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Neue Regelungen des G-BA für das Zervixkarzinomscreening
Jatros
Autor:
Prof. Dr. Julia Gallwas
Stellv. Klinikleitung<br> Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe<br> Klinikum der Universität München, Campus Innenstadt<br> E-Mail: julia.gallwas@med.uni-muenchen.de
30
Min. Lesezeit
24.10.2019
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<p class="article-intro">Im November 2018 verabschiedete der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) neue Abklärungsalgorithmen zur Früherkennung des Zervixkarzinoms. Diese treten in Deutschland mit 1.1.2020 in Kraft. Zudem erfolgt ein Wechsel vom bisher opportunistischen zu einem organisierten Screeningprogramm.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Mit 1. 1. 2020 treten in Deutschland durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) neue Abklärungsalgorithmen zur Früherkennung des Zervixkarzinoms in Kraft.</li> <li>Im Alter von 20 bis 34 Jahren haben Frauen nach wie vor Anspruch auf ein jährliches zytologiebasiertes Zervixkarzinomscreening.</li> <li>Ab dem Alter von 35 Jahren können Frauen im Abstand von drei Kalenderjahren ein kombiniertes Zervixkarzinomscreening, bestehend aus zytologischer Untersuchung und HPV-Test, in Anspruch nehmen.</li> </ul> </div> <p>Zytologie-basierte Screeningprogramme für das Zervixkarzinom und seine Vorstufen existieren seit über 50 Jahren, und man kann mit Recht behaupten, dass es sich hierbei um eine der erfolgreichsten präventivmedizinischen Maßnahmen in der Medizin handelt. Andererseits hat in den letzten Jahrzehnten das Wissen um den Zusammenhang von HPV-Infektion und Dysplasie neue Perspektiven eröffnet. Die HPV-Testung, vor allem auch mit der Möglichkeit der Genotypisierung, hat zu wesentlichen diagnostischen Verbesserungen geführt und ist in vielen Ländern dabei, die Zytologie im Primärscreening abzulösen. Folgende Abklärungsalgorithmen stehen dabei im Vordergrund:</p> <ul> <li>die primäre HPV-Testung mit HPV-16-, -18-Genotypisierung</li> <li>die primäre HPV-Testung mit Zytologie- Triage</li> <li>die Kombination von HPV-Testung und Zytologie (Cotesting)</li> </ul> <p><br /> Der G-BA hält mit seinem Beschluss vom November 2018 weitgehend an einem Zytologie-basierten Screening fest. Abbildung 1 stellt den neuen Abklärungsalgorithmus für Frauen im Alter von 20 bis 34 Jahren dar. Diese Altersgruppe kann weiterhin jährlich einen zytologischen Abstrich in Anspruch nehmen. Die nochmalige Unterteilung in zwei Altersgruppen wird damit begründet, dass sehr junge Frauen eine hohe HPV-Prävalenz mit einer hohen Anzahl geringgradiger Zellveränderungen bei jedoch insgesamt niedrigem Karzinomrisiko aufweisen. Die Wahrscheinlichkeit der Rückbildung von Zellveränderungen ist groß und eine Abklärungskolposkopie sollte nur dann erfolgen, wenn geringgradige Zellveränderungen über 24 Monate persistieren oder höhergradige Zellveränderungen auftreten. Dagegen sollen bei Frauen ab 30 Jahren Zellveränderungen der Gruppe II-p, II-g, IIID1 nach 6 bis 12 Monaten durch einen HPV-Test abgeklärt werden. Ist der HPV-Test negativ, erfolgt die Rückkehr ins jährliche Primärscreening. Bei einem positiven HPV-Test soll eine kolposkopische Abklärung innerhalb von 3 Monaten erfolgen.<br />Abbildung 2 zeigt den Abklärungsalgorithmus für Frauen ab 35 Jahren. Diese Altersgruppe kann im Abstand von drei Kalenderjahren ein kombiniertes Zervixkarzinomscreening, bestehend aus zytologischer Untersuchung und HPV-Test, ein sogenanntes Cotesting, in Anspruch nehmen. Hervorzuheben ist die Konstellation HPV negativ/Pap IIID1, bei der nach 12 Monaten ein erneutes Cotesting empfohlen wird. Sind beide Ergebnisse negativ, kann ins Primärscreening zurückgekehrt werden. Ist eines der Ergebnisse positiv, so soll zur weiteren Abklärung eine Kolposkopie erfolgen. Die Befunde ab Gruppe IIID2 (IIIp, g, IIID2, IV, V) werden unabhängig vom HPV-Test innerhalb von drei Monaten bzw. sofort durch Kolposkopie abgeklärt (Abb. 1 und 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1904_Weblinks_jatros_gyn_1904_s11_abb1_gallwas.jpg" alt="" width="800" height="430" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1904_Weblinks_jatros_gyn_1904_s12_abb2_gallwas.jpg" alt="" width="800" height="416" /></p> <h2>Diskussionspunkte</h2> <p>Der neue G-BA-Beschluss stellt die zytologische Untersuchung weiterhin in den Mittelpunkt des Zervixkarzinomscreenings. Eine Entwicklung hin zur primären HPV-Testung, wie sie in vielen Ländern stattgefunden hat oder geplant ist, wird es in Deutschland auf absehbare Zeit nicht geben.<br />Das kumulative Risiko, im Verlauf des Lebens eine HPV-Infektion zu erleiden, beträgt 60–80 % . Die meisten dieser Infektionen sind transient und eine Viruslast ist nach ein bis zwei Jahren nicht mehr nachzuweisen. Junge Frauen zwischen 20 und 25 Jahren zeigen mit 5–45 % die höchste Prävalenz, die im weiteren Verlauf deutlich und konstant abnimmt. In zwei deutschen Studien betrug die Rate an HPV-Infektionen bei Frauen zwischen 22 und 27 Jahren 22,3–28,3 % . Epidemiologische Daten stehen in begrenztem Umfang zur Verfügung und weisen erhebliche länderspezifische Unterschiede auf. Als Folge persistierender Infektionen erreicht die Rate zervikaler intraepithelialer Dysplasien ihr Maximum um das 30. Lebensjahr, die dann in ihrer weiteren Entwicklung zur Entstehung eines invasiven Karzinoms führen können.<br />Im neuen Abklärungsalgorithmus für Frauen unter 35 Jahren (Abb. 1) soll bei Frauen bis zum 29. Lebensjahr ein länger als 2 Jahre persistierender Pap-II-p-Befund kolposkopisch abgeklärt werden. Ein Pap II-p entspricht in der Bethesda-Klassifikation einem ASC-US. Das kumulative 2-Jahres-Risiko für eine CIN3+ liegt bei dieser Konstellation bei 1,3 % , das 5-Jahres- Risiko bei 2,6 % . Die Indikation zur Kolposkopie wird in den amerikanischen Leitlinien ab einer LSIL gestellt, das entspricht je nach Literatur einem kumulativen 5-Jahres-Risiko von ca. 5–6,5 % . Hier stellt sich die Frage, ob die neuen Empfehlungen nicht zu einer Überdiagnostik führen könnten. Ein Pap-IIID1-Befund entspricht in der Bethesda-Klassifikation einer LSIL, hier wird jedoch nicht unmittelbar eine Kolposkopie, sondern eine Reflexzytologie nach 6–12 Monaten empfohlen.<br />Ziel eines Screening-Verfahrens sollte es sein, höhergradige Dysplasien sicher zu erkennen, unnötige Kolposkopien zu vermeiden und möglichst lange Screening- Intervalle zu erreichen. Dabei ist der negative prädiktive Wert der bestimmende Faktor in der Festlegung sicherer Screening- Intervalle, während der positive prädiktive Wert das Ausmaß unnötiger Untersuchungen widerspiegelt. Grundsätzlich muss eine Abwägung zwischen der Sensitivität eines Verfahrens und der resultierenden Rate an Kolposkopien erfolgen. Zweifelsohne stellt das Cotesting den Ansatz mit der höchsten Sensitivität dar. Betrachtet man jedoch die beiden größten Studien zum primären HPV-Screening, so zeigen sowohl die Kaiser-Permanente- Studie mit über 1 000 000 Teilnehmerinnen als auch die Ronco-Studie nur einen marginalen Vorteil des Cotestings im Vergleich zum alleinigen HPV-Screening mit nachfolgender Triage. Dagegen ist die Mehrbelastung durch die hohe Anzahl zusätzlicher Tests erheblich.<br />Die HPV-Impfung gibt es seit nunmehr über 10 Jahren und ihr Stellenwert ist unbestritten. Die Wirksamkeit der heute zur Verfügung stehenden Impfstoffe ist mit Ansprechraten von über 90 % ausgesprochen hoch. Betrachtet man die langfristige Entwicklung über einen Zeitraum von 50 bis 100 Jahren anhand mathematischer Modelle, so kann man in Abhängigkeit der Impfraten von einem Rückgang der HPV-Prävalenz zwischen 50 % und 90 % ausgehen. Dies führt zu einem Abfall des positiven prädiktiven Werts aller Vorsorgeuntersuchungen. Da die Zytologie jedoch in besonderem Maße untersucherabhängig ist, könnten sich Probleme dahingehend ergeben, dass der steigende Anteil unauffälliger Befunde zu einer geringeren Aufmerksamkeit bei der Befundung führt, mit der Folge einer höheren Rate falsch negativer Befunde. Andererseits könnte es, in Sorge relevante Pathologien zu übersehen, zu einer Überbewertung reaktiver Atypien und Entzündungen und damit zu einem Anstieg falsch positiver Befunde und einer Abnahme der Spezifität kommen.<br />Positiv zu werten ist der Wechsel vom derzeitigen opportunistischen Screening hin zu einer organisierten Vorsorge. Mit Inkrafttreten des neuen G-BA-Beschlusses am 1.1.2020 werden Frauen zwischen 20 und 65 Jahren alle fünf Jahre durch ein Anschreiben ihrer Krankenkasse über die Möglichkeit zur Teilnahme am Krebsfrüherkennungsprogramm informiert. Mit dieser Maßnahme erhofft man sich eine höhere Akzeptanz des Zervixkarzinomscreenings und eine Steigerung der Teilnahmerate, die in Deutschland derzeit bei nur ca. 50 % pro Jahr liegt und bei 80 % in 3 Jahren. Vorgesehen ist weiterhin eine Überprüfung des beschlossenen Screeningprogramms einschließlich der Zeitabstände und Altersgrenzen nach einer mindestens sechsjährigen Beurteilungsphase.</p></p>
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