
„Zu früh, um die Risiken sicher beurteilen zu können“
Unser Gesprächspartner:
Prof. Dr. Marten Trendelenburg
Innere Medizin, Universitätsspital Basel, dzt. Präsident des Vereins Schweizerische SLE Kohortenstudie (Swiss SLE Cohort Study)
Das Interview führte
Dr. Felicitas Witte
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In Erlangen wurden Patienten mit systemischem Lupus erythematodes mit der CAR-T-Zell-Therapie behandelt.1 Warum Prof. Trendelenburg aus Basel zweifelt, dass sich SLE damit langfristig heilen lässt.
Wie denken Sie über die neue Behandlungsstrategie?
M. Trendelenburg: Die CAR-T-Zell-Therapie scheint bei schweren Verläufen deutlich erfolgreicher zu sein als unsere bisherigen Therapien gegen B-Lymphozyten. Möglicherweise sind die bisherigen Therapien nicht so wirksam, weil sie nicht alle B-Lymphozyten erreichen. Es ist sogar möglich, dass sich die Krankheit mit der CAR-T-Zell-Therapie dauerhaft unterdrücken lässt.
Halten Sie die Erlanger Patienten für geheilt?
M. Trendelenburg: Die 5 Patienten wurden 3 bis maximal 12 Monate nachbeobachtet. Für die Einführung einer neuen Therapie ist das sehr wenig. Im Beobachtungszeitraum hatte sich die Krankheitsaktivität offenbar deutlich reduziert und ließ sich nicht mehr nachweisen. Meines Erachtens ist es bei einer Krankheit, die betroffene Patienten bisher lebenslang begleitet, zu früh, um von einer Heilung zu sprechen. Auch vom Konzept her habe ich Zweifel, dass sich SLE mit den CAR-T-Zellen langfristig „wegbehandeln“ lässt. Da ein beträchtlicher Teil des Erkrankungsrisikos genetisch bestimmt ist, wird dieses Risiko auch nach einer zeitweiligen beinahe kompletten Zerstörung der B-Lymphozyten nicht verschwinden. Es ist also gut möglich, dass sich die Krankheit bei den beschriebenen Patienten nach einem mehr oder weniger großen Zeitfenster wieder zurückmeldet, mit etwas Glück aber vielleicht nur noch in abgeschwächter Form.
Wie beurteilen Sie das Nebenwirkungsprofil?
M. Trendelenburg: Ich sehe vor allem ein erhebliches Risiko für Komplikationen durch Infektionen. Die komplette Zerstörung von B-Lymphozyten könnte unmittelbare Entzündungsreaktionen auslösen, die sich als Fieber, aber auch über neurologische Symptome bis hin zu schweren Kreislaufreaktionen äußern könnten. Des Weiteren ist eine komplette und länger anhaltende Unterdrückung der B-Zellen zwar meist günstig für den Verlauf des SLE, gleichzeitig geht aber eine wichtige Zellpopulation, die wir im täglichen Kampf gegen Bakterien und Viren oder auch beim korrekten Aufbau einer Impfantwort benötigen, für mindestens Wochen, wenn nicht gar Monate verloren. Allerdings bergen auch bisherige Therapieansätze und ein nicht gut kontrollierter SLE dieses Risiko in unterschiedlichem Ausmaß. Da ich die CAR-T-Zell-Therapie als intensivere Variante bisheriger Therapien ansehe, schätze ich das Infektionsrisiko entsprechend höher ein, auch wenn in der vorliegenden Arbeit keine Infektionen beobachtet wurden. Der Beobachtungszeitraum ist sicher zu kurz und die Anzahl behandelter Patienten zu klein, um Entwarnung geben zu können. Umfangreichere und längerfristige Daten werden uns zeigen, wo sich dieses Risiko im Verhältnis zu bisherigen Therapien und/oder einem unkontrollierten SLE einordnet.
Gezieltere Therapien mit neuen, sich in Entwicklung befindlichen Medikamenten beobachte ich im Moment mit größerem Interesse als die zeitweilige Beseitigung aller B-Lymphozyten. Das sind zum Beispiel Ansätze, die die relevanten Entzündungskaskaden spezifisch unterbrechen, wie wir das jetzt bereits bei Medikamenten wie Belimumab oder Anifrolumab sehen. Ich gehe davon aus, dass in wenigen Jahren weitere Medikamente zugelassen werden und es damit leichter wird, für jede Patientin, jeden Patienten ein passendes zu finden. In den Fällen, in denen es trotz aller Therapieversuche nicht gelingt, die Krankheit zu kontrollieren, und es zu schweren Schäden kommt, könnte die Anti-CD19-CAR-T-Zell-Therapie jedoch zukünftig ihren Platz finden.
Würden Sie einen schwer kranken, therapieresistenten Patienten nach Erlangen schicken?
M. Trendelenburg: Möglicherweise. Die Hürden für eine komplexe und teure Behandlung im Ausland sind aber sicherlich sehr hoch. Ich würde daher solche Fälle bei uns primär interdisziplinär und unter Beizug unserer Kollegen der Hämatologie besprechen, da wir theoretisch solche Therapien ja auch am Unispital Basel durchführen könnten. Im Universitären Zentrum für Immunologie in Basel haben wir unter anderem dafür eine spezielle interdisziplinäre Konferenz, die auch sonst für Patient*innen mit SLE genutzt wird, da deren Probleme oft mehrere medizinische Disziplinen betreffen.
Weiterführend
Literatur:
1 Mackensen A et al.: Nat Med 2022; 28(10): 2124-32
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