
Einsatz von Progesteron, Pessar oder Cerclage bei Einlings- und Zwillingsschwangerschaften
Autorinnen:
Dr. med. Ladina Vonzun
Prof. Dr. med. Nicole Ochsenbein-Kölble
Klinik für Geburtshilfe
Universitätsspital Zürich
E-Mail: ladina.vonzun@usz.ch
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Die Vermeidung von Frühgeburten ist nach wie vor ein wichtiges Ziel in der Geburtshilfe. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die aktuellen Empfehlungen und fasst die Evidenz zum Einsatz von Progesteron, Cerclagen und Pessaren als primäre und sekundäre Präventionsmassnahmen bei Einlingen und Zwillingen zusammen.
Keypoints
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Bei der Prävention der Frühgeburt muss zwischen primärer und sekundärer Prävention unterschieden werden.
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Anamnese, Ultraschallbefund und die klinische Untersuchung definieren den Einsatz von Progesteron, Pessar oder Cerclage bei Einlings- und Zwillingsschwangerschaften.
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Eine individuelle Beratung ist bei allen Pfeilern der FG-Prävention empfohlen.
Zu keinem anderen Themenbereich der Geburtshilfe existieren so viele Metaanalysen und Reviews wie zur Prävention der Frühgeburt (FG) –und trotzdem bleibt bis dato vieles kontrovers diskutiert.1 Die FG-Rate in Europa liegt bei etwa 8,7% (6,3–13,3%), FG ist weiterhin die häufigste Ursache für perinatale Morbidität und Mortalität in der westlichen Welt.2 Bestrebungen, die FG-Rate zu reduzieren, sind daher ein zentrales Ziel der modernen Geburtshilfe.3,4 Im Folgenden werden die aktuellen Empfehlungen zum Einsatz von Progesteron, Pessar oder Cerclage bei Einlings- und Zwillingsschwangerschaften kurz beleuchtet und in Tabelle 1 zusammenfassend dargestellt. Wichtig dabei ist, zwischen primärer (Vorsorgemassnahmen bei asymptomatischen Patientinnen mit erhaltener Zervix) und sekundärer Prävention (Massnahmen bei Frauen mit asymptomatischer Zervixverkürzung) sowie zwischen Einlings- und Zwillingsschwangerschaften zu unterscheiden.
Primäre Prävention
Progesteron
Eine generelle Gabe von Progesteron zur Vermeidung der FG ist nicht indiziert. In den meisten Guidelines wird jedoch empfohlen, bei St.n. FG oder Spätabort Progesteron (200–400mg/Tag vaginal oder oral) grosszügig anzubieten.3,4
Eine vor Kurzem veröffentlichte randomisierte Studie (EVENT-Study) untermauert, dass es auch bei Zwillingsschwangerschaften keine generelle Empfehlung einer prophylaktischen Gabe von Progesteron gibt. Zwischen den Gruppen (Progesteron vs. Placebo) konnte kein signifikanter Unterschied in der FG-Rate beobachtet werden.3–5 Entsprechend hat die Gabe von Progesteron, wenn, dann nur einen kleinen Stellenwert bei der primären Prävention der FG.
Cerclage
Bei Frauen mit St.n. FG oder Spätabort kann eine prophylaktische Cerclage in Erwägung gezogen werden.4 Der Benefit gegenüber regelmässigen Ultraschallkontrollen und einem Eingreifen bei einer tatsächlichen Zervixverkürzung wird zurzeit noch diskutiert. Die aktuelle Datenlage zeigt bisher keinen Nachteil eines abwartenden Prozederes gegenüber einer prophylaktischen Cerclage hinsichtlich der Prävalenz der FG oder der perinatalen Mortalität.6 Bei der Beratung und Aufklärung im Zusammenhang mit dem Eingriff sind diese Aspekte selbstverständlich zu berücksichtigen und die Entscheidung für oder gegen die prophylaktische Cerclage muss weiterhin individuell abgewogen werden. Der Eingriff sollte dann im frühen 2. Trimenon und, falls erwünscht, nach abgeschlossener Pränataldiagnostik durchgeführt werden.
Eine prophylaktische Cerclage bei Zwillingsschwangerschaften ist nicht indiziert.3,4
Sekundäre Prävention
Progesteron
Bei Einlingsschwangerschaften mit asymptomatischer Zervixverkürzung ≤25mm vor der 25. SSW kann durch die Gabe von Progesteron vaginal, im Vergleich zu Placebo, eine signifikante Reduktion der FG-Rate ≤ 34. SSW und der neonatalen Morbidität erreicht werden.7,8
Obwohl die Datenlage bezüglich Progesterongabe bei Zwillingsschwangerschaften mit Zervixverkürzung etwas schwächer ist, wird die Gabe von Progesteron (200–400mg/Tag vaginal oder oral) in den Leitlinien der schweizerisch/deutschen und österreichischen Fachgesellschaft (SGGG/DGGG/ÖGGG) empfohlen.4
Zervixpessar
In der Literatur finden sich kontroverse Resultate bezüglich des Nutzens des Zervixpessars bei einer Zervix ≤25mm.9,10 Das American College of Obstetrics and Gynecology (ACOG) rät generell eher von der Einlage eines Zervixpessars ab.3 Bei uns wird die Einlage eines Pessars bei gegebener Indikation vor der 32. SSW niederschwellig angeboten, da – abgesehen von vermehrtem Ausfluss – keine negativen Auswirkungen zu erwarten sind.4,11 Massgebend für den Therapieerfolg ist dabei, dass ein Zervixpessar nur am wehenfreien Uterus eingesetzt wird.
Vaginalsonografische Kontrollen der Zervixlänge bei liegendem Pessar sind nicht indiziert.3
Für Zwillingsschwangerschaften gelten die gleichen Überlegungen und Empfehlungen.4,11
Cerclage
Bei der sekundären Prävention der FG wird zwischen der ultraschallindizierten (sonografisch verkürzte Zervix) und der klinisch indizierten Cerclage bzw. Notfallcerclage (sichtbare, ggf. prolabierende Fruchtblase) unterschieden.
In den Leitlinien sind Empfehlungen für eine Cerclage als sekundäre Präventionsmassnahme mit grosser Vorsicht formuliert und es wird stets auf eine fallbezogene Abwägung der Indikation hingewiesen.3,4 Berghella et al. konnten für Einlingsschwangerschaften ohne Vorgeschichte zeigen, dass ein möglicher Nutzen einer ultraschallindizierten Cerclage vor der 25. SSW erst ab einer Zervixverkürzung ≤10mm vorliegt.12 Der Benefit einer Cerclage bei klinischer Indikation wurde in einer 2015 publizierten Metaanalyse untersucht, die eine signifikante Verlängerung der Schwangerschaft (+5,4 SSW) sowie eine etwa 50%ige Reduktion der perinatalen Mortalität von etwa 60 auf 30% zeigte.13
Die beste Evidenz für den Nutzen der Cerclage als sekundärer Prävention der FG liegt für Fälle mit St.n. FG und einer Zervixlänge ≤25mm vor. Mehrere Metaanalysen zeigen einen signifikanten Vorteil der Cerclage gegenüber Bettruhe zur Reduktion der FG vor der 34. SSW (p<0,02) sowie eine Reduktion der perinatalen Mortalität und Morbidität.14,15
Eine aus 2019 stammende Metaanalyse hat gezeigt, dass die Cerclage bei Zwillingschwangerschaften mit einer Zervixverkürzung <15mm zu einer 6- bis 8-wöchigen Verlängerung der Schwangerschaft führt.16 Letztlich konnte eine 2020 publizierte randomisiert-kontrollierte Studie auch den Nutzen der klinisch indizierten Cerclage bei Zwillingen zeigen, wonach diese mit einem signifikant höheren Gestationsalter bei Geburt und einer geringeren neonatalen Morbitität und Mortalität einhergeht.17
Die Inhalte dieses Artikels waren Thema eines Vortrags beim Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, 23.–25. Juni 2022, St. Gallen
Literatur:
1 Medley N et al.: Clinical guidelines for prevention and management of preterm birth: a systematic review. BJOG 2018; 125(11): 1361-9 2 Chawanpaiboon S et al.: Global, regional, and national estimates of levels of preterm birth in 2014: a systematic review and modelling analysis. Lancet Glob Health 2019; 7(1): e37-46 3 American College of Obstetricians and Gynecologists‘ Committee on Practice Bulletins—Obstetrics: Prediction and prevention of spontaneous preterm birth: ACOG Practice Bulletin, Number 234. Obstet Gynecol 2021; 138(2): e65-90 4 Leitlinie der DGGG OuS. Prävention und Therapie der Frühbegurt (S2k-Niveau, AWMF-Resisternummer 015/025, Februar 2019) - Teil 1 mit Empfehlung zur Epidemiologie, Äthiologie, Prädiktion, primären und sekundären Prävention der Frühgeburt 5 Rehal A et al.: Early vaginal progesterone versus placebo in twin pregnancies for the prevention of spontaneous preterm birth: a randomized, double-blind trial. Am J Obstet Gynecol 2021; 224(1): 86.e1- 19 6 Berghella V, Mackeen AD: Cervical length screening with ultrasound-indicated cerclage compared with history-indicated cerclage for prevention of preterm birth: a meta-analysis. Obstet Gynecol 2011; 118(1): 148-55 7 Norman JE et al.: Vaginal progesterone prophylaxis for preterm birth (the OPPTIMUM study): a multicentre, randomised, double-blind trial. Lancet 2016; 387(10033): 2106-16 8 Romero R et al.: Vaginal progesterone for preventing preterm birth and adverse perinatal outcomes in singleton gestations with a short cervix: a meta-analysis of individual patient data. Am J Obstet Gynecol 2018; 218(2): 161-80 9 Saccone G et al.: Effect of cervical pessary on spontaneous preterm birth in women with singleton pregnancies and short cervical length: a randomized clinical trial. JAMA 2017; 318(23): 2317-24 10 Conde-Agudelo A et al.: Cervical pessary to prevent preterm birth in asymptomatic high-risk women: a systematic review and meta-analysis. Am J Obstet Gynecol 2020; 223(1): 42-65.e2 11 Zimmermann R (Hrsg.): Handbuch Geburtshilfe: ein praxisnaher Ratgeber. 3. Aufl. Gockhausen: Eigenverlag Verein zur Förderung der Spitzenmedizin in der Geburtshilfe Zürich, 2018 12 Berghella V et al.: Cerclage for sonographic short cervix in singleton gestations without prior spontaneous preterm birth: systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials using individual patient-level data. Ultrasound Obstet Gynecol 2017; 50(5): 569-77 13 Ehsanipoor RM et al.: Physical examination-indicated cerclage: a systematic review and meta-analysis. Obstet Gynecol 2015; 126(1): 125-35 14 Althuisius SM et al.: Cervical incompetence prevention randomized cerclage trial: emergency cerclage with bed rest versus bed rest alone. Am J Obstet Gynecol 2003; 189(4): 907-10 15 Berghella V et al.: Cerclage for short cervix on ultrasonography: meta-analysis of trials using individual patient-level data. Obstet Gynecol 2005; 106(1): 181-9 16 Li C et al.: Cerclage for women with twin pregnancies: a systematic review and metaanalysis. Am J Obstet Gynecol 2019; 220(6): 543-57.e1 17 Roman A et al.: Physical examination-indicated cerclage in twin pregnancy: a randomized controlled trial. Am J Obstet Gynecol 2020; 223(6): 902.e1-11
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