„Check-up“ Endometriumkarzinom
Autor:
Dr. Christoph Ebner
Assistenzarzt
Universitätsklinik Gynäkologie und Geburtshilfe
Medizinische Universität Innsbruck
E-Mail: christoph.ebner@i-med.ac.at
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Bis 2013 wurden Endometriumkarzinome basierend auf histologischen Merkmalen in Typ-1- und prognostisch ungünstigere Typ-2-Karzinome eingeteilt. Die molekulare Aufarbeitung der Endometriumkarzinome im Cancer Genome Atlas Project (TCGA) ergab jedoch eine deutlich heterogenere Landschaft. Vollständig sequenzierte Endometriumkarzinome konnten in vier Subgruppen eingeteilt werden, die sich nicht nur aufgrund ihres molekularen Profils, sondern auch aufgrund ihrer Prognose deutlich voneinander unterscheiden.1
Eine der Gruppen besteht aus ultramutierten Tumoren, die eine Mutation in der Exonuklease-Domain des POLE-Gens aufweisen (POLEmut). Diese meist endometrioiden Tumoren zeigen trotz einer geringen Differenzierung der Tumorzellen und des daraus resultierenden aggressiven histologischen Bildes eine ausgezeichnete Prognose. Es handelt sich also um Schafe im Wolfspelz. Eine weitere Gruppe bilden hypermutierte, mikrosatelliteninstabile Tumoren (MSI-H), die ebenfalls meist endometrioide Histologie aufweisen. Zusammen mit der dritten Gruppe, den „Copy-number low (endometrioid)“-Tumoren, weisen sie eine mittelmäßige Prognose auf. Die letzte Subgruppe wird aus Karzinomen gebildet, die eine Vielzahl an „Copy-number“-Alterationen aufweisen. Diese Tumoren sind meistens serös differenziert, zeigen eine TP53-Mutation und haben die schlechteste Prognose der vier Subgruppen.1
Da die komplette Sequenzierung des Tumorgenoms, wie sie im TCGA durchgeführt wurde, nur schwer in den klinischen Alltag portiert werden kann, wurden Surrogat-Marker für die molekularen Subgruppen gesucht. Zur Bestimmung des POLE-Status ist vorerst noch eine Gensequenzierung mittels Next-Generation-Sequencing der klinische Standard, jedoch wurden bereits die ersten PCR-Assays zur Testung der häufigsten Mutationen vorgestellt. Diese könnten die POLE-Testung deutlich vereinfachen und aufgrund von geringeren Kosten auch einer breiteren Patientinnenpopulation zugänglich machen.2 Mittels Immunhistochemie kann die Expression der DNA-Mismatch-Reparaturproteine (MLH2, PMS2, MSH2, MSH6) untersucht werden. Kommt es zu einem Expressionsverlust von einem oder mehreren Proteinen, spricht man von einer Mismatch-Reparatur-Defizienz (MMR-D), dies wird als Surrogat für die MSI-H-Gruppe herangezogen. Ebenfalls kann die p53-Expression mittels Immunhistochemie untersucht werden. Finden sich pathologische Expressionsmuster, spricht man von p53-abnormen Tumoren. Diese Gruppe ist nahezu deckungsgleich mit der Gruppe der „Copy-number high“-Karzinome nach TCGA.3
Die Verteilung der verschiedenen Subgruppen ist nicht homogen. Die kleinste Gruppe stellen mit 5–10% die POLE-mutierten Tumoren dar. Circa 15% weisen eine abnorme p53-Expression auf und ungefähr 20% fallen in die MMR-D-Gruppe. In den restlichen Tumoren findet sich keiner dieser molekularen Marker und man spricht von Karzinomen ohne spezifisches molekulares Profil (NSMP). Diese Gruppe entspricht in etwa den „Copy-numberlow (endometrioid)“-Tumoren aus dem TCGA.
Risikoklassifizierung
Die prognostische Aussagekraft der molekularen Subgruppen wurde in den Jahren danach vielfach untersucht und in zahlreichen Studien bestätigt. Zunächst wurden retrospektive Analysen an vorhandenen Tumorgeweben zum Beispiel aus den PORTEC-Studien durchgeführt, später folgten auch prospektive Daten aus neuen klinischen Studien.
Es wurde offensichtlich, dass Risikoklassifizierung von nun an die molekulare Subgruppe beinhalten muss. Vergleicht man die bis vor Kurzem gängige klinisch-pathologische Einteilung in Risikogruppen nach ESMO mit den molekularen Subgruppen, erkennt man schnell, dass besonders Patientinnen mit prognostisch günstigen POLE-mutierten Tumoren zu 50% in die High-Risk-Gruppe der ESMO gefallen sind und potenziell übertherapiert wurden. Am anderen Ende des Spektrums stehen die prognostisch äußerst ungünstigen p53- aberranten Tumoren, die aufgrund der häufig serösen Histologie zwar zu 90% korrekt als „high“ oder „intermediate risk“ klassifiziert wurden, jedoch zu 10% auch in die Low-Risk-Gruppe gefallen sind. Diese 10% der Patientinnen hätten womöglich von einer adjuvanten Therapie profitiert, die sie aufgrund dieser Risikobewertung nicht erhalten haben.3
Im klinischen Alltag kommt es vor, dass ein Tumor aufgrund seines molekularen Profils in mehr als eine Subgruppe fällt. Diese „multiple classifiers“ wurden in mehreren Studien untersucht und scheinen die Prognose der jeweils günstigeren Subgruppe zu behalten. Ein Tumor mit einer POLE-Mutation und einer abnormen p53-Expression verhält sich klinisch wie ein Tumor der POLEmut-Gruppe. Dasselbe gilt für MMR-D-Karzinome mit einer p53-Aberration. In beiden Fällen geht man davon aus, dass es sich bei der TP53-Mutation um eine sogenannte „Passenger“-Mutation handelt, die der Tumor im Laufe der Zeit erworben hat, und nicht um den „driver“ der Onkogenese. Aufgrund dieser Erkenntnis empfehlen viele Autor:innen und Fachgesellschaften im Fall von begrenzten Ressourcen eine hierarchische Testung beginnend mit dem POLE-Status gefolgt von MMR-Protein-Expression und zuletzt der p53-Expression.4–6
Die erste Leitlinie, die von rein klinisch-pathologischen Risikogruppen abgewichen ist, war die ESGO/ESTRO/ESP-Leitlinie im Jahr 2021. Das hier publizierte Risikomodell berücksichtigt die gute Prognose POLE-mutierter Endometriumkarzinome und klassifiziert alle Karzinome dieser Gruppe im FIGO-Stadium I bzw. II als „lowrisk“ ungeachtet sonstiger histologischer Parameter. Auf der anderen Seite werden alle Tumoren der p53-abnormen Subgruppe, bei denen eine Invasion ins Myometrium vorliegt, als „highrisk“ gewertet. P53-abnorme Tumoren, die nicht ins Myometrium infiltrieren, gelten als „intermediate risk“, wobei eine rezente Arbeit auch bei diesen Karzinomen ein Rezidivrisiko von 16–19% beschrieben hat.7–9
FIGO-Stadieneinteilung 2023
Im Sommer 2023 folgte die Veröffentlichung der grundlegend aktualisierten FIGO-Klassifikation für das Endometriumkarzinom, welche die vorhergehende Klassifikation aus dem Jahr 2009 ablöst. Die Arbeitsgruppe Endometriumkarzinom der FIGO war mit der Aufgabe konfrontiert, die eindrücklichen Neuerungen der letzten zwölf Jahre sinnvoll in die neue Klassifikation zu integrieren.
In der FIGO-Klassifikation 2023 wurde die streng auf anatomischen Grenzen basierende Stadieneinteilung aufgebrochen, sodass nun multiple Faktoren wie der histologische Subtyp, das Vorhandensein von Lymphgefäßeinbrüchen oder die molekulare Subgruppe ebenfalls das Tumorstadium verändern können.8
Ein seröses Endometriumkarzinom, das in die innere Hälfte des Myometriums infiltriert, wird nach FIGO 2009 als Stadium IA klassifiziert, erfolgt das Staging jedoch nach FIGO 2023, handelt es sich aufgrund der aggressiven Histologie um ein Stadium IIC. Liegen bei einem gut differenzierten endometrioiden Endometriumkarzinom, mit einer Infiltration in die äußere Hälfte des Myometriums substanzielle Lymphgefäßeinbrüche vor, so erhält es aufgrunddessen das FIGO-2023-Stadium IIB, während es vor 2023 als IB gegolten hat.
Um die molekulare Klassifikation zu integrieren, wurden zwei neue Stadien eingeführt. Tumoren mit einer pathologischen POLE-Mutation, die auf den Uterus begrenzt sind, gelten nun als Stadium IAmPOLEmut. Ein auf den Uterus begrenzter Tumor, der ins Myometrium infiltriert und zur molekularen Gruppe der p53-abnormen Tumoren gehört, gilt nun als Stadium IAmp53abn. In den höheren Tumorstadien hat die molekulare Subgruppe keinen Einfluss.
Durch die Änderungen an der Einteilung wird das Stadium II in Zukunft deutlich mehr Patientinnen umfassen, wohingegen Erkrankungen im Stadium I seltener werden. Auf zahlreiche weitere Anpassungen, besonders auch in höheren Tumorstadien, kann in diesem Rahmen nicht eingegangen werden.
Entstanden ist eine sehr umfängliche und deutlich komplexere Stadieneinteilung, als man in der gynäkologischen Onkologie bisher gewohnt war. Das Abweichen von einer Einteilung streng nach anatomischen Begrenzungen brachte den Autor:innen auch viel Kritik ein. Eine Befürchtung von Kritiker:innen der neuen Klassifikation liegt darin, dass die hohe Komplexität die Adaption verlangsamen oder verhindern könnte. Aufgrund des noch fehlenden flächendeckenden Zugangs zur molekularen Klassifizierung wird ebenfalls vor einer schlechteren Vergleichbarkeit von Outcomes von Patientinnen mit dem scheinbar gleichen Tumorstadium an unterschiedlichen Institutionen gewarnt.
Das Ziel, die prognostische Aussagekraft des Tumorstadiums wiederherzustellen, nachdem diese durch die Einführung der molekularen Subgruppen verschwunden ist, wurde jedoch erreicht. Wie sich mittlerweile in zahlreichen Arbeiten gezeigt hat, korreliert das FIGO-2023-Stadium signifikant besser mit dem Outcome als das Stadium nach FIGO 2009.10,11
Therapielandschaft und klinische Studien
Die deutliche Heterogenität der verschiedenen Subgruppen macht sich auch im Ansprechen auf unterschiedliche Therapien bemerkbar. Aufgrund der hohen Mutationslast und den dadurch zahlreich entstehenden Neoantigenen sprechen MMR-D-Tumoren, aber auch POLE-mutierte Tumoren exzellent auf Immuntherapien an.
Die Kombination aus Chemotherapie und Immuntherapie mit PD-1-Inhibitoren (Pembrolizumab oder Dostarlimab) kann nach zwei positiven Phase-III-Studien mittlerweile als Standard für fortgeschrittene oder rezidivierende MMR-D-Endometriumkarzinome angesehen werden.12,13
Mehrere weitere Arbeiten zur Immuntherapie in Kombination mit Chemotherapie, dem Tyrosinkinase-Inhibitor Lenvatinib oder einer Erhaltungstherapie mit PARP-Inhibitoren wurden und werden durchgeführt. Die publizierten Ergebnisse sind teils vielversprechend.
Die Methodik von Studien zur sinnvollen Untersuchung von Endometriumkarzinomen hat sich grundlegend geändert. Ein Beispiel dafür ist der RAINBO-Trial. Hier handelt es sich um einen sogenannten „umbrella trial“, der insgesamt vier klinische Studien umfasst, in die Patientinnen gemäß ihrem molekularen Profil eingeschlossen werden. Während POLE-mutierte Tumoren keine adjuvante Therapie erhalten, werden MMR-D-Tumoren mit Strahlentherapie +/– Immuntherapie, p53- abnorme Tumoren mit Radiochemotherapie +/– einem PARP-Inhibitor und Hormonrezeptor-positive NSMP-Tumoren mit Strahlentherapie +/– Gestagen-Therapie behandelt.
Operative Therapie
Die totale laparoskopische Hysterektomie mit bilateraler Adnexektomie stellt den operativen Standard dar. In den vergangenen Jahren hat die Sentineltechnik auch hier Einzug gehalten und in den meisten Fällen die Schnellschnittuntersuchung des Uterus mit gegebenenfalls anschließender pelviner Lymphnodektomie abgelöst. Neben der geringeren Invasivität bietet die Sentineltechnik auch den Vorteil, dass Lymphknoten durch Ultrastaging wesentlich genauer untersucht werden können und so Mikrometastasen und auch isolierte Tumorzellen entdeckt werden können.
Fazit für die Praxis
Das Endometriumkarzinom wurde in den letzten Jahren zur „Cinderella-Erkrankung“. Zu keinem anderen gynäkologischen Tumor wird aktuell mehr geforscht und publiziert.
Grenzfälle wie zum Beispiel POLE-mutierte Karzinosarkome oder p53-abnorme endometrioide Karzinome, die auf einen Polypen beschränkt wachsen, brauchen individuelle Therapieentscheidungen, die gemeinsam mit unseren Patientinnen getroffen werden müssen.
Richtige und vollständige Klassifizierung der Karzinome erfordert eine nahtlose Zusammenarbeit zwischen Pathologie und Gynäkologie sowie ein standardisiertes Befundungsschema. In Österreich haben wir und unsere Patientinnen das Glück, dass molekulare Untersuchungen leicht zugänglich sind.
Bei allen Neuerungen darf man nicht vergessen, dass es sich beim Endometriumkarzinom generell um einen Tumor mit einer guten Prognose handelt und die allermeisten unserer Patientinnen davon geheilt werden können. Es gilt, die Patientinnen, die von adjuvanter Therapie profitieren, bestmöglich zu erkennen und die anderen beruhigt und gut aufgeklärt durch die Nachsorge zu begleiten.
Literatur:
1 Getz G et al.: Integrated genomic characterization of endometrial carcinoma. Nature 2013; 497: 67 2 Van den Heerik ASVM et al.: QPOLE : A quick, simple, and cheap alternative for POLE sequencing in endometrial cancer by multiplex genotyping quantitative polymerase chain reaction. JCO Glob Oncol 2023; 9: e2200384 3 Talhouk A et al.: A clinically applicable molecular-based classification for endometrial cancers. Br J Cancer 2015; 113: 299-310 4 Oaknin A et al.: Endometrial cancer: ESMO Clinical Practice Guideline for diagnosis, treatment and follow-up. Annals of Oncology 2022; 33: 860-877 5 Bogani G et al.: Characteristics and outcomes of surgically staged multiple classifier endometrial cancer. European Journal of Surgical Oncology 2024; 50(1): 107269 6 León-Castillo A et al.: Clinicopathological and molecular characterisation of ‘multiple-classifier’ endometrial carcinomas. Journal of Pathology 2020; 250: 312-322 7 Jamieson A et al.: Recurrence rates and patterns of recurrence in stage IA p53abn endometrial cancer with and without myometrial invasion. International Journal of Gynecologic Cancer 2024; 34: 544-549 8 Berek JS et al.: FIGO staging of endometrial cancer: 2023. J Gynecol Oncol 2023; 34 9 Concin N et al.: ESGO/ESTRO/ESP guidelines for the management of patients with endometrial carcinoma. International Journal of Gynecological Cancer 2021; 31: 12-39 10 Matsuo K et al.: Validation of the 2023 FIGO staging schema for advanced endometrial cancer. Eur J Cancer 2023; 193: 113316 11 Schwameis R et al.: Verification of the prognostic precision of the new 2023 FIGO staging system in endometrial cancer patients – an international pooled analysis of three ESGO accredited centres. Eur J Cancer 2023; 193: 113317 12 Mirza MR et al.: Dostarlimab for primary advanced or recurrent endometrial cancer. New England Journal of Medicine 2023; 388: 2145-2158 13 Eskander RN et al.: Pembrolizumab plus chemotherapy in advanced endometrial cancer. New England Journal of Medicine 2023; 388: 2159-2170
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