
«Fire Drill» im Kreisssaal
Autor:innen
Dr. med. Cécile Monod1
Prof. Dr. med. Thierry Girard2
1Universitätsfrauenklinik
Universitätsspital Basel, Schweiz
2Anästhesiologie
Universitätsspital Basel, Schweiz
Korrespondierender Autor:
Thierry Girard
E-Mail: thierry.girard@usb.ch
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Ein sorgfältig durchgeführter «Fire Drill» kann Leben retten und stellt sicher, dass alle Beteiligten auf den Ernstfall vorbereitet sind. Die Einführung eines «Fire Drill» im Kreisssaal erfordert eine gewissenhafte Planung und Sensibilität, da die Sicherheit von Patienten, Neugeborenen und dem Personal oberste Priorität hat.
Was?
In vielen Ländern ist der «Fire Drill» ein fester Bestandteil des Alltags, regelmässig wird zu Übungszwecken ein Feueralarm ausgelöst und Mitarbeitende besammeln sich am entsprechenden Treffpunkt. Im «Fire Drill» werden die Funktionalität der Notfallmelder, das Verhalten des Personals sowie die Fluchtwege und die Infrastruktur einem Realitätstest unterworfen.
Die Simulation kann zu verschiedenen Zwecken eingesetzt werden. In der Medizin verwenden wir Simulationen für viele verschiedene Zwecke (Tab. 1).
Training von Fertigkeiten
Beim Training von Fertigkeiten wird isoliert auf einzelne – in der Regel manuelle – Fertigkeiten fokussiert. Sie dienen einerseits den detaillierten Materialkenntnissen und andererseits dem Erlernen und der Festigung dieser Fertigkeiten. Beispiele aus derGeburtshilfe, resp. der geburtshilflichen Anästhesie, umfassen die Schulterdystokie (Abb. 1), vaginal operative Entbindungen, epidurale und spinale Punktionen sowie die Handhabung schwieriger Atemwegssituationen. Die «Skill Stations» sind rasch aufgebaut und können durchaus auch für das Training in Leerzeiten verwendet werden.
Training von Szenarien
Das Training seltener klinischer Szenarien ist anspruchsvoll, weil Abläufe trainiert werden, welche mehrere Berufsgruppen und meist auch mehrere Disziplinen betreffen. Entsprechend wird für die Planung und Durchführung mehr Koordination benötigt. Die zu trainierenden klinischen Szenarien sind etabliert und in Handlungsanweisungen (Algorithmen, «standard operating procedures» oder Leitlinien) beschrieben. Beispiele für solche Szenarien im Kreisssaal sind der eklamptische Krampfanfall, eine Allgemeinanästhesie zur Sectio oder die Behandlung einer postpartalen Blutung.
«Fire Drill»
Beim «Fire Drill» liegt der Fokus auf Abläufen der gesamten Abteilung. Der «Fire Drill» ist immer interprofessionell und interdisziplinär. Ein typisches Beispiel hierfür ist das Training einer Notfall-Sectio (Abb. 2).
Abb. 2: «Fire Drill»-Abläufe: Notfall-Sectio. a) Start im Gebärsaal, Auslösen des Alarms, b) Fahrt in den Operationssaal und OP-Vorbereitung, c) Debriefing
Wieso?
Das Erlernen klinischer Fertigkeiten hat sich über die Zeit wesentlich verändert. Manche Fertigkeiten sind komplexer geworden, andere werden aufgrund von Alternativen deutlich seltener angewandt. Zudem ist die klinische Exposition während der Weiterbildung durch Arbeitszeitbeschränkungen und durch den massiven Ausbau administrativer Tätigkeiten deutlich reduziert worden. Somit ist der Ansatz von «see one - do one - teach one» definitiv überholt. Der Einsatz von «Skill Stations» für das Erlernen und Festigen von (manuellen) klinischen Fertigkeiten ist bereits weitgehend etabliert. Die Weiterzubildenden können sich so mit dem Material vertraut machen und die Handgriffe in einer sicheren Umgebung am Phantom oder Simulator üben.
Die Simulation von Szenarien geht über das Training einzelner Fertigkeiten hinaus. Es werden Szenarien trainiert, welche entweder im Alltag relativ selten sind, oder solche, welche aufgrund von Dringlichkeit möglichst rasch und reibungslos ablaufen sollten. Für diese Szenarien bestehen etablierte Algorithmen oder «standard operating procedures» (SOP), welche bereits für den entsprechenden Kreisssaal optimiert wurden. In diesen Szenarien wird die interprofessionelle, evtl. auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit gestärkt und geschult. Mitarbeitende vertiefen ihr Wissen zu den Abläufen sowie zum zur Verfügung stehenden Material und Medikamenten sowie den entsprechenden Standorten.
Mit dem «Fire Drill» können einerseits gesamte Abläufe trainiert werden, andererseits können neue Elemente, wie zum Beispiel Checklisten, neues Material, neue SOP auf ihre Alltagstauglichkeit getestet werden. Bei jedem «Fire Drill» besteht die Chance, Schwachstellen in der Organisation oder im Ablauf zu identifizieren und entsprechend zu verbessern. Beim «Fire Drill» werden echte Alarme ausgelöst und sämtliche Patientinnentransporte werden real durchgeführt.
Die Frage nach dem «Wieso?» ist vielleicht nicht die richtige Frage. Vielmehr sollten wir uns fragen, «wieso nicht?». Sämtliche hier dargestellten Elemente einer Simulation sind mit minimalem technischem Aufwand durchführbar. Ein «High-fidelity»-Simulationszentrum ist hierzu nicht notwendig und ist – gerade im Kontext des «Fire Drill» – sogar kontraproduktiv, weil die tatsächlichen Abläufe im Simulationszentrum nicht geprüft werden können. Auch werden nicht unbedingt teure Simulationspuppen benötigt, auch Mitarbeiterinnen aus dem Team können die Patientin simulieren. Der Zeitbedarf ist überschaubar, den grössten Zeitaufwand erfordert die Nachbesprechung («Debriefing»), welche in der Regel zeitlich limitiert werden sollte. In der Literatur werden z.B. für die Notfall-Sectio eine Verkürzung der Entscheidungs-Entbindungszeit sowie verbessertes Outcome beschrieben. Die Auswirkungen auf das Selbstvertrauen und Stressreduktion des Teams lassen sich schwer quantifizieren, sie sind aber nicht zu unterschätzen.
Für wen?
Die Fertigkeiten sind für einzelne Berufsgruppen und entsprechend einfach zu organisieren und in den klinischen Alltag zu integrieren.
Die Trainingsszenarien, die sich auf spezifische geburtshilfliche Komplikationen konzentrieren, werden mit Hebammen und Ärzt:innen der Geburtshilfe durchgeführt. Bei anderen Szenarien sind auch das gesamte Team der Anästhesiepflege und Ärzt:innen der Anästhesie eingebunden.
Da Szenarien mehrere Berufsgruppen involvieren, ist die Organisation etwas aufwendiger. Je nach Szenario können diese auf einzelne Gruppen wie zum Beispiel Neonatologie, Anästhesiologie oder Geburtshelfer:innen fokussieren. Für bestimmte Szenarien, wie beispielsweise die postpartale Blutung, ist die Teilnahme der Hebammen, Ärzt:innen der Geburtshilfe, Anästhesiepflege und Ärzt:innen der Anästhesie besonders sinnvoll.
Beim «Fire Drill» ist es wesentlich, dass die realen Alarme ausgelöst werden und sämtliche Mitarbeitende involviert werden. Dies beinhaltet nicht nur die Geburtshelfer:innen, Hebammen, Anästhesiologie und die Neonatologie, sondern ebenfalls die Instrumentierpflege im OP. Das Auslösen realer Alarme und Fahren realer Transportwege und Üben aller Umlagerungen unterscheidet diese Art der Simulation vom Training einzelner klinischer Szenarien.
Wir planen regelmässig (zweiwöchentlich oder monatlich) ein interprofessionelles, interdisziplinäres Simulationstraining von einzelnen Szenarien oder einen «Fire Drill» ein. Bei einer übermässigen Arbeitsbelastung wird das Training allenfalls ausgesetzt. Es erscheint jedoch für die Durchführung dieser Trainings zielführender, kurzfristig abzusagen und nicht gezielt nach «ruhigen» Tagen zu suchen. Wird ein Training durchgeführt, so informieren wir die involvierten Personen über die bald stattfindende Simulation. Für das Debriefing kann eine Videoaufnahme (z.B. mit einem Smartphone) hilfreich sein. Hierzu muss jedoch die Zustimmung aller Beteiligten eingeholt werden. Wird eine Videoaufnahme für das Debriefing verwendet, so muss verstärkt auf die Einhaltung des zeitlichen Rahmens geachtet werden.
Literatur:
• Siassakos D et al.: Retrospective cohort study of diagnosis-delivery interval with umbilical cord prolapse: the effect of team training. BJOG 2009; 116(8): 1089-96 • Wang Y et al.: Effect of in situ simulation training for emergency caesarean section on maternal and infant outcomes. BMC Med Educ 2023; 23(1): 781 • MacLennan K et al.: Simulation-based training in obstetric anesthesia: an update. Int J Obstet Anesth 2023; 54: 103643
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