Robo-Docs, Derma-Sensoren und Apps
Bericht:
Dr.med. Lydia Unger-Hunt
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Die Entwicklung digitaler Werkzeuge für das Management dermatologischer Krankheiten schreitet immer weiter voran, muss sich aber zunehmend –und vernünftigerweise – auch den neu erstellten gesetzlichen Rahmenbedingungen anpassen. Warum die digitale Dermatologie trotz aller Herausforderungen eine Chance darstellt, darüber berichtet ein Experte des Universitätsspitals Zürich.
Als Mensch einem Patienten oder einer Patientin gegenüberstehen? Das muss nicht überall so sein, berichtet Dr. Christian Greis, Oberarzt am Universitätsspital Zürich: In China etwa kümmern sich in einem «KI-Hospital» (KI = künstliche Intelligenz) ab der zweiten Hälfte dieses Jahres «KI-Ärzte», vulgo «Robo-Docs», um bis zu 3000 Patient:innen pro Tag; damit soll der chinesischen Bevölkerung eine «hochqualitative, bezahlbare und nutzerfreundliche Gesundheitsversorgung» geboten werden.1 Diese KI-Ärzte wurden mittels Fragen der US-amerikanischen medizinischen Zulassungsprüfung (beispielsweise zum Management komplexer respiratorischer Erkrankungen) evaluiert und erreichten dort eine Genauigkeitsrate von 93,06%.2
Auch in der Bilderkennung wird die KI eine zunehmend grosse Rolle spielen: «Google Lens» etwa schlägt auf Basis eines Fotos einer Hautveränderung mögliche Diagnosen vor. Aktuell hat Google die Weiterentwicklung dieses Tools aber eingestellt, was auch mit den Entwicklungen im Bereich von Datenschutz und medizinisch-rechtlichen Restriktionen zusammenhängt. «Das ist sicher vernünftig», kommentiert Dr. Greis, «und die EU ist hier mit dem weltweit ersten Gesetz zur KI einen sehr grossen Schritt nach vorne gegangen.» Die Entwicklung der Forschung werde nun von der Entwicklung der damit verbundenen Regeln begleitet.
Digital-diagnostische Genauigkeit variiert
Google ist bezüglich der künstlichen Bilderkennung nicht allein auf dem Markt: Zwei Beispiele von ISO- und CE-zertifizierten Anbietern im europäischen Raum sind etwa die niederländische «Skinive App», mit der bereits mehr als 250000 Patient:innen gescreent wurden, sowie die «Legit.Health» aus Spanien, die als «Next-Generation Dermatology» vermarktet wird.
Die diagnostische Genauigkeit entspricht dabei allerdings nicht immer dem derzeit herrschenden Hype, wie eine Versuchsreihe von Dr. Greis ergab: Sein Team gab testweise 100 Datensätzemit den häufigen Diagnosen atopisches Ekzem, Akne, periorale Dermatitis/Rosazea, Muttermale und Urtikaria in «Legit.Health»ein und bewertete dann die dort erstellten Diagnosen mit Noten von 1 («zutreffend») bis 5 («falsch»). «Die gemessene Genauigkeit zeigte allerdings noch kein wirklich zufriedenstellendes Ergebnis», kommentiert der Dermatologe.
Dennoch kann die KI funktionieren: Ein Patient hatte ein Foto seiner Hautveränderung an die «SkiniveApp» geschickt, erhielt die Verdachtsdiagnose «Basalzellkarzinom (BCC): Suchen Sie dringend ärztlichen Rat» und wandte sich daher umgehend an die Online-Sprechstunde der Universitätsklinik Zürich («derma2go»); er wurde wenig später operiert. «Das heisst auch: Wir müssen diese Apps allein schon deswegen kennen, weil unsere Patient:innen sie kennen und benutzen», so Dr. Greis.
Seit Januar 2024 ist der «DermaSensor» verfügbar, ein von der FDA zugelassenes tragbares Gerät, das mithilfe der Spektrometrie die Differenzierung von Melanom, BCC oder spinozellulärem Karzinom erlaubt; der Algorithmus dahinter wurde laut Firma an mehr als 20000 Scans entwickelt und validiert.3 Eine Studie an 331 Patient:innen mit 440 Läsionen, einschliesslich 44 Melanomen und 44 hochgradig dysplastischer Nävi, stellte für das Gerät eine Genauigkeit der Melanomdetektion von 95,5% fest.4 Der Kommentar von Dr. Greis: «Klinische Resultate wären hier sicher ähnlich, möglicherweise würde eine dermatoskopische Untersuchung ein besseres Ergebnis erreichen – der Sensor ist aber fraglos eine günstige Alternative.»
Rückerstattung für medizinische Apps
Nächstes Thema ist der «Riesenhype» um die «Digitalen Gesundheitsanwendungen» (DiGA), also die Medizinprodukte mit gesundheitsbezogener Zweckbestimmung, deren Hauptfunktion wesentlich auf digitalen Technologien beruht und die von den Krankenkassen in Deutschlandrückerstattet werden können – quasi die «App auf Rezept». Momentan können Ärzt:innen in der Schweiz ein Rezept für die ersten Apps ausstellen, bei denen die Versicherung den Mehrwert als gegeben ansieht.«In Deutschland ist das ein Markt von 125 Millionen Euro, der sich jährlich verdoppelt hat; laut Berichten haben bereits 235000 Patient:innen eine dieser Apps per Rezept verschrieben bekommen und diese auch genutzt.»5,6
Links: Dr. Greis bei seinem Vortrag auf den ZDFT Zürich, rechts: Device mit derma2go-Applikation
Eine analoge Applikation ist auchder an der Universitätsklinik eingesetzte «Digital Companion», der beispielsweise bei der Behandlung mit dem Anti-IL-13-Antikörper Tralokinumab zum Einsatz kommt: Patient:innen scannen einen QR-Code und werden dann mit der App ein Jahr lang im Rahmen der Therapie digital begleitet. «Die Interaktion funktioniert sowohl per Telemedizin als auch über die App selbst – beispielsweise können Infos in das Tool eingespeist werden, womit Ärzt:innen gegebenenfalls einschreiten können, wenn die Werte dies erforderlich machen», erklärt Dr. Greis.
Herausforderungen, Möglichkeiten, Risiken
Eine Herausforderung sieht der Experte etwa darin, dass derzeit im In- und Ausland zahlreiche neue Technologien auf den Markt kommen.Die Schweizerische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV) engagiert sich mit mehreren Arbeitsgruppen, «um solche Herausforderungenanzunehmen»; auch das Positionspapier spricht etwa Tarifierung und Verlagerung ins Ausland an.Unter anderem hat die AG für Teledermatologie ein Positionspapier zu Telemedizin 2024 erstellt.7
Positive Entwicklungen zeigen sich derzeitin der Erstellung von E-Rezeptenund den ersten richtungweisenden Möglichkeiten zur Rückerstattung von Telemedizin. Das Fazit: «Wenn wir uns nicht um die Technologie kümmern, wird sie von aussen gesteuert kommen. Wir sollten die Entwicklungen insgesamt weniger als Gefahr und mehr als Chance sehen», betont Dr. Greis abschliessend.
Quelle:
Zürcher Dermatologische Fortbildungstage 2024 (ZDFT), 19.–21. Juni 2024, Zürich
Literatur:
1 Malayil J: China: Robot doctors at world’s 1st AI hospital can treat 3,000 a day. Microsoft Start 2024; online verfügbar unter https://www.msn.com/en-us/health/other/china-robot-doctors-at-world-s-1st-ai-hospital-can-treat-3-000-a-day/ar-BB1nkqRH ; zuletzt aufgerufen am 11.9.2024 2 Dane L: ROBO-DOC — the world’s first AI hospital unveiled. Inside China’s AI hospital. Medium 2024; online verfügbar unter https://medium.com/@_betterversion/robo-doc-the-worlds-first-ai-hospital-unveiled-4e3974b58645#:~:text=The%20new%20kind%20of%20hospital,to%20take%20care%20of%20patients ;zuletzt aufgerufen am 11.9.2024 3 Olmstead SC: FDA clears DermaSensor device for skin cancer detection. Dermatology Times 2024; online verfügbar unter https://www.dermatologytimes.com/view/fda-clears-dermasensor-device-for-skin-cancer-detection ; zuletzt aufgerufen am 11.9.2024 4 Hartmann RI et al.: Multicenter prospective blinded melanoma detection study with a handheld elastic scattering spectroscopy device. JAAD Int 2023; 15: 24-31 5 Meskendahl D, Bachmann T: Marktentwicklung digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA-Report).1. Oktober 2020 bis 30. September 2023. Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung e.V. 2023; online verfügbar unter https://digitalversorgt.de/wp-content/uploads/2024/01/DiGA-Report-2023-SVDGV.pdf ; zuletzt aufgerufen am 11.9.2024 6 Pressemitteilung „Studie: Apps auf Rezept werden häufiger verschrieben – aber Digitalisierung im Gesundheitswesen geht nur stockend voran“. McKinsey 2024; online verfügbar unter https://www.mckinsey.com/de/news/presse/2024-01-24-e-health-monitor-2023-24 ; zuletzt aufgerufen am 11.9.2024 7 Schweizerische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV): Medienmitteilung „Positionspapier Telemedizin 2024“. SGDV 2024; online verfügbar unter https://www.derma.swiss/positionspapier-telemedizin-2024/ ; zuletzt aufgerufen am 11.9.2024
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