© Achiraya - stock.adobe.com

CCC Vienna Cancer Update

Gynäkologische Tumoren: Neues und State of the Art

Im Oktober drehte sich beim Cancer Update des Comprehensive Cancer Center (CCC) Vienna alles um gynäkologische Tumoren – von der Impfprävention über das Staging bis zu den Therapieoptionen und Möglichkeiten zur Erhaltung der Fertilität. Durch die Veranstaltung führten Univ.-Prof. Dr. Nicole Concin und Univ.-Prof. Dr. Joachim Widder.

Bewährtes und Innovationen beim Ovarialkarzinom

Das Cancer Update wurde eingeleitet von Assoc. Prof. PD Dr. Christoph Grimm, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, MedUni Wien/AKH Wien. Er stellte Therapiestandards und innovative Entwicklungen beim Ovarialkarzinom vor.

In der Primärtherapie des Ovarialkarzinoms habe es dramatische Veränderungen bei der systemischen Behandlung, vor allem der Erhaltungstherapie, gegeben, sagte er. „Wir haben praktisch keine Patientin mehr, die keine Erhaltungstherapie erhält“, so Grimm. Sowohl in der Primärtherapie wie auch beim Rezidiv habe die Zugabe von Bevacizumab zur Standardtherapie das progressionsfreie Überleben (PFS) um drei bis vier Monate verlängert, und das unabhängig davon, ob die Tumoren platinsensitiv oder -refraktär waren, betonte er. Dagegen ist die Wirkung der PARP-Inhibitoren (PARPi) stark abhängig von der jeweiligen Molekularpathologie des Tumors. So bewirken sie vor allem bei BRCA-Mutation einen Überlebensvorteil. Bei BRCA-negativen Tumoren mit einer homologen Rekombinations-Defizienz (HRD) haben sie ebenfalls noch Vorteile; bei HRD-negativen Tumoren aber nicht.1 Grimm betonte, dass daher möglichst jede Patientin mit Ovarialkarzinom auf BRCA-Mutationen und HRD getestet werden sollte, um die Therapie präzise einsetzen zu können.2

Der Stellenwert der Chirurgie habe sich nicht verändert. Ziel sei nach wie vor die vollständige Resektion ohne Tumorresiduen, gefolgt von Chemotherapie und der bestmöglichen Erhaltungstherapie, sagte Grimm. Trotz der starken Verlängerung des mittleren Gesamtüberlebens von 18 auf mittlerweile 56 Monate gibt es noch immer Patientinnen mit sehr hohem Rezidivrisiko. Für dieses Kollektiv werden in klinischen Studien nun Dreifachkombinationen für die Erhaltungsherapie getestet. Grimm nannte als Beispiel die dreiarmige Duo-O-Studie, die Bevacizumab/Durvalumab/Olaparib mit Bevacizumab/Durvalumab und Bevacizumab mono verglichen hat.3 Hier wurde ein deutlicher PFS-Vorteil der Dreifachkombination (Arm 3) gegenüber Bevacizumab alleine (Arm 1) beobachtet (24,4 vs. 19,3 Monate; p<0,0001). Allerdings war auch die Rate an Nebenwirkungen Grad ≥3 höher (49 vs. 27%), was in Arm 3 häufiger zum Studienabbruch führte (26 vs. 13%).3 Daher sei es wichtig, stets mit der Patientin den Nutzen gegen die Nebenwirkungen einer Therapie abzuwägen, betonte Grimm. Und obwohl die DUO-O-Studie positiv ausgefallen sei, müsse der Stellenwert der Immuntherapie beim Ovarialkarzinom noch geklärt werden, denn große Studien zum Thema seien bislang negativ ausgefallen, sagte er.

Rezidivtherapie beim Ovarialkarzinom

Hier gab es bei der chirurgischen und der systemischen Therapie Neuerungen. Grimm erwähnte besonders die DESKTOP-III-Studie, die den Stellenwert der Rezidivoperation untersuchte. Sie konnte zeigen, dass eine Rezidiv-OP das mediane Gesamtüberleben (mOS) verlängern kann, sofern es möglich ist, den Tumor vollständig zu entfernen.4 Wichtig sei dabei, die geeigneten Patientinnen auszusuchen, so Grimm. Dafür wurde eigens ein Score entwickelt und evaluiert. Danach kommen Patientinnen mit ECOG-Performance-Status 0, R0-Resektion in der ersten OP und Aszites <500ml für eine Rezidiv-OP infrage. Laut Grimm sind dies 20–25% der Patientinnen mit Spätrezidiv.

Hinsichtlich der Systemtherapie gibt es mit der Einführung der Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC) Hoffnung für Patientinnen mit platinresistenten Rezidiven. Dabei wird ein hochpotentes Chemotherapeutikum an einen Antikörper gekoppelt und so zielgerichtet an die Tumorzelle gebracht. Dort wird es von der Zelle aufgenommen und kann seine zytotoxische Wirkung entfalten. Das ADC Mirvetuximab Soravtansine (MIRV) steht bereits kurz vor dem Einsatz in der klinischen Praxis.5 Ein anderes ADC ist Trastuzumab Deruxtecan (T-DXd). Es wurde in der Studie DESTINY-PanTumor02 erfolgreich an verschiedenen soliden Tumoren getestet, auch am Ovarial-, Endometrium- und Zervixkarzinom.6 Bei den ADC ist die Selektion der geeigneten Patientinnen ebenfalls ausschlaggebend für den Therapieerfolg.5,6

Paradigmenwechsel beim Endometriumkarzinom

In der Stadieneinteilung und der Therapie des Endometriumkarzinoms ist viel in Bewegung. Kein Wunder also, dass Univ.-Prof. Dr. Nicole Concin, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, MedUni Wien/AKH Wien, die Paradigmenwechsel beim Endometriumkarzinom näher beleuchtete. „Unsere Sichtweise auf dieses Malignom hat sich komplett verändert“, sagte sie. Das Endometriumkarzinom sei keine singuläre Krankheit, sondern mindestens vier molekular definierte, vollkommen unterschiedliche Erkrankungen mit unterschiedlicher Prognose, erklärte Concin. Die molekularen Subgruppen können mittels Immunhistochemie und Mutationsanalysen bestimmt werden.7,8

Die günstigste Prognose haben Endometriumkarzinome mit POLE-Mutation (5–15% der Fälle).9 Diese Tumoren sind ultramutiert und sprechen aufgrund dessen gut auf Immuntherapien an.10 „MSI-high“- bzw. „mismatch repair“-defiziente (dMMR) Tumoren (25–30%) sind in der „mittleren“ Prognosegruppe.9 Sie sind hypermutiert und sprechen ebenfalls auf Immuntherapien an.10 Die schlechteste Prognose haben p53-abnormale (p53abn) Endometriumkarzinome (5–15%), welche durch TP53-Mutationen gekennzeichnet und sensitiv für eine platinbasierte Chemotherapie sind.9,12,13 Die größte Gruppe (30–40%) sind Endometriumkarzinome mit unspezifischem molekularem Profil („non-specific molecular profile“, NSMP).9 Diese Gruppe umfasst Tumoren, die nicht einer der anderen drei Gruppen zugeordnet werden können. Es handelt sich hier in der überwiegenden Mehrzahl um gut differenzierte endometroide Endomkarzinome, aber auch um schlecht differenzierte Karzinome. Die Prognose innerhalb dieser NSMP Gruppe hängt sehr stark vom Malignitätsgrad ab.11

Die schlechteste Prognose haben p53-abnormale (p53abn) Endometriumkarzinome (5–15%), welche durch TP53-Mutationen gekennzeichnet und sensitiv für eine platinbasierte Chemotherapie sind.9,12,13 Diese Erkenntnisse sind in die internationalen Leitinien eingeflossen, unter anderem in die gemeinsame Leitlinie der ESGO, ESTRO und ESP sowie die ESMO-Guidelines.9,14 Demnach soll bei allen Patientinnen mit Endometriumkarzinom eine molekulare Klassifizierung vorgenommen werden.9,14 Und da das FIGO Staging primär ein prognostisches System ist , wurden die biologischen und molekularen Marker auch in das FIGO-Staging-Schema aufgenommen.15 Dies erlaubt eine präzisere Stadieneinteilung und eine genauere Prognose.16

Relevanz für Therapieentscheidungen

Das vertiefte Wissen um die Molekularbiologie des Endometriumkarzinoms habe Einfluss auf die Wahl der adjuvanten Therapie, wie Concin erklärte. So sei beispielsweise eine Patientin mit Tumorstadium I–II und POLE-Mutation zu behandeln wie eine Patientin mit niedrigem Rezidivrisiko, also ohne adjuvante Therapie, sagte sie.14 Dagegen habe eine Patientin mit p53abn-Endometriumkarzinom mit einer Infiltration des Myometriums (Muskelschicht der Gebärmutter) unabhängig vom Stadium immer ein hohes Rezidivrisiko. Sie sollte daher eine intensivierte Behandlung erhalten (Bestrahlung gemeinsam mit einer konkomitanten und adjuvanten Chemotherapie, oder eine sequenzielle Strahlen- und Chemotherapie, oder eine alleinige Chemotherapie), betonte Concin.14 Außerdem zeigte sie anhand von großen randomisierten Studien, dass sich zum Beispiel bei Patientinnen mit einem fortgeschrittenen/rezidivierten dMMR-Karzinomen das Gesamtüberleben durch die Zugabe von Immuntherapie zur platinbasierten Chemotherapie signifikant verlängerte. Daher müssten die molekularen und biologischen Marker in Zukunft auch in die Designs klinischer Studien einfließen, forderte Concin. Zuletzt ging sie noch auf die chirurgische Therapie ein. Hier stehen im frühen Stadium (I, II) der minimalinvasive Ansatz und die Sentinellymphknotenbiopsie im Vordergrund.14

Blicken auf eine erfolgreiche Fortbildungsveranstaltung (v.l.): Prof. Elmar Joura, Dr. Alina Sturdza, Prof. Christoph Grimm, Dr. Marlene Hager, Prof. Joachim Widder, Prof. Nicole Concin und Prof.Stephan Polterauer

Aktuelles zum Zervix- und Vulvakarzinom

Assoc. Prof. PD Dr. Stephan Polterauer, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, MedUni Wien/AKH Wien, ging in seinem Vortrag auf Neuigkeiten und aktuelle Leitlinien beim Zervix- und Vulvakarzinom ein.

Zervixkarzinom

Etwa die Hälfte aller Zervixkarzinome werde im Rahmen des Screenings entdeckt und sei in einem frühen Stadium, erklärte Polterauer. Diese Patientinnen können durch eine Operation geheilt werden. Klassisch sei dabei die radikale, vollständige Hysterektomie, die allerdings mit intra- und postoperativen Komplikationen einhergehen kann, sagte er. Inzwischen wird die Querleu-Morrow-Klassifikation angewandt, um die Radikalität des Eingriffs individuell an die Tumorausdehnung anzupassen und dabei möglichst nervenschonend zu operieren.17 Polterauer ging dann auf die SHAPE-Studie ein, an der auch die Gynecologic Cancer Unit des CCC Vienna beteiligt war. Sie hatte die radikale mit der einfachen Hysterektomie einschließlich Sentinellymphknoten bei Zervixkarzinomen der Stadien IA2–IB1 ≤2cm mit <10mm Stromainvasion verglichen.18 Primärer Endpunkt war die Rate an pelvinen Rezidiven nach drei Jahren. Wichtig seien die Selektion der Patientinnen und hohe Qualitätsstandards der beteiligten Zentren, betonte Polterauer. Nach einer medianen Nachbeobachtung von 4,5 Jahren lag die Rezidivrate in beiden Gruppen unter 3%, was die Nichtunterlegenheit der einfachen Hysterektomie bei diesem ausgewählten Patientinnenkollektiv zeigte. Zudem kam es seltener zu Komplikationen wie Harninkontinenz oder -retention, was sich auch in einer besseren Lebensqualität spiegelte.18

Bei primär metastasierten Zervixkarzinomen, die nicht durch die alleinige Operation geheilt werden können, ist man bei der Behandlung von der reinen Chemotherapie abgekommen. Neue biomarkergesteuerte Kombinationen aus Chemotherapie, Checkpoint-Inhibitoren und Bevacizumab verlängern sowohl das PFS wie auch das OS.19 Auch ADC wie Tisotumab Vedotin (FDA-Zulassung 2021, EMA-Zulassung erwartet) werden derzeit getestet und bieten innovative Therapien bei rezidiviertem Zervixkarzinom.20 Eine weitere Substanzgruppe sind die TROP2-Inhibitoren. Hier nimmt die Gynecologic Cancer Unit ebenfalls an einer Studie teil, für die gerade Patientinnen rekrutiert werden.

Vulvakarzinom

Bei dieser Entität ist das chirurgische Vorgehen ebenfalls weniger radikal als früher. Ziel sei es, den Tumor im Gesunden zu entfernen und weniger konsumierende Resektionen vorzunehmen, erläuterte Polterauer. Außerdem sollte mit der plastisch-rekonstruktiven Chirurgie zusammengearbeitet werden. Auch hier ist die Sentinellymphknoten-OP etabliert. Bei positivem Sentinellymphknoten ist die Differenzierung zwischen Mikro- und Makrometastasen wichtig für die weitere Behandlung. Bei Mikrometastasen genügt eine Radiotherapie, bei Makrometastasen ist eine systematische Lymphadenektomie angezeigt.21

State of the Art der Radioonkologie beim Zervixkarzinom

Eine andere Perspektive auf die Therapie eröffnete Dr. Alina Sturdza, Universitätsklinik für Radioonkologie, MedUni Wien/AKH Wien. Bei Zervixkarzinomen im fortgeschrittenen Stadium ist die Radiochemotherapie (RCT) gefolgt von einer Brachytherapie Standard.

Sturdza zeigte innovative Applikatoren für die Brachytherapie, die MRT- und Ultraschall-gestützt das Zielgebiet sehr gut abdecken. Damit könnten auch große Tumoren, sofern sie auf die Bestrahlung ansprechen, geheilt werden, sagte sie und führte die EMBRACE-Studie an, die die lokale Tumorkontrolle und Morbidität der MRT-gestützten Brachytherapie nach RCT bei mehr als 1300 Patientinnen untersuchte. Die 5-Jahres-Rate der lokalen Tumorkontrolle lag bei 92%, die OS-Rate über alle Stadien bei 74%, bei insgesamt akzeptablen Nebenwirkungsraten. Die höchsten Nebenwirkungsraten hatten Patientinnen mit Tumoren ab Stadium IIIA–IIIB.22 Aufgrund dieser Studie ist die RCT plus MRT-gestützte Brachytherapie in den aktuellen Zervixkarzinom-Leitlinien Therapie der Wahl für lokal fortgeschrittene Tumoren. Ist kein MRT verfügbar, ist auch eine CT-gestützte Brachytherapie möglich.23

Die Studie KEYNOTE-A18 untersuchte die Zugabe von Pembrolizumab während der RCT sowie zwei Jahre nach Ende der äußeren Bestrahlung im Vergleich zur Standardtherapie. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 18 Monaten lag das PFS in der Pembro-Gruppe bei 68% (vs. 57%, p=0,002). Nebenwirkungen >Grad 3 traten unter Pembrolizumab bei 75% auf (vs. 69%).24

Zervixkarzinome verhindern: bis 30 HPV-Impfung, ab 30 HPV-Testung

So gut die modernen Therapien auch sind, noch besser ist es, Zervixkarzinome zu verhindern. Dies ermöglicht die Impfung gegen den Hauptverursacher, das humane Papillomavirus (HPV). Ao. Univ.-Prof. Dr. Elmar Joura, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, MedUni Wien/AKH Wien, gab ein Update zur HPV-Impfung und zum Screening. Inzwischen liegen aus Dänemark, Schweden und aktuell Schottland Daten zur Wirksamkeit der HPV-Impfung vor. Bei früher Impfung (bis zum 12. Lebensjahr) sind demnach bis zu 90% der Zervixkarzinome zu verhindern. Wie die schottische Studie zeigt, genügt bei früher Impfung unter Umständen eine Dosis für den vollständigen Schutz. Bei älteren Mädchen sind dagegen alle nach dem Impfschema vorgesehenen Dosen nötig.25 Joura zeigte dazu auch Daten aus Deutschland. Das Land sei gut mit Österreich vergleichbar, da dort die Durchimpfungsrate wie in Österreich zu wünschen übrig lasse, sagte er. Dennoch ist die Zahl invasiver Zervixkarzinome seit Einführung der HPV-Impfung zurückgegangen.26

Durch HPV werden sechs verschiedene Karzinome verursacht, neben dem Zervix- etwa das Analkarzinom, das beide Geschlechter betrifft. Daten aus Dänemark zeigen, dass es durch die Impfung praktisch eliminiert werden kann.27 Das Gleiche gilt für das HPV-assoziierte Oropharyngealkarzinom, das fast ausschließlich durch HPV16 ausgelöst wird. Es kann ebenfalls zu etwa 90% durch alle verfügbaren HPV-Impfstoffe reduziert werden.28 In den USA haben Kopf-Hals-Tumoren bei Geimpften im Vergleich zu Ungeimpften um 56% abgenommen.29

HPV-Impfprogramm in Österreich

Die primäre Zielgruppe sind Kinder im Alter von neun bis elf Jahren. Im Juli wurde das Impfprogramm erweitert: Nun sind „Catch-up“-Impfungen bis zum 30. Geburtstag kostenlos. Dabei werden zwei Impfdosen im Abstand von sechs bis zwölf Monaten verabreicht. Diese Anwendung sei zwar „off-label“, doch die Entscheidung des Nationalen Impfgremiums beruhe auf validen Daten, sagte Joura. So konnte gezeigt werden, dass bei Frauen im Alter von 15 bis 26 Jahren zwei Impfdosen zu höheren Antikörpertitern gegen fast alle HPV-Stämme führten als drei Dosen.

Früherkennung

Seit mehr als zehn Jahren sei bekannt, dass die HPV-Testung dem Pap-Test zur Zervixkarzinom-Früherkennung überlegen ist, doch noch immer sei die Finanzierung nicht gesichert, kritisierte Joura. Durch die primäre HPV-Testung bei allen Frauen ab 30 Jahren könnten invasive Zervixkarzinome um 60% reduziert werden, sagte er.

Besonders wies er auf Länder hin, die einen HPV-Selbsttest aus dem Harn für Menschen anbieten, die aus unterschiedlichen Gründen nicht an einem Screening-Programm teilnehmen. Joura erklärte, dass die HPV-Testung aus dem Harn mit der aus einem Abstrich vergleichbar sei.31 Sein Fazit: „Bis 30 impfen – ab 30 testen!“

Onkofertilität

Krebs betrifft häufig Menschen im reproduktionsfähigen Alter. Die Therapie und die Krankheit selbst können die Fertilität beeinträchtigen oder komplett zerstören. Wie sie geschützt und erhalten werden kann, war Thema des Vortrags von PD DDr. Marlene Hager, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, MedUni Wien/AKH Wien.

Sie erklärte, dass es bei Beratungen zur Onkofertilität nicht nur um die Fertilität an sich geht, sondern auch um die Gesundheit der Frau: Infolge der Therapie kann es zum vorzeitigen Eintritt der Wechseljahre („premature ovarian insufficiency“, POI) kommen. Wird die POI nicht behandelt, so sinkt die Lebenserwartung.32 Eine Fertilitätsprotektion sei immer dann gerechtfertigt, wenn die Heilungsraten oder zumindest das 5-Jahres-OS hoch sind, das Risiko für eine Sterilität infolge der Therapie groß ist und die protektiven Maßnahmen risikoarm und effektiv sind, sagte Hager. Folgende Möglichkeiten stehen zur Verfügung:

  • Kryokonservierung von Eizellen, Blastozysten oder Embryonen

  • Downregulation der ovariellen Aktivität mit GnRH-Analoga

  • Einfrieren von Eierstockgewebe („ovarian tissue cryopreservation“, OTC)

  • Ovartransposition, z.B. bei Strahlentherapie

Die Downregulation mit GnRH-Analoga ist die am häufigsten gewählte Methode.Dabei sei zu beachten, dass es in der Regel in den ersten fünf bis sieben Tagen der Therapie zu einer vermehrten Aktivität der Ovarien kommt, sagte Hager. Sollte in dieser Zeit eine Chemotherapie angesetzt sein, müssten unbedingt GnRH-Antagonisten dazugegeben werden, betonte sie.

Die Kryokonservierung von Eizellen und Blastozysten ist ein in der In-vitro-Fertilisation schon lange etabliertes Verfahren. Daher seien Risiko und Erfolgschancen gut kalkulierbar, so Hager. Nachteile seien der Zeitaufwand von zwei bis drei Wochen, die Hormonexposition der Patientin, die hohen Kosten, die nicht erstattet werden, und die erforderliche transvaginale Follikelpunktion, erklärte sie.33

Dagegen gibt es bei der OTC keine Therapieverzögerung und es ist auch keine hormonelle Stimulation nötig. Sie ist gut geeignet für präpubertäre Mädchen, bei denen noch keine Eizellen entnommen werden können. Die OTC erhält die endokrine Funktion und die Fertilität. Ihr Nachteil ist, dass zwei Eingriffe nötig sind: um Gewebe zu entnehmen und später wieder zu implantieren.33

Hager wies darauf hin, dass vor jeder Maßnahme möglichst frühzeitig eine ausführliche Beratung der Patientin stehen muss, am besten durch eine:n Reproduktionsmediziner:in. Vor allem sollte vor Beginn der Tumortherapie ausreichend Zeit für die jeweilige Maßnahme eingeplant werden. Das größte Problem sei noch immer die Finanzierung, da die Kosten bislang nicht übernommen werden, kritisierte sie.

CCC Vienna Cancer Update: Gynäkologische Krebserkrankungen – neue Leitlinien, 16. Oktober 2024 (hybrid)

1 Ray-Coquard I et al.: Ann Oncol 2023; 34(8): 681-92 2 DiSilvestro P et al.: Cancers 2021; 13(22): 5756 3 Harter P et al.: J Clin Oncol 2023; 41(Suppl. 17): LBA5506 4 Du Bois A et al.: J Clin Oncol 2020; 38(Suppl. 15): Abstr. #6000 5 Moore KN et al.: J Clin Oncol 2023; 41(Suppl. 17): LBA5507 6 Meric-Bernstam F et al.: J Clin Oncol 2023; 41(Suppl. 17): LBA3000 7 Kandoth C et al.: Nature 2013; 497(7447): 67-73, 8 Talhouk A et al.: Cancer 2017; 123(5): 802-13 9 Oaknin A et al.: Ann Oncol 2022; 33(9): 860-77 10 Openshaw MR, McVeigh TP: Front Digit Health 2020; 2: 573010 11 Makker V et al.: Nat Rev Dis Primers 2021; 7(1): 88 12 Bianco B et al.: Transl Cancer Res 2020; 9(12): 7706-15 13 León-Castillo A et al.: J Clin Oncol 2020; 38(29): 3388-97 14 Concin N et al.: Int J Gynecol Cancer 2021; 31(1): 12-39 15 Berek JS et al.: Int J Gynaecol Obstet 2023; 162(2): 383-94 16 Schwameis R et al.: Eur J Cancer 2023; 193: 113317 17 Querleu D et al.: Ann Surg Oncol 2017; 24(11): 3406-12 18 Plante M et al:. N Engl J Med 2024; 390(9): 819-29 19 Colombo N et al.: N Engl J Med 2021; 385(20): 1856-67 20 Vergote I et al.: Ann Oncol 2023; 34(Suppl. 2): S1254-335 (#LBA9) 21 Oonk MHM et al.: Int J Gynecol Cancer 2023; 33(7): 1023-43 22 Pötter R et al.: Lancet Oncol 2021; 22(4): 538-47 23 Cibula D et al.: Int J Gynecol Cancer 2023; 33(5): 649-66 24 Lorusso D et al.: Lancet 2024; 403(10434): 1341-50 25 Palmer TJ et al.: J Natl Cancer Inst 2024; 116(6): 857-65 26 Grieger P et al.: Dtsch Arztebl Int 2024; 121(13): 415-21 27 Baandrup L et al.: JNatl Cancer Inst 2024; 116(2): 283-7 28 Chaturvedi AK et al.: J Clin Oncol 2018; 36(3): 262-7 29 DeKloe J et al.: JClin Oncol 2024; 42(Suppl. 16): Abstr. #10507 30 Berenson AB et al.: NEJM Evid 2024; 3(2): EVIDoa2300194 31Van Keer S et al.: Gynecol Oncol 2021; 162(3): 575-83 32 ESHRE Guideline „Premature Ovarian Insufficiency (POI)“: www.eshre.eu/guidelines (Zugriff 20.11.2024) 33 Donnez J, Dolmans MM: N Engl J Med 2017; 377(17): 1657-65

Back to top