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„Ein offener Dialog ist mir wichtig“
Jatros
30
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15.11.2018
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<p class="article-intro">Am 10. April 2018 wurde Prim. Univ.-Prof. Dr. Kurt Redlich in feierlichem Rahmen offiziell in sein Amt als Vorstand der 2. Medizinischen Abteilung – Zentrum für Diagnostik und Therapie rheumatischer Erkrankungen, KH Hietzing, eingeführt. Den Nachfolger von Univ.-Prof. Dr. Josef Smolen erwartet ein dualer Versorgungsauftrag als Rheumatologe und Internist. JATROS gratuliert herzlichst und bat Prof. Redlich zum Gespräch.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Herr Prof. Redlich, in die Fußstapfen einer großen Persönlichkeit zu treten ist eine besondere Herausforderung. Wollen Sie die Lehre, Wissenschaft und vor allem den Spirit von Prof. Smolen weitertragen?</strong><br /> <strong>K. Redlich:</strong> Mit der Größe der Fußstapfen haben Sie vollkommen recht. Ich denke, dass es seit der Implementierung der Rheumatologie als eigenes Fach in Österreich keine Persönlichkeit gegeben hat, die unser Fach dermaßen beeinflusst hat wie Prof. Smolen. Er war Präsident der ÖGR, der EULAR und im Vorstand des ACR, der größten amerikanischen Gesellschaft für Rheumatologie. Er ist mit den besten Köpfen in der Rheumatologie vernetzt und teilweise befreundet. Ich habe von Prof. Smolen eine Abteilung mit großer Tradition übernommen, denn hier wurden die ersten Biologika weltweit eingesetzt, nämlich TNF-Blocker. An dieser Abteilung wurde die Symbiose aus Behandlung, Lehre und wissenschaftlichem Interesse tatsächlich gelebt. Es ist mir ein großes Anliegen, das weiterzutragen. Zugegebenermaßen leben wir in einer Zeit sehr dynamischer Wandlungen, aber es ist ja immer jeder aufgefordert, Gutes zu erhalten und Besseres zu ermöglichen.</p> <p><strong>Was verdanken Sie Ihrem großen Lehrer und Mentor am meisten?</strong><br /> <strong>K. Redlich:</strong> Zwei Dinge: nicht nur den Glauben, sondern auch die Erkenntnis, dass vieles möglich ist, selbst wenn man aus einem kleinen Land kommt, sofern man bereit ist, global zu denken. Und auch das Bewusstsein, dass man vieles schaffen kann, wenn man sich anstrengt und bereit ist, Leistung zu erbringen.</p> <p><strong>Wie sehen Ihre kurz- und mittelfristigen Pläne aus? Gibt es schon langfristige Pläne?</strong><br /> <strong>K. Redlich:</strong> Wichtig ist für mich, von der Klinik kommend, ein möglichst rasches Einarbeiten in die neuen Strukturen, doch das erleichtern mir die Mitarbeiter und das Haus sehr. Mittelfristig wird es darum gehen, als Zentrum für Rheumatologie, angepasst an die modernen Gegebenheiten, Standards in Diagnostik und Therapie weiterzuentwickeln und diese auch zu implementieren. Auch organisatorisch sind wir durch den starken Versorgungsauftrag gefordert.<br /> Wir müssen den Versorgungsauftrag leben, Wienerinnen und Wiener mit entzündlich- rheumatischen Krankheiten nicht nur gut und effektiv, sondern vor allem auch effizient zu behandeln. Es wird für Abteilungsleiter nicht genügen, fachlich gut zu sein, sondern wir brauchen einen starken Fokus auf bestmögliche Organisation. Wir müssen und werden uns, in Zeiten von immer knapper werdenden Ressourcen, intensiv mit allen Kolleginnen und Kollegen, die Patienten mit rheumatischen Erkrankungen behandeln – Allgemeinmedizinern, Orthopäden, niedergelassenen Rheumatologen, die leider selten sind, Dermatologen, . . . –, nicht nur austauschen, sondern gemeinsame Behandlungsstrategien entwickeln. Das geht nur, wenn wir intensiv mit allen Beteiligten zusammenarbeiten und so eine hohe Durchlässigkeit der Systeme erreichen. Das geht nur durch einen offenen Dialog. Es muss klar definiert werden, was zum Beispiel der niedergelassene Bereich leisten kann, und was unser Zentrum einbringen kann. Dazu wird es bald Treffen mit Vertretern aus dem niedergelassenen Bereich geben. Primär geht es um den Allgemeinmediziner als zentrale Anlaufstelle für die Patienten.</p> <p><strong>Wollen Sie die bisherige Struktur der Abteilung beibehalten?</strong><br /> <strong>K. Redlich:</strong> Wir sind als Zentrum für Diagnostik und Therapie rheumatologischer Erkrankungen auf den rheumatologischen Formenkreis fokussiert. Wir haben unter anderem einen Kollagenose- Schwerpunkt, verantwortlich dafür ist OA Zimmermann gemeinsam mit OA Lindner, einen Vaskulitis-Schwerpunkt mit OA Porpaczy, für die axiale SpA und Psoriasisarthritis ist OÄ Jutta Stieger zuständig, und für die RA sind mein Stellvertreter OA Mierau und Dr. Reiter verantwortlich. Selbstverständlich bieten wir auf unserer Abteilung mit über 70 Betten neben dem rheumatologischen Schwerpunkt auch eine breite internistische Versorgung an und haben mit der Überwachungsstation, geleitet von OA Witzmann, das nötige „backup“ für Patientinnen und Patienten, die einer intensiveren Betreuung bedürfen, und haben in OA Weiler einen ausgewiesenen Spezialisten für die Ultraschalldiagnostik rheumatischer Erkrankungen. Die Rheumatologie ist dank der gut wirkenden modernen Therapien stärker zu einem ambulanten Fach geworden. Es gibt eine Tagesambulanz; klar ist allerdings, dass Patienten mit schweren systemischen rheumatischen Erkrankungen enorm von einem spezialisierten Zentrum profitieren. Diese Patientinnen und Patienten brauchen eine komplexe medizinische Betreuung und das ist nur durch ein interdisziplinäres Team aus Pflege, PsychologInnen, ErgotherapeutInnen und PhysiotherapeutInnen möglich.</p> <p><strong>Der primäre Auftrag einer Universitätsklinik ist die Wissenschaft und dann die Patientenversorgung. Empfinden Sie die tägliche Arbeit nun als komplett anders als auf der Uniklinik Wien?</strong><br /> <strong>K. Redlich:</strong> Nein, überhaupt nicht, denn es geht darum, für unsere Patienten etwas zu tun, in der Grundlagenwissenschaft, der angewandten Wissenschaft und in der Versorgung. Das, was man tut, sollte man gern und intensiv tun, man muss ein Ziel vor Augen haben und darf die Menschen nicht aus den Augen verlieren.</p> <p><strong>Sind klinische Prüfungen in dem Umfang wie auf der Uniklinik geplant?</strong><br /> <strong>K. Redlich:</strong> Ja, wir haben hier ein eigenes Studienzentrum unter der Leitung von OÄ Jutta Stieger. Das wollen wir weiter ausbauen. Die scheinbar unüberwindliche Trennung zwischen hier Universität Wien, die nur Wissenschaft macht, und da KAV-Spital, das den Versorgungsauftrag hat, ist nicht mehr zeitgemäß und stimmt so auch nicht. Die Universitätsklinik braucht Patienten und Daten, sie kann und soll aber naturgemäß nicht alle Patienten selber behandeln, und umgekehrt profitieren wir von den Erkenntnissen der Universität. Es muss zu einem stärkeren Austausch kommen, auch wissenschaftlich. Das ist in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung leichter und ich sehe es auch als meinen persönlichen Auftrag, hier einen Beitrag zu leisten. Gerade Wien hat hier ein unheimliches Potenzial und wird das auch nützen.</p> <p><strong>Wie wichtig ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Dermatologen, Orthopäden und Pädiatern? Mit welchen Häusern gibt es Kooperationen?</strong><br /> <strong>K. Redlich:</strong> Laut medizinischem Masterplan 2030 soll im Krankenhaus Hietzing ein Zentrum für Immunologie entstehen. Wir sind als Rheumatologen gewohnt, interdisziplinär zu denken. Sehnen- und Gelenksbeteiligung, Muskeln, Darm, Haut, Lunge, Herz, Augen – es gibt kein Organ, das nicht von rheumatologischen Erkrankungen betroffen sein kann. Wir brauchen daher eine enge Kooperation mit anderen Fachgruppen, die ich hier im Krankenhaus Hietzing in außerordentlicher Form finde. Eine orthopädische Kooperation existiert mit Prim. Peter Zenz vom Otto-Wagner-Spital. Extern gibt es Kooperationen mit dem Wilhelminenspital und der Uniklinik Wien.</p> <p><strong>Laut dem ÖSG soll die Rheumatologie in Wien auf wenige Standorte beschränkt werden. Bereitet Ihnen das Sorgen?</strong><br /> <strong>K. Redlich:</strong> Nein, gar nicht, ganz im Gegenteil. Die Kompetenzen werden in einigen wenigen Häusern gebündelt werden. Geplant ist eine Regionalisierung, die drei Regionen umfasst, im Westen sind das wir und Kollege Fasching, im Süden Kollege Erlacher, und die Region NO ist noch unklar; diese Häuser sollen den rheumatologischen Versorgungsauftrag übernehmen. Die Frage wird sich stellen, wie man die Versorgung in der Region NO sicherstellen wird. Wir sind eingebettet in ein dichtes Netz von niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen und wir fühlen uns einer wohnortnahen Versorgung verpflichtet.</p> <p><strong>Wenn Sie sich nochmals entscheiden könnten: Würden Sie wieder Rheumatologe werden?</strong><br /> <strong>K. Redlich:</strong> Ja, sofort wieder! Ich kenne wenige Fächer, die so klinisch sind, wo es so sehr darauf ankommt, sich mit dem Menschen zu beschäftigen. Etwas übertrieben gesagt, braucht man oft wenig oder gar keine Zusatzbefunde wie Labor oder Bildgebung, sondern kann sich durch eine sorgfältige Anamnese und genaue klinische Untersuchung der Diagnose zumindest schon sehr gut annähern.</p> <p><br /><strong><em>Vielen Dank für das Gespräch!</em></strong></p></p>
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