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Harm Reduction international

Alternative Wege zum Rauchstopp – ein Blick über die Grenzen

Rauchen ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko und verursacht hohe individuelle sowie gesamtgesellschaftliche Schäden. Im Rahmen der deutsch-österreichisch-schweizerischen Konferenz zum Thema „Harm Reduction“ referierten internationale Expert:innen über Erfahrungen mit diesem Konzept bei der Raucherentwöhnung in Deutschland und Skandinavien.

In Deutschland rauchen derzeit 32,4% der erwachsenen Bevölkerung.1 127000 Menschen versterben jährlich an den Folgen des Tabakkonsums.2 Rauchen verursacht im Gesundheitswesen in Deutschland jährlich 97 Milliarden Euro an Kosten2 und stellt das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko dar.3

Während der Corona-Pandemie stieg die Prävalenz der rauchenden Erwachsenen in Deutschland um mehr als 10% an. „Das ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die soziale Kontrolle ein wichtiger Faktor in der Prävention ist“, sagt Prof. Dr. Heino Stöver vom Institut für Suchtforschung in Frankfurt am Main. Aktuell liegt der Konsum von E-Zigaretten bei 3,3%, wobei 28,4% E-Zigaretten bereits probiert haben. Stöver: „Dies ist insofern von Bedeutung, als viele, die mit der E-Zigarette – der Harm-Reduction-Maßnahme schlechthin – anfangen, damit wieder aufhören.“ Stöver führt das nicht zuletzt darauf zurück, dass diese Menschen von den Gesundheitsagenturen zu wenig Beratung und Begleitung beim Umstieg von Zigaretten auf E-Zigaretten erhalten.

Europäische Schlusslichter

Im europäischen Ranking bezüglich der Umsetzung von Maßnahmen zur Tabakkontrolle zählte Deutschland im Jahr 2021 mit Rang 34 von insgesamt 37 Ländern zu den Schlusslichtern.4 Österreich findet sich auf Rang 26 dieses Rankings, das von Irland und Großbritannien angeführt wird.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) hat in Kooperation mit zahlreichen Fachgesellschaften eine „Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040“ entworfen.5 Demnach sollen 2040 weniger als 5% der Erwachsenen und weniger als 2% der Jugendlichen Tabakprodukte, E-Zigaretten oder andere verwandte Erzeugnisse konsumieren. Stöver bemängelt, dass das Ziel im internationalen Vergleich wenig ambitioniert ist. So peilt Neuseeland Tabakfreiheit im Jahr 2025, Großbritannien 2030 oder Frankreich 2032 an. Darüber hinaus bezweifelt Stöver, dass Deutschland dieses Ziel in den verbleibenden 17 Jahren erreichen wird: „Diese zehn Punkte für ein tabakfreies Deutschland sind nett, zum Teil verhältnisorientiert, einige verhaltensorientiert, aber es gibt dafür auch keine Mittelallokation, keine Milestones und keine Evaluation.“ Im Gegensatz dazu gibt etwa Großbritannien im Rahmen seines „Swap to Stop“-Programms eine Million E-Zigaretten aus, um das UK-Smoke-Free-2030-Ziel zu erreichen. Effiziente Tabakkontrollpolitik korreliert direkt mit der Abnahme der Prävalenz. So liegt die Raucher:innenquote in Großbritannien bei 13%6 und in Schweden bei 6%.7

Informationsdefizite

Konzepte der Harm Reduction haben sich in anderen Bereichen der Gesundheits- und Drogenpolitik als erfolgreich erwiesen. Für die Rauchentwöhnung bieten sich alternative Formen der Nikotinaufnahme an. So konnte in Studien gezeigt werden, dass E-Zigaretten effektive Mittel zur Rauchentwöhnung sind.8 Dem entgegen steht allerdings das geringe Wissen der Bevölkerung über die gesundheitlichen Vorteile de E-Zigarette gegenüber der konventionellen Zigarette.

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Prof. Dr. Heino Stöver (Bild oben) und Dr. Karl Erik Lund (Bild unten) präsentierten Daten zur Harm Reduction aus Deutschland und Norwegen

Die Motivation der Menschen, mit dem Rauchen aufzuhören, ist grundsätzlich gegeben. Ohne professionelle Hilfe ist es jedoch deutlich schwerer, abstinent zu werden, als mit evidenzbasierter Entwöhnung mit Gruppenkurs.9 Diese Angebote werden allerdings nur von einer Minderheit angenommen.10 Hindernisse beim Rauchstoppversuch sind zum Beispiel verhältnisorientiert wie etwa ritualisierte Rauchpausen oder ein rauchendes soziales Umfeld. Individuelle Probleme können Craving, Konzentrationsschwächen, Schlafprobleme, Reizbarkeit u.a. sein.

Stöver plädiert dafür, Raucher über die bestehenden Optionen zur „Tobacco Harm Reduction“ (THR) wie E-Zigaretten, Tabakerhitzer oder Nikotinbeutel besser zu informieren, da diese für die Gesundheit wesentlich weniger schädlich sind als konventionelle Zigaretten.

THR in Skandinavien

Eine Besonderheit in Schweden und Norwegen im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern ist, dass der Oraltabak Snus erhältlich ist. 2021/2022 lag in Norwegen der Anteil von Snus am gesamten Tabakkonsum bei 48% und der Zigarettenkonsum inklusive selbst gedrehter Zigaretten bei 49%.11 20 Jahre davor machte der Zigarettenkonsum 93% und der von Snus 7% aus. Insgesamt ging der Tabakkonsum in Norwegen in diesem Zeitraum um 32% zurück.

Im Vergleich zu Zigaretten ist Snus mit einem geringeren Gesundheitsrisiko assoziiert, er ist geringer besteuert, kann auch in Innenräumen konsumiert werden und steht in verschiedenen Geschmacksrichtungen zur Verfügung. Im Gegensatz zu Rauchen ist der Konsum in der norwegischen Gesellschaft besser akzeptiert.

„Konsum von Snus ist seit Langem die populärste Methode, mit dem Rauchen aufzuhören“, berichtet Dr. Karl Erik Lund vom Norwegian Institute of Public Health. So gelangen 2022 45% der erfolgreichen Rauchentwöhnungen mithilfe von Snus, gefolgt von E-Zigaretten und pharmakologischen Nikotinersatztherapien (NRT). Eine Reihe von Studien aus Schweden und Norwegen belegt, dass Snus effektiv und NRT überlegen in der Rauchentwöhnung ist.12,13

Es gibt laut Lund aber auch Konsummuster von Snus, die aus Sicht der öffentlichen Gesundheit den Schaden erhöhen. Nämlich, wenn Snus die Rauchentwöhnung verzögert und die Zeit des Tabakkonsums verlängert und wenn Snus zusätzlich zum unveränderten Zigarettenrauchen konsumiert wird. Snus sind auch mit einer Reihe von Gesundheitsrisiken assoziiert. So warnt das Norwegian Institute of Public Health, dass Snus möglicherweise das Risiko für Ösophagus- und Pankreaskarzinome erhöht, die Mortalität nach Herzinfarkt und Schlaganfall sowie das Risiko für Frühgeburten und bei intensivem Konsum für Typ-2-Diabetes steigert.14 Letztendlich ist Snus eine sicherere, jedoch keine sichere Alternative zu Zigarettenrauchen.

Harm Reduction DACH Konferenz, Wien, 23. Juni 2023

1 DEBRA – Deutsche Befragung zum Rauchverhalten (2023): Tabakrauchen. Online unter: https://www.debra-study.info/ (letzter Zugriff: 25.7.2023) 2 Tabakatlas Deutschland 2020 – auf einen Blick. https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/Buecher_und_Berichte.html (letzter Zugriff: 20.6.2023) 3 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/r/rauchen.html (letzter Zugriff: 25.7.2023) 4 Jossens L et al.: The Tobacco Control Scale 2021 in Europe. https://www.tobaccocontrolscale.org/ (letzter Zugriff: 25.6.2023) 5 https://www.dkfz.de/strategie-tabakfrei-2040 (letzter Zugriff: 25.6.2023) 6 Stöver H: Großbritanniens Tabakkontrollpolitik. In: akzept/DAH (Hrsg.): 6. Alternativer Drogen- und Suchtbericht. Lengerich: Pabst Science Publishers, 2019. 42-7 7 Fagerström KO: Harm Reduction in Sweden–the case of Snus. In: Stöver H (Hrsg.): Tobacco Harm Reduction. Neue Rauchentwöhnungsstrategien. Frankfurt am Main: Fachhochschulverlag, 2021. 197-206 8 Hajek P et al.: N Engl J Med 2019; 380(7): 629-37 9 Hughes JR et al.: Addiction 2004; 99(1): 29-38 10 Werse B et al.: RauS-Studie. In: Stöver H (Hrsg.): Die Zigarette liegt in den letzten Zügen. Alternative Formen der Nikotinaufnahme. Frankfurt am Main: Fachhochschulverlag, 2023 11 Customs Norway/The Norwegian Tax Administration 12 Ramström LM et al.: Tob Control 2006; 15(3): 210-14 13 Sheffels J et al.: Harm Reduct J 2012; 9: 10 14 Norwegian Institute of Public Health 2019

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