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Gastroenteritis – ein Überblick

<p class="article-intro">Jeder hatte schon eine, jeder wird wieder einmal eine bekommen und trotzdem weiß man relativ wenig über dieses heterogene Krankheitsbild, über das es unter diesem Namen keine relevante Literatur gibt. Unter „akuter Diarrhoe” wird man eher fündig. Der Versuch eines Überblicks.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Was ist eine &bdquo;Gastroenteritis&ldquo;?</h2> <p>Der Begriff bezeichnet keine einzelne Erkrankung, sondern ist ein eher undefinierter Oberbegriff f&uuml;r akute Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes. Auch die Symptome sind nicht einheitlich definiert, jedoch werden Durchfall und/oder Erbrechen als Hauptsymptom(e) allgemein anerkannt. Weitere Symptome k&ouml;nnen unter anderem &Uuml;belkeit, Bauchschmerzen und Fieber sein. Umgangssprachlich wird die Gastroenteritis auch &bdquo;Magen-Darm-Grippe&ldquo; (obwohl die Erkrankung nichts mit der echten Grippe zu tun hat) oder &bdquo;Brechdurchfall&ldquo; genannt.</p> <h2>Epidemiologie</h2> <p>Bez&uuml;glich H&auml;ufigkeit, Schwere der Erkrankung, Ursache und Sterblichkeit gibt es neben der Situation in &Ouml;sterreich eine &bdquo;Parallelwelt&ldquo; in weniger entwickelten L&auml;ndern. Weltweit sterben ca. 0,5 Mio. Kinder daran. Die Erkrankung ist somit f&uuml;r 11&ndash;15 % aller Todesf&auml;lle im Kindesalter verantwortlich. In &Ouml;sterreich ist die Kindersterblichkeit durch Gastroenteritis nahezu 0 % . In manchen Regionen der Welt erkranken Kinder sechs- bis achtmal pro Jahr, in &Ouml;sterreich circa ein- bis zweimal. 20 % der &Ouml;sterreicher erkranken jedes Jahr zumindest einmal an einer Gastroenteritis, weltweit sind es 50 % der Bev&ouml;lkerung.<br /> In Entwicklungsl&auml;ndern k&ouml;nnen die Morbidit&auml;t und die Mortalit&auml;t bei Kindern drastisch durch orale Rehydratationsl&ouml;sungen (bei unterern&auml;hrten Kindern unter 5 Jahren mit Zinkzusatz), Impfungen gegen Rotaviren und Trinkwasserhygiene gesenkt werden. Die Todesf&auml;lle konnten in den letzten 30 Jahren weltweit durch massive Bem&uuml;hungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) um zwei Drittel gesenkt werden. Betrachtet man diese dramatischen Zahlen und die Zahlen aus &Ouml;sterreich, wird deutlich, dass Gastroenteritis nicht gleich Gastroenteritis und &Ouml;sterreich wie so oft eine Insel der Seligen ist.<br /> Es kann davon ausgegangen werden, dass 90 % aller Patienten mit Symptomen einer Gastroenteritis keinen Arzt aufsuchen. Somit wissen wir gar nicht, woran diese Patienten erkrankt sind. Ein Gro&szlig;teil der verbleibenden 10 % , die einen Arzt aufsuchen, erh&auml;lt und ben&ouml;tigt auch keine weitere Diagnostik und wird daher symptomatisch behandelt. Somit bleibt nur noch ein kleiner Anteil an Patienten &uuml;brig (sch&auml;tzungsweise unter 5 % ), bei dem der Ursache auf den Grund gegangen wird. Auch hier gelingt wieder nur in einem Teil eine klare Diagnose oder ein Erregernachweis, sodass unsere Kenntnisse &uuml;ber Gastroenteritis nur auf einem kleinen Patientenkollektiv beruhen.</p> <h2>Ursachen</h2> <p>In ca. 90 % der F&auml;lle ist eine Infektion die Ursache der Gastroenteritis (Viren, Bakterien, Parasiten), wobei die Mehrzahl der F&auml;lle viral bedingt ist. Noroviren und Rotaviren geh&ouml;ren zu den prominentesten Erregern. Am h&auml;ufigsten sind Kinder betroffen. Auf die Sinnhaftigkeit der kostenlosen Rotavirusimpfung muss in diesem Zusammenhang hingewiesen werden. Zu den nicht infekti&ouml;sen Ursachen geh&ouml;ren unter anderem medikament&ouml;se und toxische Ursachen. Auch akute Sch&uuml;be bzw. Erstmanifestationen einer chronisch-entz&uuml;ndlichen Darmerkrankung k&ouml;nnen als Gastroenteritis imponieren.</p> <h2>Differenzialdiagnose</h2> <p>Im Rahmen der Abkl&auml;rung unterscheidet man anhand der Anamnese grob zwischen entz&uuml;ndlich und nicht entz&uuml;ndlich anhand der Anamnese (Tab. 1). Bei wahrscheinlich infekti&ouml;ser Ursache wird entschieden, ob eine weiterf&uuml;hrende Diagnostik oder gar Therapie n&ouml;tig ist. Die Abkl&auml;rung ist in Abbildung 1 dargestellt. Eine &Uuml;bersicht &uuml;ber m&ouml;gliche Ursachen der Beschwerden auf Basis der Anamnese ist in Tabelle 2 dargestellt.<br /> Das Risiko, in &Ouml;sterreich an einer Gastroenteritis zu erkranken, h&auml;ngt von mehreren Faktoren ab. Selbstverst&auml;ndlich kann jeder erkranken, jedoch erkranken am h&auml;ufigsten Kinder, &auml;ltere Menschen, Patienten mit vorbestehenden gastrointestinalen Erkrankungen (z.B. chronischentz&uuml;ndlichen Darmerkrankungen), sonstige chronisch Kranke (z.B. Diabetiker), Patienten mit gewisser Medikation (Antibiotika, Protonenpumpenhemmer etc.), Reisende sowie Menschen, die in Kinderbetreuungseinrichtungen, Spit&auml;lern oder Pflegeheimen arbeiten.<br /> Wenn die Entscheidung f&uuml;r weiterf&uuml;hrende Diagnostik bei Gastroenteritis getroffen wird, dann sollte eine Blutabnahme durchgef&uuml;hrt (BB, CRP, Leberwerte, Nierenwerte, Elektrolyte) sowie bei vermuteter infekti&ouml;ser Ursache eine Stuhlkultur abgenommen werden (Tab. 3). Bei schwereren Verl&auml;ufen kann eine Sonografie des Abdomens sinnvoll sein. In jedem Fall sollen eine klinische Untersuchung inkl. vollst&auml;ndiger abdomineller Palpation und Auskultation sowie eine rektale Untersuchung erfolgen. In der Akutphase besteht fast nie eine Indikation zur Endoskopie oder zur Schnittbilddiagnostik (beide Untersuchungen sollten nur in klar begr&uuml;ndeten F&auml;llen bei hospitalisierten Patienten erfolgen). Eine Endoskopie kurz nach einer rezenten Gastroenteritis ist ebenso nicht sinnvoll, da hier noch Residuen der Entz&uuml;ndung nachweisbar sein k&ouml;nnen, deren Ergebnis dann schwierig zu interpretieren ist.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1709_Weblinks_s23_tab1.jpg" alt="" width="1417" height="669" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1709_Weblinks_s23_abb1_2.jpg" alt="" width="2150" height="877" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1709_Weblinks_s23_tab2.jpg" alt="" width="1417" height="1177" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1709_Weblinks_s23_tab3.jpg" alt="" width="1417" height="629" /></p> <h2>Therapieempfehlungen</h2> <p>Prim&auml;res Ziel der Therapie ist der Ausgleich des Fl&uuml;ssigkeitshaushaltes. Wenn abwarten und Tee trinken zu wenig ist, dann empfiehlt sich eine orale Rehydratationsl&ouml;sung, die selbst hergestellt werden kann (Tab. 4).<br /> Loperamid sollte nicht eingenommen werden, eventuell kann es bei Reisediarrhoe versucht werden. Bei Fieber darf es nicht eingenommen werden. F&uuml;r Probiotika gibt es wenig bis keine Evidenz. Antibiotika sollten nur in Ausnahmef&auml;llen (z.B. auf Reisen oder bei schwerer Erkrankung) empirisch zum Einsatz kommen.<br /> Wenn ein Erreger in der Stuhlkultur nachgewiesen wurde, dann muss gepr&uuml;ft werden, ob es sich um eine meldepflichtige Erkrankung handelt. Ein Erregernachweis bedeutet nicht automatisch, dass eine antibiotische Therapie n&ouml;tig und sinnvoll ist. Die Art der Infektion, die Schwere der Erkrankung sowie Komorbidit&auml;ten und das Umfeld des Patienten m&uuml;ssen in die Therapieentscheidung einflie&szlig;en.<br /> Wenn die Beschwerden nach 2 Wochen nicht deutlich besser werden, sollte eine weitere Ursachensuche erfolgen. Sp&auml;testens 4 Wochen nach Erkrankungsbeginn ist eine akute Gastroenteritis vollst&auml;ndig ausgeheilt. Bei Weiterbestehen der Beschwerden spricht man dann bei Diarrhoe von &bdquo;chronischer Diarrhoe&ldquo;, welche nach dem Schema in Abbildung 2 abgekl&auml;rt werden kann. Neben dieser Symptomatik kann eine Gastroenteritis als Folge zu einer reaktiven Arthritis f&uuml;hren. Weiters kann eine Gastroenteritis der Ausl&ouml;ser f&uuml;r die Entwicklung eines Reizdarmsyndroms sein, sodass man bei klinischem Verdacht auf diese Erkrankung in der Anamnese immer nach einer vorhergegangenen Gastroenteritis fragen sollte.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1709_Weblinks_s23_tab4.jpg" alt="" width="1417" height="446" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Bei der Gastroenteritis handelt es sich um ein sehr inhomogenes Krankheitsbild, welches in unseren Breiten trotz der hohen Morbidit&auml;t fast immer ohne Therapie ausheilt. Meist liegt eine infekti&ouml;se Ursache zugrunde, die derzeit jedoch aufgrund des raschen Verlaufs der Erkrankung oft nicht diagnostiziert wird. In Zukunft werden raschere diagnostische Methoden (PCR-Analyse statt z.B. Bakterienkultur) verf&uuml;gbar sein, welche m&ouml;glicherweise zu einem Mehr an Erregerdiagnostik und zu einem besseren Gesamt&uuml;berblick &uuml;ber die Erkrankung f&uuml;hren werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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