) eine Veränderung sowohl für den Patienten (Reduktion von schweren Blutungskomplikationen, keine routinemäßigen Gerinnungskontrollen) als auch für den betreuenden Arzt (deutlich einfachere Einleitung, einfacheres Vorgehen bei Operationen/Interventionen) ergeben. Die Dosierungsschemata sind relativ einfach (Tab. 1). Für jedes Medikament ergibt sich auch je nach Körpergewicht, Alter und renaler Elimination des Präparates eine gering andere Dosisreduktionsempfehlung (Tab. 1). Ein großer Vorteil der NOAKs im klinischen Alltag ist das relativ klare periinterventionelle und perioperative Vorgehen. Wohingegen man früher die VKA-Therapie zumindest 5 (Marcoumar) bzw. 3 (Sintrom) Tage vor dem Eingriff/ vor der Operation absetzen musste und die Wirkung mit einer Heparintherapie überbrücken musste („bridging“), ist nun aufgrund der klareren Pharmakokinetik das simple Aussetzen der Antikoagulation je nach Blutungsrisiko des Eingriffs/der Operation 24 bzw. 48 Stunden vor dem Eingriff/der Operation ausreichend (Tab. 2). Bei diesem Vorgehen ist nun keine Antikoagulation mit einem Heparinmedikament mehr vonnöten, da eine Restwirkung des NOAK bis knapp vor dem Eingriff/der Operation vorhanden ist bzw. die zusätzliche Gabe von Heparin in dieser Phase nicht die Sicherheit für den Patienten, sondern nur das Blutungsrisiko für den Eingriff erhöhen würde. Die einzelnen interventionellen und auch chirurgischen Fächer haben für die gängigen Eingriffe eigene Tabellen zur Abschätzung des Blutungsrisikos festgelegt, an denen man sich für den einzelnen Patienten orientieren kann (Beispiele siehe Tab. 3).
Tab. 1: NOAKs und ihre Dosierungen bzw. Dosisreduktionskriterien
Tab. 2: In speziellen Situationen (älterer Patient, relevante Begleitmedikation) kann die Antikoagulation im Einzelfall auch 12 bis 24 Stunden früher ausgesetzt werden; 24h nach einem Niedrigrisikoeingriff bzw. 48 bis 72h nach einem Hochrisikoeingriff kann in der Regel die Antikoagulation wieder gestartet werden (adaptiert nach den aktuellen Guidelines der Europäischen Rhythmologen [EHRA], 2021)
Tab. 3: Beispiele für chirurgische Eingriffe und deren Blutungsrisiko anhand von vier Fachdisziplinen
Zusammenfassung
NOAKs haben die Antikoagulation bei VHFA-Patienten deutlich vereinfacht. Wo der Patient vor allem durch die Reduktion der schweren Blutungen am meisten profitiert, vereinfacht sich der Alltag des behandelnden Arztes durch ein Fixdosisprinzip sowie durch simple Empfehlungen für das perioperative und periinterventionelle Management.
Literatur:
beim Verfasser
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