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Täglich eine Stunde Mehrarbeit
DAM
Autor:
Dr. Wolfgang Geppert
30
Min. Lesezeit
08.09.2016
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<p class="article-intro">Die aktuellen Meldungen der ELGA-Macher über den Testbetrieb der E-Medikation in Ordinationen des steirischen Bezirkes Deutschlandsberg erinnern stark an das Schönfärben in Sachen Zuverlässigkeit des E-Card-Systems. Heißt es jetzt „ELGA funktioniert technisch einwandfrei“, so hat diese Behauptung einen ähnlichen Wahrheitsgehalt wie der Spruch des Hauptverbandes „Eine Milliarde Mal berührt, eine Milliarde Mal ist nix passiert …“ anlässlich des 10. Geburtstags der Chipkarte.</p>
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<p class="article-content"><h2>Erinnerung an „10 Jahre e-card – 10 Jahre Ärgernis für Hausärzte“</h2> <p>Wir erinnern uns an den Ausspruch des ehemaligen Vorsitzenden im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, Dr. Hans Jörg Schelling: „Eine Milliarde E-Card-Steckvorgänge – diese Zahl steht für die hohe Verfügbarkeit und Performance des E-Card-Systems.“ Über das chaotische Krisenmanagement der Chipkarten-Gesellschaft verliert der damalige HV-Chef kein Wort. Seit Einführung der e-card gehören Ausfälle des Systems zum täglichen Brot des Vertragsarztes. Meist ein Horrorszenario für die Kassenpraxis. Chefarztrezepte müssen umständlich per Fax bewilligt werden. Der aktuelle Versicherungsstand des Patienten bleibt im Unklaren, weil nicht abrufbar. Fehlende Daten müssen nach Behebung des Ausfalls in umständlicher Weise nachgetragen werden. Alle Versuche, der Chipkarten-Gesellschaft ein besseres Krisenmanagement abzuringen, sind gescheitert.<br /> Meist dauert es Tage, bis der Fehler im System gefunden und die Störung behoben ist. Erst Ende vergangenen Jahres war zum Beispiel ein Kassen-Allgemeinmediziner in Strasshof im E-Card-System plötzlich nicht mehr existent. In einem Zeitraum von 12 Tagen ist es nicht gelungen, den Fehler zu beheben. Gleichzeitig gab es allein in Niederösterreich drei weitere Vertragsärzte, denen es ebenso erging. Es ist daher klar, dass gerade wir Hausärzte mit E-Card-Anbindung den Versprechungen der ELGA-Macher keinen Glauben schenken.<br /> ELGA und die Chipkarte e-card sind untrennbar miteinander verbunden. Die e-card ist der Türöffner für ELGA. Chipkarten-Gesellschaft und ELGA-Betreiber arbeiten unter einem Dach. Beide sind in Händen des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger. Die Unfähigkeit, Störungen rasch und unbürokratisch zu beheben, ist hundertmal belegt. Wer nicht einmal das begrenzte System der e-card störungsfrei betreiben kann, der steht beim Großprojekt ELGA vor einem unlösbaren Problem.</p> <h2>Irreführende Behauptung: „Keine Verzögerung in der täglichen Routine!“</h2> <p>Wenn jetzt in einer Presseaussendung behauptet wird: „Entgegen vereinzelten Erfahrungen beobachten wir bereits jetzt, dass es praktisch zu keiner Mehrarbeit und Zeitverzögerung in der täglichen Routine kommt“, dann muss das als irreführende Behauptung hingestellt werden. Ein Kassen-Allgemeinmediziner, der seine Teilnahme am Testbetrieb Ende Juli vorzeitig beendet hat, formuliert den Hauptgrund seines Ausstiegs klipp und klar: „Eine Stunde Mehrarbeit pro Ordinationstag.“ Das konnte er weder den Patienten noch seinem Praxisablauf zumuten.</p> <h2>„Situatives Opt-out“ in Deutschlandsberg unter den Teppich gekehrt?</h2> <p>Laut Vorgabe des ELGA-Gesetzes muss der Arzt vor Eingabe der Medikamente jeden Patienten über sein Recht aufklären, einzelne, von ihm gewünschte Präparate ausblenden zu lassen. Selbst Jahre nach dem ELGA-Start ist das Wissen über dieses sogenannte „situative Opt-out“ in der breiten Bevölkerung gleich null. Dafür trägt der Hauptverband die Verantwortung. Wie bei unzähligen anderen bürokratischen Schikanen auch ist es den Sozialversicherern gelungen, diese Knochenarbeit von den Angestellten der Krankenkassen fernzuhalten. Die notwendige Aufklärung wurde den Vertragsärzten als neuer, zusätzlicher „Schwarzer Peter“ zugeschoben. Selbstverständlich haben die an der E-Medikation teilnehmenden Ärzte diese Aufklärungsarbeit auch zu dokumentieren. Wer da noch behauptet, die E-Medikation brächte den Ärzten keine Mehrarbeit, der entlarvt sich als Märchenerzähler.</p></p>
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