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Infektionen durch Einführung der Impfung reduziert
Jatros
30
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14.07.2016
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<p class="article-intro">Für die Effektivität hinsichtlich der Reduktion von HPV-assoziierten Dysplasien und invasiven Karzinomen durch die Impfprophylaxe liegt umfassende Evidenz vor. Österreich nimmt insofern eine Pionierrolle ein, als hier weltweit die erste Impfempfehlung für beide Geschlechter ausgesprochen wurde. Seit Mai 2016 ist nun auch Gardasil 9 als dritter Impfstoff zugelassen, er bietet im Vergleich mit Gardasil 4 einen Schutz gegenüber weiteren 5 HPV-Stämmen.</p>
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<p class="article-content"><p>In der Entwicklung der HPV-Impfungen nahm Österreich von Anfang an eine zentrale Rolle ein: Bereits 1992 hat der Dermatologe Univ.-Prof. Dr. Reinhard Kirnbauer von der Medizinischen Universität (MU) Wien das Prinzip der Impfungen entdeckt und publiziert: Das Papillomavirus-Hauptcapsid-Protein L1 stellt selbst virusähnliche Partikel her, die hoch immunogen sind und die Grundlage für die heute verfügbaren HPV-Impfungen bilden.<sup>1</sup><br /> „Auch in der Prüfung von HPV-Impfstoffen im Rahmen von klinischen Studien, die 2001 begonnen hat, spielt Österreich eine führende Rolle. Österreich war im Jahr 2007 das erste Land weltweit, in dem eine Impfempfehlung auch für Buben ausgesprochen worden ist“, berichtete Univ.-Prof. Dr. Elmar Joura, Univ.-Klinik für Frauenheilkunde, MU Wien, über die innovative Position Österreichs im Zusammenhang mit der HPV-Impfung.<br /> Im Jahr 2007 waren zwei Impfstoffe – der bivalente (bHPV; 16/18) und der quadrivalente (qHPV; 6/11/16/18) – verfügbar, die beide vergleichbar gut gegen die HPV-Stämme 16 und 18 wirken.<sup>2</sup></p> <h2>Effektivität auch an anderen Lokalisationen</h2> <p>Zunächst wurden die Impfungen nur mit dem Fokus auf die Prophylaxe von zervikalen Dysplasien und des Zervixkarzinoms entwickelt. Inzwischen ist nachgewiesen, dass auch bei bereits Infizierten eine Wirksamkeit erzielbar ist: Bei Patientinnen, bei denen bereits Konisationen durchgeführt worden waren, wurden in zwei Dritteln der Fälle weniger Rezidive verzeichnet. Dasselbe konnte für Frauen mit Genitalwarzen, vulvären (VIN) oder vaginalen intra­epithelialen Neoplasien (VaIN) gezeigt werden, die mit qHPV geimpft worden waren.<sup>3</sup> Zu den weiteren Lokalisationen, die eine Prädisposition für die Entwicklung von HPV16/18-assoziierten Karzinomen aufweisen, zählen Anus, Penis und allen voran Kopf- und Halstumoren – Letztere kommen bei Männern mit einer 5-fach höheren Inzidenz als bei Frauen vor.<sup>4</sup> In einer schwedischen Übersichtsarbeit<sup>5</sup> konnte gezeigt werden, dass die Zahl HPV-positiver Karzinome des Oropharynx im Begriff ist anzusteigen – im Vergleich zu HPV-negativen Tumoren weisen sie zwar eine bessere Prognose auf, ein substanzieller Anteil dieser Malignome könnte jedoch primär durch die Impfprophylaxe verhindert werden.</p> <h2>Implementierung ins österreichische Impfprogramm</h2> <p>Seit 2014 gibt es in Österreich ein voll finanziertes Impfprogramm – dabei handelt es sich um das erste in Europa, das geschlechtsneutral finanziert ist. Die Impfung ist für Kinder in der 4. Klasse Volksschule vorgesehen und bis zum 12. Lebensjahr kostenlos. Danach kann sie bis zum 15. Lebensjahr zu einem Preis von ca. 50 Euro/Dosis in öffentlichen Gesundheitsstellen bezogen werden. Gemäß den vom Bundesministerium für Gesundheit (<a href="http://www.bmg.gv.at/" target="_blank">http://www.bmg.gv.at/</a>) für das Jahr 2015 veröffentlichten Daten liegt die Durchimpfungsrate zurzeit bei ca. 60 % (Abb. 1).<br /> Als Argumente für die geschlechtsneutrale Impfung führte Joura an, dass auf diese Weise eine optimale Durchimpfung erzielt und eine Herdenimmunität aufgebaut werden kann. So gesehen ist die Impfung auch von Buben absolut kosteneffektiv. „Dazu kommen gesundheitspolitische Überlegungen – bei einer Durchimpfung nur von Mädchen wären homosexuelle Männer ungeschützt“, ergänzte der Experte.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Gyn_1603_Weblinks_Seite36_1.jpg" alt="" width="609" height="434" /></p> <h2>Warum das junge Impfalter?</h2> <p>Als einen der Gründe für das junge Impfalter führte der Gynäkologe an, dass in diesem Setting die Prophylaxe sicherer ist: „Wir wissen aus unseren Studien, dass bei den 14- bis 16-Jährigen bereits ca. 20 % seropositiv sind, bei den 10-Jährigen liegt der Prozentsatz erst bei 2.“<br /> Ein weiteres wesentliches Kriterium für die Impfung in der genannten Altersgruppe ist die Immunogenität: Nachweislich können vor der Pubertät höhere Antikörpertiter erzielt werden, was auch die Langzeitwirkung günstig beeinflussen dürfte: Dobson et al<sup>6</sup> konnten nachweisen, dass zwei Dosen bei den 9- bis 13-Jährigen zu höheren Antikörperspiegeln führen als drei Dosen bei den 16- bis 26-Jährigen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Gyn_1603_Weblinks_Seite36_2.jpg" alt="" width="601" height="456" /></p> <h2>Gardasil 9 – der neue nonavalente Impfstoff</h2> <p>Am 2. Mai 2016 ist ein neues Kapitel der Prophylaxe von HPV-Infektionen aufgeschlagen worden: Die EMA (European Medicines Agency; <a href="http://www.ema.europa.eu/ema" target="_blank">www.ema.europa.eu/ema</a>) hat den nonavalenten Impfstoff Gardasil 9 (9vHPV) ab einem Alter von 9 Jahren zugelassen; er ist zusätzlich gegen die HPV-Stämme 31, 33, 45, 52 und 58 wirksam.<sup>7</sup> Analog zu qHPV8 sind bei 9vHPV die Verabreichung von zwei Dosen an Kinder zwischen 9 und 14 Jahren und die Gabe von drei Impfdosen an Personen ≥15 Jahre im Zulassungstext angegeben.<sup>7</sup><br /> <br /> Die Ergebnisse der Zulassungsstudie<sup>9</sup>, in der der Impfstoff qHPV an 14.000 jungen Frauen verglichen worden ist, sind im Februar 2015 publiziert worden: Gegen alle CIN (zervikalen intraepithelialen Neoplasien) konnte eine Schutzwirkung von 98,2 % , gegenüber CIN3 sogar im Ausmaß von 100 % verzeichnet werden, wodurch bei Geimpften von einer Reduktion der Konisationen auszugehen ist. Auch gegenüber VIN und VaIN konnte in der Per-Protokoll-Analyse eine Effektivität von bis zu 100 % nachgewiesen werden (Tab. 1). Beim invasiven Zervixkarzinom führt die nonavalente Impfung zu einem 20 % igen Zugewinn an Schutz.<br /> <br /> Als Auflage für die Zulassung haben EMA und FDA (Food and Drug Administration) vorgegeben, dass die Immunogenität gegenüber HPV 16 und 18 beim 9-fach-Impfstoff nicht schwächer sein darf. Aus diesem Grund wurden die Dosen der HPV-Vakzine 16 und 18 von 40 auf 60μg bzw. von 20 auf 40μg und die Dosis des Adjuvans von 225 auf 500μg erhöht, wodurch das Kriterium für die Nichtunterlegenheit erfüllt werden konnte.<br /> <br /> Insgesamt sind zu 9vHPV elf Publikationen von Studien (V503-001, V502-001, V504-001, V503-002, V503-005, V503-006, V503-007, V503-009) verfügbar, was unterstreicht, wie gut der nonavalente Impfstoff untersucht ist. Für Gardasil 9 liegen unter Miteinbezug der Dosisfindungsstudie sechs Jahre Erfahrung vor, demgemäß stufte Joura trotz der Neuheit des Produkts die Datenlage als „sehr gut“ ein.<br /> <br /> Prof. Joura hob besonders das von Dr. Anne Schuchat im Kontext mit der Publikation der Zulassungsstudie verfasste Editorial<sup>10</sup> hervor, in dem sie die Impfung als „Meilenstein“ bezeichnete und gleichzeitig betonte, dass trotz Verfügbarkeit einer effektiven Impfung die Höhe der Durchimpfungsraten ausschlaggebend sei.<br /> <br /> In Anlehnung daran resümierte Joura: „Die nächsten Jahre werden sicher vom 9-Fach-Impfstoff dominiert sein. Die in Österreich verzeichneten Durchimpfungsraten geben zwar Anlass zu Optimismus, jedoch ist es erstrebenswert, eine Durchimpfungsrate von 100 % zu erzielen.“</p></p>
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<p><strong>1</strong> Kirnbauer R et al: Proc Natl Acad Sci U S A 1992; 89: 12180-12184<br /><strong>2</strong> Lehtinen M, Dillner J: Nat Rev Clin Oncol 2013; 10: 400-410<br /><strong>3</strong> Joura EA et al: BMJ 2012; 344: e1401<br /><strong>4</strong> Hartwig S et al: BMC Cancer 2012; DOI: 10.1186/1471-2407-12-30<br /><strong>5</strong> Ramqvist R, Dalianis D: EID 2010; DOI: 10.3201/eid1611.100452<br /><strong>6</strong> Dobson SRM et al: JAMA 2013; 309: 1793-1802<br /><strong>7</strong> Fachinformation Gardasil 9, Stand: Mai 2016<br /><strong>8</strong> Fachinformation Gardasil, Stand: Mai 2016<br /><strong>9</strong> Joura EA et al: N Engl J Med 2015; 372: 711-723<br /><strong>10</strong> Schuchat A: N Engl J Med 2015; 372: 775-776</p>
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