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Neue Regelungen des G-BA für das Zervixkarzinomscreening

<p class="article-intro">Im November 2018 verabschiedete der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) neue Abklärungsalgorithmen zur Früherkennung des Zervixkarzinoms. Diese treten in Deutschland mit 1.1.2020 in Kraft. Zudem erfolgt ein Wechsel vom bisher opportunistischen zu einem organisierten Screeningprogramm.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Mit 1. 1. 2020 treten in Deutschland durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) neue Abkl&auml;rungsalgorithmen zur Fr&uuml;herkennung des Zervixkarzinoms in Kraft.</li> <li>Im Alter von 20 bis 34 Jahren haben Frauen nach wie vor Anspruch auf ein j&auml;hrliches zytologiebasiertes Zervixkarzinomscreening.</li> <li>Ab dem Alter von 35 Jahren k&ouml;nnen Frauen im Abstand von drei Kalenderjahren ein kombiniertes Zervixkarzinomscreening, bestehend aus zytologischer Untersuchung und HPV-Test, in Anspruch nehmen.</li> </ul> </div> <p>Zytologie-basierte Screeningprogramme f&uuml;r das Zervixkarzinom und seine Vorstufen existieren seit &uuml;ber 50 Jahren, und man kann mit Recht behaupten, dass es sich hierbei um eine der erfolgreichsten pr&auml;ventivmedizinischen Ma&szlig;nahmen in der Medizin handelt. Andererseits hat in den letzten Jahrzehnten das Wissen um den Zusammenhang von HPV-Infektion und Dysplasie neue Perspektiven er&ouml;ffnet. Die HPV-Testung, vor allem auch mit der M&ouml;glichkeit der Genotypisierung, hat zu wesentlichen diagnostischen Verbesserungen gef&uuml;hrt und ist in vielen L&auml;ndern dabei, die Zytologie im Prim&auml;rscreening abzul&ouml;sen. Folgende Abkl&auml;rungsalgorithmen stehen dabei im Vordergrund:</p> <ul> <li>die prim&auml;re HPV-Testung mit HPV-16-, -18-Genotypisierung</li> <li>die prim&auml;re HPV-Testung mit Zytologie- Triage</li> <li>die Kombination von HPV-Testung und Zytologie (Cotesting)</li> </ul> <p><br /> Der G-BA h&auml;lt mit seinem Beschluss vom November 2018 weitgehend an einem Zytologie-basierten Screening fest. Abbildung 1 stellt den neuen Abkl&auml;rungsalgorithmus f&uuml;r Frauen im Alter von 20 bis 34 Jahren dar. Diese Altersgruppe kann weiterhin j&auml;hrlich einen zytologischen Abstrich in Anspruch nehmen. Die nochmalige Unterteilung in zwei Altersgruppen wird damit begr&uuml;ndet, dass sehr junge Frauen eine hohe HPV-Pr&auml;valenz mit einer hohen Anzahl geringgradiger Zellver&auml;nderungen bei jedoch insgesamt niedrigem Karzinomrisiko aufweisen. Die Wahrscheinlichkeit der R&uuml;ckbildung von Zellver&auml;nderungen ist gro&szlig; und eine Abkl&auml;rungskolposkopie sollte nur dann erfolgen, wenn geringgradige Zellver&auml;nderungen &uuml;ber 24 Monate persistieren oder h&ouml;hergradige Zellver&auml;nderungen auftreten. Dagegen sollen bei Frauen ab 30 Jahren Zellver&auml;nderungen der Gruppe II-p, II-g, IIID1 nach 6 bis 12 Monaten durch einen HPV-Test abgekl&auml;rt werden. Ist der HPV-Test negativ, erfolgt die R&uuml;ckkehr ins j&auml;hrliche Prim&auml;rscreening. Bei einem positiven HPV-Test soll eine kolposkopische Abkl&auml;rung innerhalb von 3 Monaten erfolgen.<br />Abbildung 2 zeigt den Abkl&auml;rungsalgorithmus f&uuml;r Frauen ab 35 Jahren. Diese Altersgruppe kann im Abstand von drei Kalenderjahren ein kombiniertes Zervixkarzinomscreening, bestehend aus zytologischer Untersuchung und HPV-Test, ein sogenanntes Cotesting, in Anspruch nehmen. Hervorzuheben ist die Konstellation HPV negativ/Pap IIID1, bei der nach 12 Monaten ein erneutes Cotesting empfohlen wird. Sind beide Ergebnisse negativ, kann ins Prim&auml;rscreening zur&uuml;ckgekehrt werden. Ist eines der Ergebnisse positiv, so soll zur weiteren Abkl&auml;rung eine Kolposkopie erfolgen. Die Befunde ab Gruppe IIID2 (IIIp, g, IIID2, IV, V) werden unabh&auml;ngig vom HPV-Test innerhalb von drei Monaten bzw. sofort durch Kolposkopie abgekl&auml;rt (Abb. 1 und 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1904_Weblinks_jatros_gyn_1904_s11_abb1_gallwas.jpg" alt="" width="800" height="430" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1904_Weblinks_jatros_gyn_1904_s12_abb2_gallwas.jpg" alt="" width="800" height="416" /></p> <h2>Diskussionspunkte</h2> <p>Der neue G-BA-Beschluss stellt die zytologische Untersuchung weiterhin in den Mittelpunkt des Zervixkarzinomscreenings. Eine Entwicklung hin zur prim&auml;ren HPV-Testung, wie sie in vielen L&auml;ndern stattgefunden hat oder geplant ist, wird es in Deutschland auf absehbare Zeit nicht geben.<br />Das kumulative Risiko, im Verlauf des Lebens eine HPV-Infektion zu erleiden, betr&auml;gt 60&ndash;80 % . Die meisten dieser Infektionen sind transient und eine Viruslast ist nach ein bis zwei Jahren nicht mehr nachzuweisen. Junge Frauen zwischen 20 und 25 Jahren zeigen mit 5&ndash;45 % die h&ouml;chste Pr&auml;valenz, die im weiteren Verlauf deutlich und konstant abnimmt. In zwei deutschen Studien betrug die Rate an HPV-Infektionen bei Frauen zwischen 22 und 27 Jahren 22,3&ndash;28,3 % . Epidemiologische Daten stehen in begrenztem Umfang zur Verf&uuml;gung und weisen erhebliche l&auml;nderspezifische Unterschiede auf. Als Folge persistierender Infektionen erreicht die Rate zervikaler intraepithelialer Dysplasien ihr Maximum um das 30. Lebensjahr, die dann in ihrer weiteren Entwicklung zur Entstehung eines invasiven Karzinoms f&uuml;hren k&ouml;nnen.<br />Im neuen Abkl&auml;rungsalgorithmus f&uuml;r Frauen unter 35 Jahren (Abb. 1) soll bei Frauen bis zum 29. Lebensjahr ein l&auml;nger als 2 Jahre persistierender Pap-II-p-Befund kolposkopisch abgekl&auml;rt werden. Ein Pap II-p entspricht in der Bethesda-Klassifikation einem ASC-US. Das kumulative 2-Jahres-Risiko f&uuml;r eine CIN3+ liegt bei dieser Konstellation bei 1,3 % , das 5-Jahres- Risiko bei 2,6 % . Die Indikation zur Kolposkopie wird in den amerikanischen Leitlinien ab einer LSIL gestellt, das entspricht je nach Literatur einem kumulativen 5-Jahres-Risiko von ca. 5&ndash;6,5 % . Hier stellt sich die Frage, ob die neuen Empfehlungen nicht zu einer &Uuml;berdiagnostik f&uuml;hren k&ouml;nnten. Ein Pap-IIID1-Befund entspricht in der Bethesda-Klassifikation einer LSIL, hier wird jedoch nicht unmittelbar eine Kolposkopie, sondern eine Reflexzytologie nach 6&ndash;12 Monaten empfohlen.<br />Ziel eines Screening-Verfahrens sollte es sein, h&ouml;hergradige Dysplasien sicher zu erkennen, unn&ouml;tige Kolposkopien zu vermeiden und m&ouml;glichst lange Screening- Intervalle zu erreichen. Dabei ist der negative pr&auml;diktive Wert der bestimmende Faktor in der Festlegung sicherer Screening- Intervalle, w&auml;hrend der positive pr&auml;diktive Wert das Ausma&szlig; unn&ouml;tiger Untersuchungen widerspiegelt. Grunds&auml;tzlich muss eine Abw&auml;gung zwischen der Sensitivit&auml;t eines Verfahrens und der resultierenden Rate an Kolposkopien erfolgen. Zweifelsohne stellt das Cotesting den Ansatz mit der h&ouml;chsten Sensitivit&auml;t dar. Betrachtet man jedoch die beiden gr&ouml;&szlig;ten Studien zum prim&auml;ren HPV-Screening, so zeigen sowohl die Kaiser-Permanente- Studie mit &uuml;ber 1 000 000 Teilnehmerinnen als auch die Ronco-Studie nur einen marginalen Vorteil des Cotestings im Vergleich zum alleinigen HPV-Screening mit nachfolgender Triage. Dagegen ist die Mehrbelastung durch die hohe Anzahl zus&auml;tzlicher Tests erheblich.<br />Die HPV-Impfung gibt es seit nunmehr &uuml;ber 10 Jahren und ihr Stellenwert ist unbestritten. Die Wirksamkeit der heute zur Verf&uuml;gung stehenden Impfstoffe ist mit Ansprechraten von &uuml;ber 90 % ausgesprochen hoch. Betrachtet man die langfristige Entwicklung &uuml;ber einen Zeitraum von 50 bis 100 Jahren anhand mathematischer Modelle, so kann man in Abh&auml;ngigkeit der Impfraten von einem R&uuml;ckgang der HPV-Pr&auml;valenz zwischen 50 % und 90 % ausgehen. Dies f&uuml;hrt zu einem Abfall des positiven pr&auml;diktiven Werts aller Vorsorgeuntersuchungen. Da die Zytologie jedoch in besonderem Ma&szlig;e untersucherabh&auml;ngig ist, k&ouml;nnten sich Probleme dahingehend ergeben, dass der steigende Anteil unauff&auml;lliger Befunde zu einer geringeren Aufmerksamkeit bei der Befundung f&uuml;hrt, mit der Folge einer h&ouml;heren Rate falsch negativer Befunde. Andererseits k&ouml;nnte es, in Sorge relevante Pathologien zu &uuml;bersehen, zu einer &Uuml;berbewertung reaktiver Atypien und Entz&uuml;ndungen und damit zu einem Anstieg falsch positiver Befunde und einer Abnahme der Spezifit&auml;t kommen.<br />Positiv zu werten ist der Wechsel vom derzeitigen opportunistischen Screening hin zu einer organisierten Vorsorge. Mit Inkrafttreten des neuen G-BA-Beschlusses am 1.1.2020 werden Frauen zwischen 20 und 65 Jahren alle f&uuml;nf Jahre durch ein Anschreiben ihrer Krankenkasse &uuml;ber die M&ouml;glichkeit zur Teilnahme am Krebsfr&uuml;herkennungsprogramm informiert. Mit dieser Ma&szlig;nahme erhofft man sich eine h&ouml;here Akzeptanz des Zervixkarzinomscreenings und eine Steigerung der Teilnahmerate, die in Deutschland derzeit bei nur ca. 50 % pro Jahr liegt und bei 80 % in 3 Jahren. Vorgesehen ist weiterhin eine &Uuml;berpr&uuml;fung des beschlossenen Screeningprogramms einschlie&szlig;lich der Zeitabst&auml;nde und Altersgrenzen nach einer mindestens sechsj&auml;hrigen Beurteilungsphase.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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