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Die Behandlung Minderjähriger und elterliche Obsorge

<p class="article-intro">Im Gegensatz zu den Regeln zur Geschäftsfähigkeit gewährt unser Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) Minderjährigen große Entscheidungsfreiheit hinsichtlich medizinischer Behandlungen. Diese Sonderregelungen finden sich hauptsächlich in §173 ABGB, dessen Inhalt in diesem Beitrag vorgestellt werden soll.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Einfache medizinische Behandlungen</h2> <p><em>&sect;173 Abs 1 ABGB lautet: &bdquo;Einwilligungen in medizinische Behandlungen kann das einsichts- und urteilsf&auml;hige Kind nur selbst erteilen; im Zweifel wird das Vorliegen dieser Einsichts- und Urteilsf&auml;higkeit bei m&uuml;ndigen Minderj&auml;hrigen vermutet. Mangelt es an der notwendigen Einsichtsund Urteilsf&auml;higkeit, so ist die Zustimmung der Person erforderlich, die mit der gesetzlichen Vertretung bei Pflege und Erziehung betraut ist.&ldquo;</em><br /> Das bedeutet: Jedes Kind, unabh&auml;ngig von seinem Alter, kann nur selbst in medizinische Behandlungen einwilligen, sofern es einsichts- und urteilsf&auml;hig ist.<br /> Einsichts- und Urteilsf&auml;higkeit liegen dann vor, wenn eine Person den Grund f&uuml;r eine Behandlung und die Bedeutung der Behandlung erkennen und ihren Willen nach dieser Einsicht auch ausrichten kann. Bei 14- bis 18-J&auml;hrigen (m&uuml;ndige Minderj&auml;hrige) vermutet das Gesetz sogar, dass diese einsichts- und urteilsf&auml;hig sind. Einsichts- und Urteilsf&auml;higkeit liegen nur dann nicht vor, wenn eine geistige Behinderung oder eine stark verz&ouml;gerte Reife vorliegt. Diese Beurteilung obliegt letztlich dem behandelnden Arzt. Das Gesetz normiert auch keine Altersuntergrenze, ab der man von fehlender Einsichts- und Urteilsf&auml;higkeit ausgehen m&uuml;sste.<br /> F&uuml;r den Arzt in der Praxis bedeutet dies, dass unter 18-J&auml;hrige im Regelfall selbst &uuml;ber medizinische Behandlungen entscheiden k&ouml;nnen, ohne dass es der Zustimmung der Eltern f&uuml;r die medizinische Behandlung bedarf. Verlangt dies ein unter 18-j&auml;hriges, einsichts- und urteilsf&auml;higes Kind, besteht gegen&uuml;ber den Eltern sogar die &auml;rztliche Verschwiegenheitsverpflichtung. Die Eltern entscheiden nur dann, wenn das Kind &ndash; unabh&auml;ngig vom Alter &ndash; nicht einsichts- und urteilsf&auml;hig ist.</p> <h2>Schwerwiegende medizinische Behandlungen</h2> <p>Anderes gilt f&uuml;r medizinische Behandlungen, die gew&ouml;hnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeintr&auml;chtigung der k&ouml;rperlichen Unversehrtheit oder der Pers&ouml;nlichkeit verbunden sind. In solchen F&auml;llen &ndash; etwa Organtransplantationen oder schweren Herzoperationen &ndash; ordnet &sect;173 Abs 2 ABGB an, dass neben dem einsichtsund urteilsf&auml;higen Kind auch die Eltern dem Eingriff zustimmen m&uuml;ssen. Verweigert jedoch das einsichts- und urteilsf&auml;hige Kind die Zustimmung, muss die (schwerwiegende) Behandlung unterbleiben. Bei nicht einsichts- und urteilsf&auml;higen Kindern entscheiden auch im Falle von schwerwiegenden Behandlungen die Eltern allein.</p> <h2>Bei vitaler Indikation</h2> <p>Selbstverst&auml;ndlich ist &uuml;berhaupt keine Zustimmung erforderlich, <em>&bdquo;wenn die Behandlung so dringend notwendig ist, dass der mit der Einholung der Einwilligung oder der Zustimmung verbundene Aufschub das Leben des Kindes gef&auml;hrden w&uuml;rde oder mit der Gefahr einer schweren Sch&auml;digung der Gesundheit verbunden w&auml;re&ldquo; (&sect;173 Abs 3 ABGB)</em>, also jedenfalls bei vitaler Indikation.</p> <h2>Schwangerschaftsabbruch</h2> <p>Diese Grunds&auml;tze gelten nicht f&uuml;r den (medikament&ouml;sen oder chirurgischen) Schwangerschaftsabbruch. Ob sowohl die Minderj&auml;hrige als auch deren Eltern dem Eingriff zustimmen m&uuml;ssen oder die Zustimmung nur eines Teiles gen&uuml;gt, ist in der Fachliteratur umstritten und soll hier nicht weiter vertieft werden.</p> <h2>Sterilisation und Kastration</h2> <p>Eingriffe, deren einziges Ziel die Herbeif&uuml;hrung der Fortpflanzungsunf&auml;higkeit von Minderj&auml;hrigen ist, sind in &Ouml;sterreich nicht erlaubt (&sect;163 ABGB). Ist die Fortpflanzungsunf&auml;higkeit jedoch Folge eines medizinisch gebotenen Eingriffs, bleibt die Behandlung selbstverst&auml;ndlich erlaubt (z.B. indizierte Geb&auml;rmutterentfernung bei Geb&auml;rmutterkarzinom).</p> <h2>&Auml;sthetische Behandlungen und Operationen</h2> <p>Besonders schutzw&uuml;rdig sieht der Gesetzgeber jedoch Minderj&auml;hrige im Bereich von &auml;sthetischen Behandlungen und Operationen an. Solche sind an Personen, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht erlaubt (&sect;7 Abs 1 &Auml;sthOpG).<br /> Bei Minderj&auml;hrigen zwischen dem 16. und dem 18. Lebensjahr m&uuml;ssen sowohl der Patient als auch die Eltern nach einer umfassenden und schriftlichen Aufkl&auml;rung dem Eingriff zustimmen. Die minderj&auml;hrige Person muss zudem einsichtsund urteilsf&auml;hig sein. Zwischen Einwilligung und &auml;sthetischer Behandlung oder &auml;sthetischem Eingriff muss zudem eine Frist von vier Wochen liegen. Bei &auml;sthetischen Operationen (nicht bei &auml;sthetischen Behandlungen) muss zuvor zudem eine psychiatrische Abkl&auml;rung erfolgen, ob nicht der Wunsch nach der &auml;sthetischen Operation Folge einer psychiatrischen St&ouml;rung ist; in diesem Fall w&auml;re der Eingriff unzul&auml;ssig (&sect;7 Abs 2 und Abs 5 &Auml;sthOpG).</p></p>
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