Aktuelles zu Long Covid und Impfreaktionen
Bericht:
Mag. Dr. med. Anita Schreiberhuber
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Der Fokus im Umgang mit Long Covid ist derzeit auf das Training von Selbstmanagement und Rehabilitationgerichtet. Allergische Impfreaktionen vom Soforttyp sind selten und es kann ihnen bei Folgeimpfungen durch entsprechende prophylaktische Massnahmen begegnet werden.
Long Covid – was wissen wir konkret darüber?
«Postvirale Symptome sind an sich seit Langem bekannt, wie zum Beispiel von der Spanischen Grippe, aber wir konnten das Ausmass und die Effekte auf den Gesundheitszustand und die Lebensqualität bislang noch nicht systematisch untersuchen, so wie wir das bei Long Covid jetzt machen», so die einleitenden Worte von Prof. Dr. med. Milo Puhan, Universität Zürich. Das Long-Covid-Syndrom ist eine Ausschlussdiagnose, wobei Puhan in diesem Zusammenhang die österreichische S1-Leitlinie1 zu Long Covid empfohlen hat, die seines Erachtens gut geeignet ist, um mit wenig Aufwand Differenzialdiagnosen abzuklären.
Die zugrundeliegenden Pathomechanismen sind noch unzureichend aufgeklärt – man geht von einem Zusammenspiel verschiedener Systeme aus, wobei u.a. einer Dysregulation des Immunsystems und des Gefäss- und Gerinnungssystems eine massgebliche Rolle zukommen dürfte. So könnte die Endotheldysfunktion erklären, weshalb vaskuläre Komplikationen relativ häufig auftreten.2«Auf internationaler Ebene wird viel dazu geforscht und ich hoffe, dass wir in den nächsten Jahren über mehr Wissen verfügen und so Medikamente identifizieren können, um Long Covid kausal zu therapieren», merkte Puhan dazu an.
An der Universität Zürich wurde eine prospektive Kohortenstudie mit 1552 Teilnehmern (inkl. Kontrollen) durchgeführt, um Spätsymptome zu erfassen. Blutabnahmen sind in den Monaten 6, 12, 18 und 24 durchgeführt worden. Zu den häufigsten Symptomen zählten Geruchs- und Geschmacksstörungen, Postbelastungsstörung, Fatigue, Konzentrationsschwierigkeiten und Kurzatmigkeit. Nach 6 Monaten hatten 23 pro 100 Infizierte noch Beschwerden, davon berichteten drei pro 100 Infizierte über eine schwere und vier pro 100 Infizierte über eine mässige Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes.3 Dass der Gesundheitszustand stark mit dem Ausmass der Arbeitsfähigkeit korreliert, geht aus einer von Kerksieck et al. durchgeführten Untersuchung hervor (Abb. 1).4
Abb. 1: Gegenwärtige Arbeitsfähigkeit 12 Monate nach Diagnose der Primärinfektion in Relation zum berichteten Gesundheitszustand (modifiziert nach Kerksieck P et al.)4
Prävention und nichtmedikamentöse Behandlung
Abgesehen davon, dass Risikopersonen – also jene mit Vorerkrankungen und ältere Menschen – ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Long Covid aufweisen, geht aus vielen Studien konsistent hervor, dass die Vakzination protektive und therapeutische Effekte in Hinsicht auf Long Covid ausüben dürfte. Dies trifft auch auf Personen zu, die eine Infektion – und hier wiederum eine mit der Omikron-Variante – durchgemacht haben.5,6 Zur medikamentösen Prävention gibt es eine randomisierte kontrollierte Studie (RCT), in der für Metformin vs. Placebo ein klinischer Benefit hinsichtlich der Entwicklung von Long Covid bei Personen mit Übergewicht gezeigt werden konnte, wenn ein Therapiestart innerhalb von drei Tagen nach Auftreten der Symptome erfolgt ist (HR: 0,37; absoluter Benefit: 4,1%).7 Diese Effekte müssen in weiteren RCTs noch bestätigt werden.
Bei den nichtmedikamentösen Behandlungen führte Puhan allen voran das Pacing an, das bedeutet das Lernen des Umgangs mit dem Unwohlbefinden nach Anstrengung. Weitere rehabilitative Massnahmen umfassen Gedächtnis-, Geruchs- und Bewegungstraining. Gegenwärtig liegen für kein Medikament Daten zur Wirksamkeit aus RCTs vor, es sind aber viele RCTs im Gange, deren Ansatz auf den vermuteten Pathomechanismen von Long Covid basiert.8«Zurzeit liegt der Fokus in der Behandlung auf dem Selbstmanagement-Training und der Rehabilitation», betonte Puhan. Im Internet gibt es auch einige hilfreiche Management-Tools wie das Altea Network, das Tipps und Infos für Betroffene und auch für Fachpersonal bietet. Das Altea Network umfasst auch eine Online-Community zum Erfahrungsaustausch.9 Ergänzt werden diese Supportmassnahmen durch nützliche Leitlinien von Verbänden und Organisationen wie die bereits erwähnte österreichische S1-Leitlinie1 oder die Schweizer Empfehlungen zur Behandlung von pulmonalem Long Covid.10,11
Allergische Reaktionen vom Soforttyp sind selten
Relativ rasch nach Start der Impfkampagne gegen das Coronavirus gab es Berichte über unmittelbare allergische Reaktionen. In einer Übersichtsarbeit haben Copaescu et al. alle zwischen Januar und Dezember 2021 publizierten Artikel zu dieser Thematik systematisch untersucht. Wenn auch die genauen zugrundeliegenden Mechanismen dieser Reaktionen noch nicht zur Gänze aufgeklärt sind, konnte festgestellt werden, dass selbst Patienten mit einer allergischen Grunderkrankung nicht auf die Vakzinierung verzichten müssen, und in der Mehrheit der Fälle haben Personen mit einer Reaktion auf die erste Impfung die darauffolgenden Dosen toleriert.12
Im Allgemeinen treten anaphylaktische Reaktionen im Kontext mit der Verabreichung von Vakzinen selten auf.13 In der Literatur wird die Inzidenz von Soforttyp-Allergien auf Covid-19-Impfstoffe mit 3–5/106 angegeben.14 Polyethylenglykol (PEG) wird immer wieder mit einer möglichen Anaphylaxie nach Impfungen in Verbindung gebracht. Für die Herstellung von mRNA-Impfstoffen wird es benötigt, um die Lipid-Nanopartikel zu stabilisieren. Allerdings können auch andere Bestandteile potenzielle Trigger für Impfreaktionen darstellen und PEG ist auch in anderen Substanzen enthalten. «Schwere anaphylaktische Reaktionen vom Soforttyp sind extrem selten. Wir haben in der Schweiz maximal sechs Fälle dokumentiert», berichtete Prof. Dr. med. Peter Schmid-Grendelmeier, Universitätsspital Zürich, und ergänzte: «Bei jenen, die nach der ersten Impfung allergisch reagiert haben, haben wir vor der Zweitimpfung entsprechende Vorsichtsmassnahmen – Gabe einer Prämedikation mit einem Antihistaminikum und einem Steroid – getroffen. So konnten diese dennoch geimpft werden.»
Dauer und Therapie kutaner Hautreaktionen
Weitaus häufiger als Anaphylaxien vom Soforttyp sind hingegen Hautreaktionen, insbesondere in Form von Urtikaria. In einer Registerstudie zu mRNA-Impfstoffen wurden zwischen Dezember 2020 und Februar 2021 414 kutane Reaktionen verzeichnet – davon traten 83% im Zusammenhang mit dem Vakzin von Moderna und 17% unter dem Vakzin von Pfizer auf.15
Die mediane Dauer bis zum Auftreten wird mit zehn Tagen angegeben.16 Die Dauer ist erfahrungsgemäss unterschiedlich und demgemäss ist laut Schmid-Grendelmeier bei der Prognose Vorsicht angebracht. «Therapeutisch ist die Vorgangsweise wie sonst bei Urtikaria, das heisst, wir verabreichen einen H1-Antagonisten ein- bis viermal täglich. Falls sich spätestens sechs Monate nach Start kein Therapieerfolg einstellt, zögern wir jedoch nicht, das Biologikum Omalizumab zu applizieren, mittelfristig ist die Prognose insgesamt gut», erklärte Schmid-Grendelmeier.
Quelle:
Zürcher Dermatologische Fortbildungstage 2023, Vorträge von Prof. Dr. med. Milo Puhan, Universität Zürich und Prof. Dr. Peter Schmid-Grendelmeier, Universitätsspital Zürich
Literatur:
1 https://oegam.at/system/files/attachments/kurz_long_covid_s1_master_211104.pdf (Zugriff: 28. Juli 2023) 2 Davis HE et al.: Nat Rev Microbiol 2023; 21: 133-46 3 Ballouz T et al.: BMJ 2023; 381. doi: https://doi.org/10.1136/bmj-2022-074425 4 Kerksieck P et al.: Lancet Reg Health Eur 2023. doi: https://doi.org/10.1016/j.lanepe.2023.100671 5 Ballouz T et al.: PLoS One 2023. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0281429 6 Byambasuren O et al.: BMJ Med 2022. doi: 10.1136/bmjmed-2022-000385 7 Bramante CT et al.: Lancet Infect Dis 2023. doi: https://doi.org/10.1016/S1473-3099(23)00299-2 8 https://www.who.int/ 9 https://altea-network.com/en 10 Funke-Chambour M et al.: Respiration 2021; 100: 826-41 11 https://www.medix.ch/wissen/guidelines/long-covid-factsheet/ (letzte Änderung: April 2023) 12 Copaescu AM et al.: Ann Allergy Asthma Immunol 2022; 129: 40-51 13 Mahler V et al.: Allergo J Int 2022; 31: 123-36 14 Greenhawt M et al.: J Allergy Clin Immunol 2023. doi: 10.1016/j.jaci.2023.05.019 15 McMahon DE et al.: J Am Acad Dermatol 2021; 85: 46-55 16 Pescosolido E et al.: Allergy 2022. ttps://doi.org/10.1111/cea.14214
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