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Robert N. Braun – einer unserer großen Ärzte
DAM
Autor:
Dr. Waltraud Fink
30
Min. Lesezeit
19.10.2017
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<p class="article-intro">Im September 2017 jährte sich der Todestag von Robert N. Braun, Professor für Allgemeinmedizin an der medizinischen Universität Wien, zum zehnten Mal. Wie beurteilen Kollegen aus dem In- und Ausland heute das Vermächtnis von Prof. Braun im Hinblick auf die allgemeinmedizinische Forschung und Praxis?</p>
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<p class="article-content"><p>Die Überschrift ist der abgewandelte Titel eines Vortrags, den Braun 1959 beim 8. Paracelsustag in Salzburg gehalten hatte: „Richard Koch – einer unserer großen Ärzte“.<sup>1</sup> Hippokrates, Paracelsus und Koch, drei Vertreter der Medizingeschichte, die Braun viel auf seinem beruflichen Weg bedeuteten. Braun war klar, dass er sich mit seiner Forschung auf ein schwieriges Terrain begeben hatte. Er war sich bewusst, dass erst der Anfang gemacht war und dass er zur Beschreibung, Analyse und Erklärung der im Praxisalltag real stattfindenden Anamnestik und Diagnostik ein neu zu definierendes Instrumentarium benötigen würde, welches er Berufstheorie nannte. Diese stieß bei vielen seiner Kollegen auf Unverständnis.<br /> Erhellend ist Brauns Abhandlung zur „Bedeutung des Hippokratischen Eides für die Medizin der Gegenwart“.<sup>2</sup> Bei seiner Analyse des antiken Textes blitzt immer wieder auf, worum es ihm bei dieser Theorie der angewandten Medizin geht. Das Entstehen der Fachspezialisten, ihre Rolle bei der Ausbildung und im ärztlichen Team findet man bei Braun oft thematisiert: <em>„Während also der praktizierende, hippokratische Arzt jedenfalls auch Lehrer war, haben sich heute die Bahnen der praktizierenden Ärzte und die der Lehrer der Heilkunde völlig getrennt. Es sind damit zwei Ärztegruppen entstanden, die nicht mehr austauschbar sind. Es ist aber nicht nur so, dass der Durchschnittspraktiker nicht mehr vollwertig lehren kann. Ebenso wenig sind die Durchschnittshochschullehrer imstande, in vertretbarer Weise als Allgemeinpraktiker zu arbeiten.“</em><br /> Außer Kraft gesetzt sieht Braun diesen Passus dennoch nicht, denn: <em>„Ganz offensichtlich hat die Realisierung der Idee der Universität (d.h. die Schaffung und Führung von Unterrichtsbetrieben mit Forscherlehrern) an sich Punkt 1 des Hippokratischen Eides erfüllt.“</em> Wer Braun kannte, weiß, dass er nicht müde wurde, dieses hehre Prinzip auch für die Allgemeinmedizin an den Universitäten zu fordern.<br /> Braun beschreibt es als <em>„epochale Entdeckung“</em>, dass Hippokrates die Erkenntnis in die Medizin einbrachte, <em>„dass Krankheiten auch heilen können, wenn der Arzt überhaupt nichts tut. Vorher galt ‚Krankheit‘ ja als eine Besessenheit, die mit allen Mitteln auszutreiben war.“</em> Damit <em>„stand sogleich das nächste Problem auf: Der Hippokratiker musste seine bisherigen Heilmethoden ernstlich überprüfen. Er musste sich fragen, ob die üblichen Methoden der Heilkraft nicht etwa hier und dort gar entgegenwirkten, dem Menschen also schaden konnten.“</em><br /> Braun schränkt ein, dass damals <em>„die gesamte Medizin relativ einfach und von einem Einzigen überschaubar, beherrschbar bzw. beherzigbar war“</em>, in der heutigen Zeit aber eine <em>„Unendlichkeit des Wissens“</em> besteht. <em>„Die Einhaltung des zweiten Teiles des Eides ist für den Praktiker gegenwärtig mehr oder weniger eine Sache des persönlichen Gewissens“</em> und <em>„kann nur so verstanden werden, dass der Einzelarzt in dem kleinen (von ihm überschaubaren) Wissensund Erfahrungsbereich trachten sollte, sich stets nur vom Wohle der Kranken leiten zu lassen“.</em><br /> Und in Anspielung auf fehlende allgemeinmedizinische Ausbildung: <em>„Steht doch – und das würde heute kaum ein Laie für glaubwürdig halten – nirgendwo geschrieben, was nun seitens des Arztes unter Praxisbedingungen in den Einzelfällen zu geschehen hat. Diese Problematik kommt immer wieder bei Gerichtsprozessen zutage, wenn sich Aussagen der Sachverständigen über einen allfälligen Kunstfehler völlig widersprechen.“</em><br /> Brauns Pionierleistung war es, die angewandte Medizin, von der hier die Rede ist, als ein Forschungsgebiet, als Terra incognita nicht nur erkannt, sondern auch einen Einstieg in dieses wissenschaftliche Neuland gefunden zu haben, und zwar mit den Fällestatistiken und der darin entdeckten Gesetzmäßigkeit, mit der <em>„Härtung“</em> des Diagnosebegriffs, dem Einführen der Klassifizierungstypen, mit den Definitionen der regelmäßig häufigen Beratungsergebnisse in der Allgemeinmedizin (Kasugraphie), mit den diagnostischen Programmen und schließlich mit den allgemein bekannten Handlungsbegriffen: <em>„abwendbar gefährlicher Verlauf“</em> und <em>„abwartendes Offenlassen“</em>.<sup>3–5</sup><br /> Ganz im Sinne des hippokratischen Eides ist unsere Verantwortung, das von Braun geschaffene Grundlagenwissen als Stufen für die Weiterentwicklung der Allgemeinmedizin als Fach zu nützen und damit sein Vermächtnis zu pflegen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1708_Weblinks_dam_1707+08_s9_text_2.jpeg" alt="" width="1447" height="2103" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1708_Weblinks_dam_1707+08_s10_bild+text_2.jpg" alt="" width="1447" height="2901" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1708_Weblinks_dam_1707+08_s11_text_2.jpeg" alt="" width="1447" height="1273" /></p></p>
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<p><strong>1</strong> Braun RN: Richard Hermann Koch, einer unserer großen Ärzte, Hippokrates 8, 1959; 328 <strong>2</strong> Braun RN: Die Bedeutung des Hippokratischen Eides für die Medizin der Gegenwart. Sign.: Cod. Ser. n. 31575 Samml.: Han Wien, ÖNB (Manuskript um 1960 entstanden) <strong>3</strong> Braun RN, Fink W, Kamenski G: Angewandte Medizin – Wissenschaftliche Grundlagen. Wien: Facultas, 2004 <strong>4</strong> Braun RN, Fink W, Kamenski G: Lehrbuch der Allgemeinmedizin - Theorie, Fachsprache und Praxis. Horn: Berger, 2007 <strong>5</strong> Braun RN (†) (3. Auflage, neu hrsg. u. bearb. von Fink W, Kamenski G, Kleinbichler D): Braun Kasugraphie: (K)ein Fall wie der andere. Horn: Berger, 2010</p>
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