Die Pollensaison im Temperaturchaos
Autor:
Dr. Markus Berger
Leiter Österreichischer Polleninformationsdienst
Assistenzarzt HNO-Abteilung Klinik Hietzing, Wien
Wiener Gesundheitsverbund
E-Mail: markus.berger@pollenresearch.com
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Die steigenden Temperaturen führen zu einem verfrühten Blühbeginn bei vielen Pflanzenarten und zu einer verlängerten und vermehrten Pollenbelastung für Allergiker:innen. Die ursächlichen Faktoren sorgen zudem für weitere gesundheitliche Belastungen.
Keypoints
Die frühen hohen Temperaturen beeinflussen vor allem den Blühbeginn der Frühblüher wie Esche und Birke, der sich in den vergangenen 40 Jahren durchschnittlich um 2 Wochen nach vorne verschoben hat.
Ebenso hat die Gesamtpollenmenge deutlich zugenommen.
Klimaerwärmung, Luftverschmutzung und Bodenversiegelung stressen nicht nur Pflanzen, sondern haben auch gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen.
Früher weit verbreitet und auch heute noch vereinzelt zu finden: Der gedruckte Pollenflugkalender war lange Zeit ein praktisches Hilfsmittel in der Allergiediagnostik. Inzwischen ist der Kalender jedoch unbrauchbar geworden, denn die Blütezeiten weichen in den letzten Jahren immer mehr von ihren gewohnten Startzeiten ab.
Ausschlaggebend dafür ist vor allem der Temperaturanstieg. In regelmäßigen Abständen berichten die Medien über neue Temperaturrekorde. Der Februar 2024 war der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen und Anfang April wurden bereits Rekordtemperaturen von über 30°C gemessen.
Verfrühter Blühbeginn
Für den Blühbeginn der Frühblüher (z.B. Erle, Hasel, Birke, Esche) sind die frühen sehr hohen Temperaturen besonders relevant. Denn Frühblüher summieren die Temperatur-Tagesmaxima und beginnen zu blühen, sobald eine bestimmte Temperatursumme erreicht ist (für die Birke liegt diese zwischen 400 und 450°C). Konkret bedeutet dies für die Saison 2024, dass vor allem bei Esche und Birke ein verfrühter Blühbeginn zu beobachten war. In Graz begann die Eschenblüte sogar fast einen Monat früher als im Mittel der letzten Jahre und verzeichnete damit den frühesten Blühbeginn seit Beginn der Aufzeichnungen.
Auch bei den Gräsern sind die Auswirkungen der hohrn Temperaturen bereits zu beobachten. Bei Temperaturen über 30°C werden an thermisch begünstigten Standorten (z.B. sonnenexponierte Verkehrsinseln) bereits Anfang April erste blühende Gräser beobachtet und ein früher Beginn der Gräserpollensaison ist zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels wahrscheinlich.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Saison automatisch länger dauert. Die Dauer der Saison hängt auch vom Wetter ab. Bleibt es während der Blütezeit warm und trocken, geben die meisten Bäume sehr früh und sehr schnell ihr gesamtes Erbgut für die Saison ab. Dies kann vor allem durch starke Winde (z.B. in diesem Jahr in Kombination mit Saharastaub) beschleunigt werden. Dadurch endete die Saison für Esche und Birke in diesem Jahr früher als in den Vorjahren.
Historische Daten
Betrachtet man die historischen Pollendaten der 25 Pollenfallen in Österreich, so zeigt sich ein klarer Trend für die Frühblüher in Österreich: Die Pollensaison beginnt immer früher und die Pollenmenge nimmt zu. In den letzten 40 Jahren hat sich der Blühbeginn von Birke und Esche um durchschnittlich zwei Wochen nach vorne verschoben (Abb. 1).
Abb. 1: In den letzten 40 Jahren hat sich der Blühbeginn von Esche und Birke um durchschnittlich
zwei Wochen nach vorne verschoben
Die Gesamtpollenmenge beschreibt die Anzahl der Pollen, die während der Saison eines bestimmten Jahres in der Luft sind. Diese Menge hat bei Birke, Esche und Hasel deutlich zugenommen – bei Hasel im Mittel um das Vierfache, bei Esche sogar um das Sechsfache (Abb. 2). Auch hier sind die Klimaerwärmung und die Luftverschmutzung (vor allem Kohlendioxid) die Hauptursachen, aber auch die zunehmende Urbanisierung (Bodenversiegelung, Streusalz etc.) trägt dazu bei. All diese Faktoren setzen die Bäume unter Stress. Sie fühlen sich in ihrer Existenz bedroht und produzieren deshalb vermehrt Pollen.
Abb. 2: Die Gesamtpollenmenge hat bei Hasel im Mittel um das Vierfache, bei Esche sogar
um das Sechsfache zugenommen
Weitere negative Auswirkungen auf die Gesundheit
Als wäre das für Allergiker:innen nicht genug, haben die oben genannten Faktoren auch negative Einflüsse auf uns Menschen. Hohe Temperaturen sind generell eine Belastung für den menschlichen Körper und können besonders für ältere Menschen und Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen gefährlich werden. Ozon und Feinstaub können die oberen und unteren Atemwege reizen und so die Beschwerden einer Pollenallergie verstärken. Auch hohe Konzentrationen von Schadstoffen wie Ozon, Schwefeldioxid und Dieselpartikeln können mit Pollen interagieren und deren Allergenität erhöhen.
Außerdem erschwert die zunehmende Bodenversiegelung die Wiederaufnahme von Pollenkörnern in den Boden. Pollen bleibt dadurch auf dem Boden liegen und kann durch stärkeren Wind aufgewirbelt erneut Beschwerden verursachen.
Es wird von Jahr zu Jahr deutlicher, dass die globale Erwärmung und die Luftverschmutzung nicht nur in der Zukunft, sondern bereits jetzt erhebliche Auswirkungen auf Mensch und Erde haben. Pollenallergiker:innen müssen sich in naher Zukunft auf frühere und stärkere Belastungen einstellen. Bei hohen Temperaturen im Herbst kann sich die Pollensaison verlängern. 2023 waren bereits an fast 300 Tagen allergene Pollen in der Luft.
Ausblick
Abb. 3: Könnte es im Burgenland bald so aussehen?
Wie sich die heimische Flora in Zukunft entwickeln wird, ist allerdings noch schwer abzuschätzen. Bei weiter steigenden Temperaturen könnten heimische Pflanzen zunehmend durch Neophyten verdrängt werden, die sich im neuen Klima wohler fühlen. Ein Blick ins Burgenland, wo bereits vermehrt Olivenbäume gepflanzt werden (Kreuzreaktion mit der Esche), zeigt bereits, wohin die Reise geht.
Literatur:
beim Verfasser
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