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Der Charcot-Fuß als Sonderform des diabetischen Fußsyndroms

Bei entsprechender stadiengerechter Behandlung sind gute Ergebnisse bei Charcot-Fuß-Behandlungen möglich. Ziele sind der Extremitätenerhalt und das Ermöglichen einer suffizienten orthopädietechnischen Versorgung – dies vor allem im Sinne einer verbesserten Mobilität der Patienten für eine Verbesserung der Lebensqualität.

Definition

Unter Charcot-Fuß (Charcot-Arthropathie, Charcot-Neuropathie) versteht man eine Sonderform des diabetischen Fußsyndroms, bei dem es zu Knochen- und Gelenksverletzungen bei empfindungsgestörten und/oder durchblutungsgestörten Füßen kommt. Auslösende Faktoren sind Traumen, bei denen ein gestörter Heilungsverlauf gegeben ist.

Differenzialdiagnose Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung

Hierbei handelt es sich um eine neurogenetische Erkrankung mit Muskel- und Knochenveränderungen.

Klinik

Rötung, Wärmung, Schwellung treten spontan oft nach Minimaltraumen auf. Diese Symptome werden durch die Patienten meist gar nicht wahrgenommen. In erster Linie handelt es sich hierbei um eine Blickdiagnose. Beim Berühren der Füße kann zusätzlich oft eine Temperaturdifferenz zum anderen Fuß wahrgenommen werden. Es ist wichtig, an dieses Krankheitsbild zu denken! Im weiteren Verlauf kommt es aufgrund der gestörten neurovaskulären Situation zu deformierenden Veränderungen des Fußes, die zu Druckstellen führen können. Bei unzureichender Behandlung sind Ulzera die Folge, die in der Tiefe bis zum Knochen reichen können. Diese Eintrittspforten für Keime können zu ausgeprägten Infekten führen, was wiederum Amputationen zur Folge haben kann. Durch entsprechende Behandlung muss dies verhindert werden.

Diagnose

Röntgen der Füße und Sprunggelenke im Stehen (Abb. 1): In den Anfangsstadien ist meist noch keine Veränderung zu erkennen. Am Beginn sieht man noch am ehesten z.T. fleckige Entkalkungen wie bei einem CRPS (Mb. Sudeck). Knochen- und Gelenksdestruktionen folgen.

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Abb. 1: „Kollaps“ im Lisfranc-Gelenk

MRT (Abb. 2): Hier können die verschiedenen Knochen- und Weichteilveränderungen (z.B. Knochenmarksödeme) und die Gelenkssituation beurteilt werden. Wichtig ist hier, dass nicht jedes Knochenmarksödem mit einem Infekt gleichzusetzen ist.

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Abb. 2: Einbrechen des Talus im MRT

CT (Abb. 3): bessere Beurteilung der knöchernen Strukturen im fortgeschrittenen Verlauf, was für die chirurgische Behandlung hilfreich sein kann.

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Abb. 3: CT-3D-Rekonstruktion: Fuß steht neben dem Bein

Therapie

Nach Bagatelltraumen mit den initialen klinischen Symptomen wie Rötung, Erwärmung und Schwellung soll der Fuß durch entsprechende orthopädietechnische Maßnahmen und Unterarmstützkrücken entlastet werden. In fortgeschrittenen Stadien stehen nach Möglichkeit die Abschwellung und in weiterer Folge die chirurgische Versorgung im Raum.

Bei Ulzerationen empfiehlt sich davor die Wundbehandlung zur Verkleinerung der Hautdefekte. In vielen Fällen können diese mit den gängigen Wundbehandlungsmaßnahmen nicht wesentlich verbessert werden. In solchen Fällen empfiehlt sich die Vollkontaktgipsbehandlung („total contact cast“). Hier wird in kurzen Zeitabständen (2–3 Tage bis zu 1 Woche) regelmäßig der Gips neu angelegt, um durch den gleichmäßigen Druck die Ulzerationen zu verkleinern und eine Abschwellung der Extremität zu erzielen.

Die Anlage des Vollkontaktgipses erfolgt in Bauchlage nach vorhergehendem Anfrischen des Ulkusgrundes und seiner Ränder. Wenn die Ulzerationen geschlossen sind oder es bereits zu einer wesentlichen Verkleinerung der Ulzerationen gekommen ist, ist es das Ziel, durch einen chirurgischen Eingriff den Fuß in eine bessere Stellung zu bringen, um ihn in weiterer Folge orthopädietechnisch versorgbar zu machen.

Anmerkung: Beim Typ-2-Diabetiker sollten auch „kleinere“ Knochenbrüche wie z.B. Fibulafrakturen vom Typ Weber B, die gern konservativ behandelt werden, eher großzügig operiert werden. Diese Verletzungen stellen oft den Ausgangspunkt für einen Charcot-Fuß dar.

Orthopädietechnik

In den initialen Stadien empfehlen sich zum Entlasten Unterschenkel-Walker mit Unterarmstützkrücken, des Weiteren nach Abschwellung die entsprechende Einlagenversorgung bzw. Schuhversorgung.

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Abb. 5: Teilentlastung mit PTB-Fassung („patella tendon bearing“)

Orthopädisch zugerichtete Schuhe oder Maßschuhe sind bei abgeheilten Füßen sinnvoll. Ein Maßnehmen sollte erst nach Abschwellung der Füße stattfinden.

Einlagen und Schuhe sind in Fällen, bei denen es zu einer Verschiebung des Lots gekommen ist, nicht sinnvoll. Jeder Schuh würde in kurzer Zeit deformiert werden, was zu neuen Druckstellen führen kann. Die Lösung liegt in Teilentlastungsorthesen mit PTB-Fassung („patella tendon bearing“) oder Ähnlichem, um die Hauptlast über das Knie an den Oberschenkel zu transferieren. So wird eine Teilentlastung erzielt und selbst bei gestörter Sensibilität werden Informationen über den Bodenauftritt des Fußes an das Hirn weitergegeben (Abb. 5).

Chirurgie

Entsprechend der vorliegenden Bildgebung (Röntgen und MRT, evtl. CT) erfolgen die knöcherne Korrektur und die Druckverteilung mittels Fusionen und/oder Osteotomien (Abb. 4). Postoperativ bedarf es langer Entlastungsphasen. Oft sind Pseudarthrosen das Ergebnis, was aber in den meisten Fällen kein Problem darstellt, wenn der Fuß wieder in die Lotlinie des Beines gebracht werden konnte und dadurch eine suffiziente orthopädietechnische Versorgung ermöglicht wurde.

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Abb. 4: Pantalare Fusion

Fehler

  • zu zögerliche Behandlung

  • zu inkonsequente Behandlung

  • zu späte Behandlung

  • falsche Behandlung

Beispiel

Patient, bei dem sich nach erfolgreicher Abschwellung ein Ulkus trotz verschiedener Maßnahmen nicht mehr verkleinern lässt: Die MRT zeigt ein Weichteil- und Knochenödem mit dem Verdacht auf Infekt. Unter einer reinen Antibiotikatherapie wird es hier nicht zu einer wesentlichen Verbesserung kommen können. Das Risiko durch eine Operation ist in solchen Fällen selbst bei Infektverdacht vertretbar. Sowohl aus Studien wie auch aus persönlicher Erfahrung kann gesagt werden, dass die Chance einer Abheilung nach chirurgischem Débridement und biomechanischer Verbesserung der Gesamtsituation wesentlich erhöht werden kann! Ein Zuwarten wird die Situation verschlechtern und kann letztlich in einer Amputation enden.

Haut- oder Weichteiltransplantationen sind an den Fußsohlen vollkommen sinnlos, da die Fußsohlenhaut eine spezielle Konfiguration hat, die durch andere Weichteildeckungen nicht ersetzt werden kann, insbesondere wenn davor die mechanische Situation nicht entsprechend verbessert wurde.

beim Verfasser

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