Enthesitis und Daktylitis als Symptome der Spondyloarthritis
Bericht:
Dr. Bettina Janits, BA
Bereits zum zweiten Mal fand die neue Online-Fortbildungsreihe der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie & Rehabilitation „ÖGR goes SQUARE!“ statt. Der Arbeitskreis „Spondyloarthritis“ präsentierte an diesem Abend einen Überblick über das Auftreten, die Diagnosestellung sowie die Therapieoptionen von Enthesitiden und Daktylitiden im Rahmen einer Spondyloarthritis.
Enthesen sind anatomische Strukturen an mechanisch belasteten Stellen mit spezifischer histologischer Struktur. Die fibröse Enthesis tritt an Meta- und Diapyhsen auf, die für die Rheumatologie interessante fibrokartilaginäre Enthesis bevorzugt an den Apo- und Epiphysen. Letztere zeigt einen charakteristischen, vierzonigen Aufbau aus kollagenem Bindegewebe, nicht kalzifiziertem Faserknorpel, kalzifiziertem Faserknorpel und Knochen.1,2 „Fibrokartilaginäre Enthesitiden sind Kardinalsymptome der Spondyloarthritis. Die charakteristische Prädilektionsstelle ist die Achillessehne“, erläutert Priv.-Doz. Dr. Josef Hermann von der Klinischen Abteilung für Rheumatologie und Immunologie an der Medizinischen Universität Graz. Die Spezifität beträgt allerdings lediglich 78%.3 Bereits 1971 wurde der Begriff der Enthesitis bei der ankylosierenden Spondylitis erwähnt, aber erst in den 2000er-Jahren gewann er pathophysiologisch für die gesamte Gruppe der Spondyloarthritiden (SpA) an Bedeutung.4
Mechanischer Stress gilt als möglicher Auslöser einer Enthesitis. „Ich bin skeptisch, ob mechanischer Stress alleine eine Enthesitis im Rahmen einer SpA auslösen kann – bei vorhandener Prädisposition kann dieser allerdings sicherlich einen Trigger darstellen“, so Doz. Dr. Hermann. Weitere auslösende Faktoren können genetische Veränderungen, Mikroorganismen, immunologische Kreuzreaktionen mit Proteoglykan-Molekülanteilen (z.B. Aggrecan), BMP-2- und BMP-6- sowie IL-23-Expression im Gewebe sein.5,6 Zumindest im Tiermodell kommt es pathophysiologisch bei spondyloarthritischen Enthesitiden durch Freisetzung von IL-23 zur Aktivierung ortsständiger T-Lymphozyten, die die Sekretion von Zytokinen, wie IL-17, TNF und IL-22, induzieren, was in weiterer Folge zu den typischen Symptomen Erosionen, Entzündungen und Knochenneubildung führt.7
„Die Diagnosestellung einer Enthesitis ist nicht schwierig. Die große Schwierigkeit besteht vielmehr darin, festzustellen, ob die diagnostizierte Enthesitis SpA-assoziiert ist“, führt Doz. Dr. Hermann weiter aus. Eine Enthesitis ist durch einen entzündlichen Schmerz mit Ruhe- und Dauerschmerz gekennzeichnet, der durch Muskelprovokationstests verstärkt werden kann. Sonografische und MR-tomografische Zeichen der Enthesitis sind nicht spezifisch für die SpA, so Doz. Dr. Hermann. In der Ultraschalldiagnostik scheint lediglich das Auftreten einer Erosion mit einer SpA assoziiert zu sein.8–10 Im MRT kann ein Knochenmarksödem einen Hinweis auf eine Enthesitis liefern, es ist allerdings kein spezifisches Zeichen einer spondyloarthritischen Enthesitis.10,11 Über 270 Enthesitisstellen wurden identifiziert, die Verteilung dieser kann mithilfe von Scores dokumentiert werden.12 „Am sinnvollsten für die quantitative Beurteilung der Enthesitiden im Rahmen einer axialen Spondyloarthritis erachte ich den MASES-Score, für die Psoriasisarthritis ist der SPARCC-Score wahrscheinlich am besten“, erläutert Doz. Dr. Hermann. Der häufigste Grund einer Enthesitis ist die mechanische Überlastung. Differenzialdiagnostisch kommen zusätzlich degenerative Prozesse sowie metabolische Erkrankungen infrage.13 Die medikamentöse Therapie von Enthesitiden im Rahmen einer SpA besteht zusätzlich zu NSAR und eventuell lokaler Glukokortikoidinjektion aus verschiedenen bDMARDs – neben TNF-Blockern sind das v.a. IL-17- und IL-23-Inhibitoren – und tsDMARDs (Apremilast und Tofacitinib), die nachweislich wirksam sind.14 Aufgrund der schmerzbedingten, reflektorischen Muskelverkürzung durch die Enthesitis eines Sehnenansatzes sollten parallel immer auch physikalische Therapiemaßnahmen zur Schmerzlinderung und Prävention von Funktionsverlusten angeboten werden, empfiehlt Doz. Dr. Hermann.
R. Husic (links) und J. Hermann (rechts) vom Arbeitskreis „Spondyloarthritis“ bei der virtuellen Fortbildung „ÖGR goes SQUARE!“
Daktylitis als wichtiges Diagnosekriterium bei SpA
„Die Daktylitis tritt bevorzugt an Stellen mit erhöhtem mechanischem Stress auf, rechts häufiger als links und betrifft meist die 4. Zehe“, beschreibt Dr. Rusmir Husic von der Klinischen Abteilung für Rheumatologie und Immunologie an der Medizinischen Universität Graz die charakteristische Manifestation von Daktylitiden. Im Akutstadium zeigen sich Rötung und Überwärmung, die chronische Daktylitis verläuft hingegen häufig asymptomatisch. Für Patienten mit SpA beträgt die Inzidenz etwa 14%, für Patienten mit Psoriasisarthritis (PsA) liegt sie bei 50%.15 Aufgrund der hohen Rezidivneigung sind eine optimale medikamentöse Therapie und die engmaschige Kontrolle der Daktylitis essenziell. Die Diagnose ist einfach – klinisch zeigt sich eine diffuse Schwellung ganzer Finger oder Zehen bzw. zwischen zwei Gelenksebenen. Die Daktylitis manifestiert sich bei fast allen SpA und stellt oft ein entscheidendes Diagnosekriterium dar – das Vorliegen einer Daktylitis kann bei positivem HLA-B27-Status einen initial hohen Verdacht auf eine axiale Spondyloarthritis bestätigen und auch in den CASPAR-Kriterien zur Diagnose der PsA ist die Daktylitis ein entscheidendes Nebenkriterium.16,17
„Bei der sonografischen Abklärung der Daktylitis zeigt sich bei fast 95% der Patienten eine Tendinitis der Finger- oder Zehenflexoren und bei etwa 40% eine Synovitis in mindestens einem Gelenk. Zusätzlich findet sich bei bis zu 80% eine diffuse Schwellung der Subkutis um die Sehne herum“, fasst Dr. Husic die sonografischen Zeichen zusammen.18 Vergangenes Jahr wurde der sogenannte DACTOS-Score zur sonografischen Beurteilung der Daktylitis publiziert, der die Parameter Weichteilschwellung, Flexortendinitis, Synovitis und Perisynovitis untersucht.19 Die Daktylitis kann demnach in drei Phasen unterteilt werden. „In der frühen Phase zeigen sich eine Tendosynovitis und eine diffuse Weichteilschwellung, in der intermediären Phase kommt es zu einer Gelenkmitbeteiligung und in der späten Phase dominiert die synoviale Hypertrophie“, erläutert Dr. Husic.18 „Mittels MRT kann zusätzlich relativ oft auch eine Osteitis dargestellt werden“, ergänzt der Rheumatologe.20
Die häufigste Differenzialdiagnose ist die Arthritis urica, aber auch eine Osteomyelitis, Knochensarkoidose, Tuberkulose sowie eine Infektion mit Mycobacterium marinum müssen abgegrenzt werden. Pathophysiologisch wird ein enger Zusammenhang zwischen der Enthesitis und Daktylitis angenommen.21,22 Laterale Bänder, die der Stabilisierung von Zehen und Fingern dienen, haben eine ähnliche zelluläre Zusammensetzung wie andere Enthesen. „Daher sehen wir in diesen Ansatzbereichen osteoproliferative Prozesse“, erklärt Dr. Husic.
Die lokale Infiltration mit Cortison stellt auch für die Daktylitis eine Therapieoption dar. „Da die Flexorsehne sehr dünn ist, sollte die Cortisoninfiltration bevorzugt ultraschallgezielt erfolgen, um eine Sehnenruptur zu vermeiden“, betont Dr. Husic. Die Wirkung hält gemäß seiner Erfahrung mindestens drei Monate an. Eine Studie von Girolimetto et al. konnte bestätigen, dass eine lokale Cortisoninfiltration die Schmerzsymptomatik, lokale Schwellung, Funktion sowie den Leeds- Dactylitis-Instrument(LDI)-Basic-Score im Vergleich zur systemischen NSAR-Therapie signifikant verbessert.23 MTX bringt bei Patienten mit PsA im Frühstadium einen Benefit: Bei rund 60% der Patienten verschwanden die Daktylitissymptome und der LDI-Basic-Score sank um 59,7.24 Alle bisher zur Therapie der SpA und PsA zugelassenen Biologika, Januskinaseinhibitoren und Apremilast sind laut Zulassungsstudien bei der Behandlung der Daktylitis wirksam.22 Allerdings fehlen direkte Vergleichsstudien und die Daktylitis wurde jeweils nur als sekundärer Outcomeparameter untersucht, schließt Dr. Husic ab.
Quelle:
Virtuelles Webinar „ÖGR goes SQUARE!“, 5. Oktober 2021
Literatur:
1 Benjamin M, McGonagle D: J Anat 2001; 199(Pt 5): 503-26 2 McGonagle D et al.: Arthritis Rheum 2007; 56(8): 2482-91 3 Sieper J et al.: Ann Rheum Dis 2009; 68(6): 784-8 4 Ball J: Ann Rheum Dis 1971; 30(3): 213-23 5 Rudwaleit M et al.: Arthritis Rheum 2009; 60(3): 717-27 6 Pittam B et al.: Rheumatology (Oxford) 2020; 59(9): 2199-206 7 Kehl AS et al.: Arthritis Rheumatol 2016; 68(2): 312-22 8 Feydy A et al.: Ann Rheum Dis 2012; 71(4): 498-503 9 Tom S et al: J Rheumatol 2019; 46(4): 384-90 10 Baraliakos X et al.: RMD Open 2017; 3(2): e000541 11 Matthew AJ et al.: J Rheumatol 2019; 46(9): 1232-8 12 Mease PJ et al.: J Rheumatol 2017; 44(5): 599-608 13 Mandl P et al.: Ann Rheum Dis 2012; 71(4): 477-9 14 Koppikar S, Eder L: Curr Opin Rheumatol 2020; 32(4): 380-6 15 Brockbank JE et al.: Ann Rheum Dis 2005; 64(2): 188-90 16 Rudwaleit M et al.: Ann Rheum Dis 2011; 70(1): 25-31 17 Taylor W et al.: Arthritis Rheum 2006; 54(8): 2665-73 18 Girolimetto N et al.: J Clin Med 2021; 10(12): 2604 19 Zabotti A et al.: Ann Rheum Dis 2020; 79(8): 1037-43 20 Healy PJ et al.: Rheumatology (Oxford) 2008; 47(1): 92-5 21 Schett G et al.: Enthesitis: from pathophysiology to treatment. Nat Rev Rheumatol 2017; 13(12): 731-41 22 McGonagle D et al.: Pathophysiology, assessment and treatment of psoriatic dactylitis. Nat Rev Rheumatol 2019; 15(2): 113-22 23 Girolimetto N et al.: Clin Rheumatol 2020; 39(11): 3383-92 24 Coates LC, Hellliwell PS: J Rheumatol 2016; 43(2): 356-61
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