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Ursachen und Behandlung von Bettnässen

<p class="article-intro">In Österreich leiden mindestens 60 000 Kinder unter dem Problem Bettnässen, es ist somit die zweithäufigste chronische Erkrankung im Kindesalter. Doch nicht einmal ein Drittel aller Betroffenen wird adäquat therapiert. Seelische Störungen sind viel zu oft die Folge.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Was versteht man unter Enuresis und wie hoch ist ihre Pr&auml;valenz?</strong><br /> <strong>E.R. Huber:</strong> Unter Bettn&auml;ssen bzw. Enuresis versteht man das Einn&auml;ssen im Schlaf in mindestens zwei N&auml;chten im Monat nach dem 5. Lebensjahr. Mehr als die H&auml;lfte der betroffenen Kinder zeigt auch Tagessymptome, die jedoch von den Eltern meistens unbemerkt bleiben.<br /> Bettn&auml;ssen kommt relativ h&auml;ufig vor, genaue Zahlen gibt es dazu allerdings nicht. Man geht davon aus, dass etwa 20 % der Kinder zwischen 5 und 15 Jahren gelegentlich einn&auml;ssen, zu Schulbeginn immerhin noch 7&ndash;10 % . Mit zunehmendem Alter sinkt die Pr&auml;valenz weiter und bei gesunden Erwachsenen findet man die echte Enuresis sehr selten (weniger als 1 % ).<sup>1</sup></p> <p><strong>Welches sind Ihrer Erfahrung zufolge die h&auml;ufigsten Ursachen f&uuml;r das Einn&auml;ssen?</strong><br /> <strong>E.R. Huber:</strong> Man unterscheidet zwischen prim&auml;rer und sekund&auml;rer Enuresis, bei der es nach einer bereits mehrere Monate dauernden, trockenen Phase zu erneutem n&auml;chtlichem Einn&auml;ssen kommt. Die prim&auml;re Enuresis macht allerdings 80 % des kindlichen Einn&auml;ssens aus. Der h&auml;ufigste Grund daf&uuml;r ist eine zu geringe Blasenkapazit&auml;t. Diese sollte bei Kindern bei 30ml multipliziert mit dem Lebensalter plus 30ml liegen. Bei einem 6-j&auml;hrigen Kind sollten somit 210ml in die Blase passen. Bei einem Kind, das bettn&auml;sst, liegt die durchschnittliche Kapazit&auml;t bei etwa 100/110ml. Das ist typisch f&uuml;r eine Unreife des Miktionsreflexes bzw. -zentrums im Gehirn. Wird in der Nacht mehr als ein Drittel, bei Kindern mehr als 22 % , des 24h-Harns produziert, spricht man von n&auml;chtlicher Polyurie. Diese kann durch einen Mangel an antidiuretischem Hormon (ADH) ausgel&ouml;st oder die Folge eines falschen Trinkverhaltens sein. Bei Erwachsenen ist die Enuresis h&auml;ufig mit einer Nykturie vergesellschaftet, und es kommt nur dann zum Einn&auml;ssen, wenn die Betroffenen tief schlafen.</p> <p><strong>Weshalb kommt es &uuml;berhaupt zum Einn&auml;ssen?</strong><br /> <strong>E.R. Huber:</strong> Normal wird in der Nacht gerade so viel Harn produziert, wie noch in die Blase passt. Beim Erwachsenen sind dies 300&ndash;400ml, bei Kindern ist die Menge abh&auml;ngig vom Alter. Erwachsene wachen f&uuml;r gew&ouml;hnlich auf, wenn die Blasenkapazit&auml;t erreicht ist (Nykturie). Schlafmittel, Alkohol oder bestimmte Erkrankungen k&ouml;nnen der Grund f&uuml;r n&auml;chtliches Einn&auml;ssen sein. Kinder haben einen tieferen Schlaf als Erwachsene, weshalb sie auch nicht aufwachen, wenn die Blasenkapazit&auml;t ausgereizt ist; deshalb kommt es h&auml;ufiger zum Einn&auml;ssen.</p> <p><strong>Welche Therapiem&ouml;glichkeiten w&uuml;rden Sie empfehlen?</strong><br /> <strong>E.R. Huber:</strong> Wenn jede Nacht das Bett nass ist, ist das nat&uuml;rlich auch eine Belastung f&uuml;r die ganze Familie. Deshalb rate ich zun&auml;chst zu einem Aufkl&auml;rungsgespr&auml;ch mit den Eltern, in dem man sie informiert und beruhigt. Ich empfehle dann immer die Anfertigung eines Blasentagebuchs (Abb. 1). Dieses erweist sich f&uuml;r die Diagnose als sehr hilfreich. Dabei wird &uuml;ber 2&ndash;3 Tage notiert, wann, wie viel und was getrunken und wann welche Menge uriniert wird. In der Nacht wird das Kind zweimal (nach 2h und nach 6h) geweckt, um zu urinieren. Die Menge wird wieder aufgezeichnet. Falls das Kind in der Nacht eingen&auml;sst hat, wird das Windelgewicht (trocken/nass) ebenfalls notiert.<br /> Handelt es sich um eine Unreife des Miktionsreflexes bzw. -zentrums im Gehirn, wird das bei allen Kindern von alleine gut. Es hilft au&szlig;erdem, die Trinkmengen am Abend zu reduzieren. Trinken wird zwar immer noch als &auml;u&szlig;erst positiv wahrgenommen, zu trinken, auch wenn man keinen Durst hat, ist allerdings nur bei einem Teil der Bev&ouml;lkerung sinnvoll, etwa bei alten Menschen, die ein gest&ouml;rtes Durstempfinden haben. Ein ADH-Mangel ist zwar die am wenigsten h&auml;ufige Ursache, aber Desmopressin ist das am h&auml;ufigsten verschriebene Medikament bei Enuresis. Bei der n&auml;chtlichen Polyurie, insbesondere bei hohen abendlichen Trinkmengen, sind diese Medikamente jedoch kontraindiziert und sogar gef&auml;hrlich. Es k&ouml;nnte sogar zu einem Lungen&ouml;dem kommen. Bei geringer Blasenkapazit&auml;t k&ouml;nnen Anticholinergika eine Verbesserung bringen. Insbesondere bringen alle Medikamente zur Therapie der Enuresis keine Heilung, sondern unterdr&uuml;cken nur die Symptome.<br /> Trinken die Kinder noch viel (200&ndash; 500ml) nach 18 Uhr, ist also ein Trinkfehlverhalten die Ursache des Einn&auml;ssens, dann ist die Gabe von Medikamenten immer kontraindiziert. Die Leitlinien empfehlen au&szlig;erdem auch noch eine Alarmtherapie, die sogenannte Klingelhose. Diese f&uuml;hrt zu einer Konditionierung, sodass die Kinder rechtzeitig aufwachen. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass sie dem widerspricht, was man erreichen will, n&auml;mlich ein Durchschlafen mit ausreichender Blasenkapazit&auml;t und funktionierender Konzentrierung des Harns in der Nacht.<br /> Treten bei Kindern wiederkehrende Infekte auf, sollten sie beim Kinderurologen vorstellig werden.</p> <p><strong><em>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</em></strong></p> <p>&nbsp;</p> <p><strong><em><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_DAM_Allgemeinm_1807_Weblinks_blasentagebuch.jpg" alt="" width="2000" height="1178" /></em></strong></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Ordensklinikum Linz: Enuresis, www.ordensklinikum.at, letzter Zugriff: 29. August 2018</p> </div> </p>
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