Intravesikale BCG-Applikation: Induktion angeborener Immunreaktionen gegen SARS-CoV-2
Autor*innen:
Ass.Prof. Priv.-Doz. Dr. Renate Pichler, PhD, FEBU1
Ass.Prof. Priv.-Doz. Dr. Wilfried Posch2
1Universitätsklinik für Urologie, Medizinische Universität Innsbruck
2Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie, Medizinische Universität Innsbruck
E-Mail: renate.pichler@i-med.ac.at
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BCG (BacillusCalmette-Guérin), ein aus Mycobacterium bovisentwickeltes abgeschwächtvirulentes Bakterium, welches Bestandteil des Lebendimpfstoffes gegen Tuberkulose ist, unterstützt das Immunsystem, Krebszellen im Urothel zu zerstören. Eine multizentrische Studie untersuchte, inwieweit regelmäßige intravesikale BCG-Instillationen bei Patienten mit nichtmuskelinvasivem Blasenkarzinom eine angeborene Immunität gegen SARS-CoV-2 hervorrufen können.
Keypoints
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Folge der Covid-19-Pandemie war die klinische Adaption von BCG-Anwendungen bei Blasenkrebs.
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BCG ist der wichtigste Stimulus zur Steigerung einer „trained immunity“, die zu einer erhöhten Resistenz gegen Virusinfektionen der Atemwege führt.
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Wiederholte intravesikale BCG-Instillationen bei Blasenkrebspatienten lösen durch „trained immunity“ eine angeborene Immunreaktion gegen SARS-CoV-2 aus.
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Die Daten sprechen für eine vollständige Durchführung der BCG-Instillationen unabhängig von der Covid-19-Pandemie.
Das BCG(Bacillus-Calmette-Guérin)-Maintenance-Schema wurde während der Covid-19-Pandemie laut EAU-Empfehlungen im Sinne einer Reduzierung signifikant angepasst. Die klassische BCG-Impfung kann die angeborene Immunantwort über den Mechanismus der sogenannten „trained immunity“ verstärken, was bekannterweise zu einer erhöhten Resistenz gegen Virusinfektionen der Atemwege führt. Ob jedoch die BCG-Impfung auch einen protektiven Schutz gegen Covid-19-Infektionen bietet, wird derzeit in verschiedenen randomisierten Studien geprüft (NCT04384549, NCT04659941, NCT04461379).
BCG-Instillation bei nichtmuskelinvasivem Blasenkarzinom
Das Ziel dieser Multicenterstudie war es, erstmalig als Premiere zu prüfen, ob auch die topische/intravesikale Anwendung von BCG bei Patienten mit nichtmuskelinvasivem Blasenkarzinom (NMIBC) möglicherweise eine erhöhte Immunität gegen SARS-CoV-2 auslöst.
Für die Analysen haben wir dynamische Serumproben und periphere mononukleäre Blutzellen (PBMCs) aus heparinisierten Vollblutproben von ungeimpften SARS-CoV-2-naiven Hochrisiko-NMIBC-Patienten (vor und während BCG) verwendet, welche in einer Prä-Covid-19-Ära (2014–2015) gesammelt wurden. Die Patienten unterzogen sich einer 6-wöchigen intravesikalen BCG-Induktion, gefolgt von 3-wöchentlichen Erhaltungsbehandlungen über einen Zeitraum von bis zu 36 Monaten. Die Seren wurden auf das Vorhandensein von SARS-CoV-2-neutralisierenden Antikörpern untersucht. Unter Verwendung eines SARS-CoV-2-Peptidpools wurden die virusspezifischen T-Zellen mittels IFN-gamma- ELISpot-Assay quantifiziert. Nach einer 24-stündigen Stimulation von PBMCs mit BCG oder SARS-CoV-2-Wildtyp wurden die mRNA- und Proteinexpressionsniveaus von pro- und antiinflammatorischen Zytokinen analysiert. ATAC-Sequenzierungsanalysen wurden durchgeführt, um eine mögliche epigenetische Reprogrammierung in den Immunzellen zu identifizieren.
Ergebnisse
Es konnten weder SARS-CoV-2-neutralisierende Antikörper noch SARS-CoV-2-reaktive T-Zellen nachgewiesen werden, was eindeutig darauf hinweist, dass intravesikal appliziertes BCG keine adaptive Immunität gegen SARS-CoV-2 induziert. Im Gegensatz dazu konnte nach bereits vier intravesikalen BCG-Instillationen ein signifikanter Anstieg der mRNA- sowie der Proteinexpression von IL-1β, IL-6 und TNF-α, welche die wichtigsten Zytokine der „trained immunity“ sind, beobachtet werden. Genomische Regionen in der Nähe von „Trained immunity“-Genen (TLR2, IGF1R, AKT1, MTOR, MAPK14, HSP90AA1) waren während der BCG-Induktion im Vergleich zu Baseline besser zugänglich.
Fazit
Zusammenfassend stellen wir hier als Premiere die ersten Ergebnisse vor, die zeigen, dass wiederholte topische BCG-Instillationen bei NMIBC-Patienten auch eine angeborene Immunreaktion gegen SARS-CoV-2 über „Trained immunity“-Mechanismen induzieren (Abb. 1). Die erhöhte „Fitness“ des angeborenen Immunsystems, die durch wiederholte BCG-Verabreichungen hervorgerufen wird, könnte im Zusammenhang mit verschiedenen therapeutischen und präventiven Strategien in der Onkologie von essenzieller Bedeutung sein. Angesichts der schützenden Wirkung durch intravesikale BCG-Instillationen gegen SARS-CoV-2 sollte die stadiengerechte BCG-Therapie beim NMIBC unabhängig von der Covid-19-Pandemie immer vollständig durchgeführt werden.
Abb. 1: BCG-induzierte „trained immunity“
Literatur:
• Netea MG et al.: Trained immunity: a tool for reducing susceptibility to and the severity of SARS-CoV-2 infection. Cell 2020; 181(5): 969-77 • O’Neill LAJ, Netea MG: BCG-induced trained immunity: Can it offer protection against Covid-19? Nat Rev Immunol 2020; 20(6): 335-7 • Pichler R et al.: Immune responses against SARS-CoV-2 wildtype in unvaccinated patients with high-risk NMIBC undergoing intravesical BCG therapy. Eur Urol 2023; 83: 608-9 • Ribal MJ et al.: European Association of Urology Guidelines Office Rapid Reaction Group: An Organisation-wide Collaborative Effort to Adapt the European Association of Urology Guidelines Recommendations to the Coronavirus Disease 2019. Era Eur Urol 2020; 78(1): 21-8
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