© Getty Images/iStockphoto

Metformin als Therapie des Gestationsdiabetes

<p class="article-intro">Frauen, die einen Schwangerschaftsdiabetes entwickeln, und deren Kinder haben ein beträchtliches Risiko, im späteren Leben einen Typ-2-Diabetes und die damit verbundenen kardiovaskulären Langzeitkomplikationen zu entwickeln. Metformin – als orale Therapiealternative zu Insulin – wird zunehmend in der Schwangerschaft angewendet und wurde bereits in verschiedene internationale Leitlinien implementiert.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die H&auml;ufigkeit von Schwangerschaftsdiabetes steigt weltweit rapide parallel zur Zunahme der Pr&auml;valenz von &Uuml;bergewicht und Typ-2-Diabetes. Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes und deren Neugeborene haben ein deutlich erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r Schwangerschafts- bzw. Geburtskomplikationen sowie f&uuml;r Langzeitmorbidit&auml;t im Sinne der Entwicklung eines manifesten Diabetes mellitus bzw. kardiovaskul&auml;rer Folgeerkrankungen.</li> <li>Metformin f&ouml;rdert die Insulinsensitivit&auml;t von Leber und Muskeln, hemmt die hepatische Glukoneogenese sowie die intestinale Glukoseresorption. Es ist plazentag&auml;ngig, jedoch wurde bisher in keiner Studie ein negativer Effekt auf Entwicklung oder Wachstum des Feten beschrieben.</li> <li>Metformin stellt eine gleichwertige, kosteneffektive und sichere Alternative zur Therapie mit Insulin dar und bietet zudem Vorteile bzgl. Anwendbarkeit und Patientinnenzufriedenheit, wenngleich Langzeitdaten bisher nur limitiert vorliegen.</li> </ul> Das Screening auf Schwangerschaftsdiabetes mittels oralen Glukosetoleranztests (oGTT) ist im &ouml;sterreichischen Mutter- Kind-Pass (zwischen der 25. und der 28. Schwangerschaftswoche) verankert und erm&ouml;glicht es, Frauen mit gest&ouml;rtem Glukosestoffwechsel rechtzeitig zu erkennen. Dies kann nun entweder eine vorbestehende, in der Schwangerschaft erstmals diagnostizierte Glukosetoleranzst&ouml;rung bzw. ein manifester Diabetes mellitus oder ein schwangerschaftsassoziierter, also ein Gestationsdiabetes (GDM) sein.<br /> Die diagnostischen Grenzwerte des oGTT beruhen auf internationaler Konsensusbildung durch Experten (International Association of Diabetes and Pregnancy Study Group [IADPSG], 2010), sodass mittlerweile weltweit &uuml;berwiegend einheitliche Diagnosekriterien gelten. Die H&auml;ufigkeit des GDM international betr&auml;gt zwischen 9 und 20 % . <h2>&Auml;tiologie</h2> W&auml;hrend der Schwangerschaft entsteht physiologisch durch den Einfluss antiinsulin&auml;r wirkender Hormone der Plazenta eine zunehmende Insulinresistenz, welche sich nach der Entbindung wieder normalisiert. Kann dieser Prozess nicht ausreichend kompensiert werden, entwickelt sich ein Gestationsdiabetes. Zudem spielen bei der Genese des GDM auch immunologische Komponenten, im Sinne einer vermehrten Expression von Immunmarkern, die auch bei Diabetes mellitus Typ 1 auftreten, eine Rolle. <h2>Risiken und Komplikationen</h2> Ziel der Behandlung des GDM ist das Vermeiden von mitunter schweren perinatalen Komplikationen bei der Mutter und dem Kind. F&uuml;r das Kind sind dies Makrosomie, metabolische St&ouml;rungen wie neonatale Hyperinsulin&auml;mie, Hypoglyk&auml;mie und Hyperbilirubin&auml;mie sowie insbesondere die nachteilige fetale Stoffwechselprogrammierung mit sp&auml;terer Entwicklung von &Uuml;bergewicht und Diabetes bereits im Jugend- oder fr&uuml;hen Erwachsenenalter. Hinsichtlich der H&auml;ufigkeit neonataler Komplikationen besteht ein linearer Zusammenhang zu steigenden Bluzuckerwerten. Die akuten m&uuml;tterlichen Risiken sind erh&ouml;hte Anf&auml;lligkeit f&uuml;r Harnwegsinfektionen, vorzeitige Wehent&auml;tigkeit und somit Fr&uuml;hgeburtlichkeit, erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r Pr&auml;eklampsie und Geburtskomplikationen wie Kaiserschnittentbindung, vaginal-operative Entbindung bzw. Schulterdystokie und schwere Geburtsverletzungen. Potenzielle Langzeitfolgen f&uuml;r die Mutter sind erneutes Auftreten eines GDM in einer folgenden Schwangerschaft (50 % ) sowie Manifestation eines Typ-2-Diabetes und kardiovaskul&auml;re Erkrankungen 10 Jahre post partum (40&ndash;50 % ).<br /> Ein unbehandelter GDM kann zum intrauterinen Fruchttod f&uuml;hren; in 28 % der pr&auml;natalen Todesf&auml;lle muss ein unerkannter GDM als Todesursache angenommen werden. Zahlreiche Studien belegen, dass Komplikationen durch rechtzeitige und optimierte Therapie vermieden werden k&ouml;nnen. <h2>Therapieoptionen</h2> <strong>Lifestyle-Modifikation</strong><br /> Die prim&auml;re Intervention nach Diagnosestellung besteht aus Ma&szlig;nahmen der Lebensstilmodifikation, i.e. Diabetesdi&auml;t und ma&szlig;voller, schwangerschaftsadaptierter regelm&auml;&szlig;iger Bewegung. Kann damit das Behandlungsziel nicht erreicht werden, ist eine pharmakologische Therapie indiziert.<br /><br /> <strong>Pharmakologische Therapie: Insulin oder/und Metformin</strong><br /> Insulin galt &uuml;ber Jahrzehnte als Standardtherapeutikum beim Schwangerschaftsdiabetes. Das Biguanidpr&auml;parat Metformin ist ein orales Antidiabetikum und wird zunehmend im klinischen Alltag eingesetzt. Es f&ouml;rdert die Insulinsensitivit&auml;t von Leber und Muskeln, hemmt die hepatische Glukoneogenese sowie die intestinale Glukoseresorption und gilt als Mittel erster Wahl bei der Behandlung des Typ-2-Diabetes.<br /> 2016 ist Metformin erstmalig als First- Line-Medikation zur Therapie des GDM in die Leitlinie des National Institute for Health and Care Excellence eingegangen (NICE, 2016). Dahingegen &auml;u&szlig;ert sich das American College of Obstetricians and Gynecologists zur&uuml;ckhaltender und empfiehlt Metformin als Medikament der 2. Wahl bzw. jenen Patientinnen, die eine Insulintherapie ablehnen oder die zur sicheren Anwendung von Insulin nicht in der Lage sind (ACOG, 2017).<br /> Bei Patientinnen mit polyzystischem Ovarsyndrom, die Metformin im Rahmen der Kinderwunschbehandlung zur Fertilit&auml;tsverbesserung erhalten haben, soll diese Therapie in der Schwangerschaft weitergef&uuml;hrt werden.<br /> Einige Studien zeigten, dass ca. 15-20 % der Gestationsdiabetikerinnen Insulin zus&auml;tzlich zur Therapie mit Metformin ben&ouml;tigen. <h2>Nebenwirkungen und Kontraindikationen</h2> Das Spektrum der Kontraindikationen ist schmal, erw&auml;hnenswert sind eine eingeschr&auml;nkte Nierenfunktion (Laktatazidose) sowie schwere Leberfunktionsst&ouml;rungen (z.B. HELLP-Syndrom). Im Allgemeinen sind keine schweren Nebenwirkungen zu erwarten, bei ca. 10 % wurden gastrointestinale Beschwerden verzeichnet.<br /> Dar&uuml;ber hinaus ist die Anwendung in der Stillzeit m&ouml;glich. <h2>Metformin: Vor- und Nachteile</h2> Nach wie vor handelt es sich in &Ouml;sterreich bei der Anwendung von Metformin um eine sogenannte &bdquo;Off-label&ldquo;-Verordnung, &uuml;ber die die Patientin gesondert aufgekl&auml;rt werden muss.<br /> Metformin ist plazentag&auml;ngig, bisher wurden jedoch keine negativen Auswirkungen auf die fetale Entwicklung und das fetale Wachstum beschrieben. Im Gegenteil: Die bisher gr&ouml;&szlig;te Studie &uuml;ber das Langzeitoutcome bei Kindern beschreibt eine g&uuml;nstigere Fettverteilung zugunsten des subkutanen Fettanteils, welcher eine positive Pr&auml;disposition bzgl. des Risikos f&uuml;r die Entwicklung einer Insulinresistenz im weiteren Leben haben k&ouml;nnte.<br /> Metformin bietet im Vergleich zu Insulin durch die orale Verabreichung, die ambulante Therapieeinstellung und das Ausbleiben von m&ouml;glichen Hypoglyk&auml;mien sowie einer ausgepr&auml;gten Gewichtszunahme ein vielversprechendes Profil bzgl. der Patientinnenzufriedenheit und damit der Therapiecompliance.<br /> Weitere Studien zur Evaluierung der Wirksamkeit, der Anwendungssicherheit und insbesondere zum Langzeitoutcome sind noch ausst&auml;ndig.<br /> Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass gem&auml;&szlig; der Empfehlung der &Ouml;sterreichischen Gesellschaft f&uuml;r Gyn&auml;kologie und Geburtshilfe (&Ouml;GGG) und anderer internationaler Fachgesellschaften derzeit unter Ber&uuml;cksichtigung der Kontraindikationen und nach entsprechender Aufkl&auml;rung der Patientin kein Einwand gegen den Einsatz von Metformin in der Schwangerschaft besteht.</div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei der Verfasserin</p> </div> </p>
Back to top