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Urologische Komplikationen bei urogynäkologischen Eingriffen
Leading Opinions
Autor:
Hansjörg Huemer
Chefarzt Gynäkologie<br> Bethesda Spital AG, Basel<br> E-Mail: Hansjoerg.Huemer@bethesda-spital.ch
30
Min. Lesezeit
16.10.2018
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<p class="article-intro">Urologische Komplikationen gehören zu den häufigsten schweren Komplikationen bei gynäkologischen und speziell bei urogynäkologischen Operationen. Diese betreffen bei Hysterektomien und Deszensusoperationen typischerweise sowohl Blase als auch Ureteren, bei Inkontinenzoperationen mit miturethalen Schlingen typischerweise Blase und Urethra.</p>
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<p class="article-content"><p>Patientinnen müssen eingehend über mögliche Komplikationen aufgeklärt werden. Darüber hinaus muss man sich als Operateur im Vorfeld damit auseinandersetzen, ob und wie man diese Komplikationen managen kann. Das kann einerseits durch das Heranziehen eines Urologen (v.a. bei komplexeren Verletzungen) oder auch selbstständig geschehen.<br /> Dabei gilt es zu beachten, dass man die Behebung von Komplikationen nur unzureichend in einem Trainingssetting erlernen kann. Insofern ist es wichtig, über Komplikationen offen zu sprechen und auch zu diskutieren, wie damit umzugehen ist. Es existiert mittlerweile eine Vielzahl an Lehrvideos für klassische laparoskopische Operationstechniken, jedoch sind Videos über Komplikationen sehr rar.</p> <h2>Häufigkeit urologischer Komplikationen</h2> <p>Die Häufigkeit für eine iatrogene Blasenverletzung wird bei Schlingenoperationen in Abhängigkeit vom Operationsverfahren mit 0,4 % beim transobturatorischen Zugang und 2,7 % bei retropubischen Bändern angegeben.<sup>1, 2</sup> Es ist deshalb bei den retropubischen Schlingenverfahren eine Zystoskopie zum sicheren Ausschluss während der Operation empfohlen. Bei Minischlingen ist das Risiko deutlich geringer.<br /> Für eine Urethraverletzung beträgt die Wahrscheinlichkeit unabhängig vom Operationsverfahren etwa 0,1–0,5 % .<sup>2, 3</sup><br /> Kommt es im Rahmen einer TVT-Operation zu einer Blasenperforation, ist es in den meisten Fällen ausreichend, dies durch eine Zystoskopie zu bestätigen und das Band wieder zu entfernen. Man kann das Band entweder unter zystoskopischer Sicht oder auch mittels klassischer Technik erneut positionieren. Somit gibt es keine Notwendigkeit für ein vom üblichen Protokoll abweichendes Prozedere, vorausgesetzt, es kommt extravesikal zu liegen.<br /> Bei Deszensusoperationen müssen wir uns dessen bewusst sein, dass ein Risiko für eine iatrogene Blasenverletzung sowie – deutlich seltener – für eine Ureterverletzung besteht. Bei Letzterer handelt es sich häufiger um eine sekundäre Verletzung, z.B. bedingt durch thermische Läsionen oder auch durch Kinking im Rahmen der anatomischen Deszensuskorrektur oder Narbenbildung. Sehr selten kann es auch zu einer Ureterdurchtrennung kommen.<br /> Im angloamerikanischen Raum wird sehr häufig eine routinemässige Zystoskopie durchgeführt, um eine Ureterverletzung auszuschliessen.<sup>4</sup><br /> Dabei gilt es zu beachten, dass nicht alle Ureterverletzungen (z.B. thermische Läsionen) damit erfasst werden und der Eingriff erst ab einer Komplikationsrate von 1,5 % kosteneffektiv ist.<sup>5</sup> Somit sollte eine Zystoskopie jenen Fällen vorbehalten werden, bei denen ein höheres Risiko für eine Ureterverletzung besteht, wie z.B. bei einer hohen uterosakralen Ligamentfixation<sup>6</sup> oder wenn intraoperativ der Verdacht auf eine Verletzung besteht.<br /> Eine routinemässige Zystoskopie ist bei urogynäkologischen Eingriffen nicht indiziert.<br /> Das Risiko für eine Blasenverletzung bei laparoskopischen Deszensusoperationen steigt abhängig von der Anzahl und der Art der Voroperationen.<br /> Die Inzidenz beträgt zwischen 0,4 und 3,3 % , wobei das Risiko bei roboterassistierten Eingriffen gegenüber den konventionell laparoskopischen Operationen etwas höher zu sein scheint.<sup>7</sup><br /> Ein ganz wesentlicher Risikofaktor ist v.a. bei abdominalen laparoskopischen oder robotischen Sakrokolpopexien die zurückliegende Hysterektomie. So ist bei uteruserhaltender Operation oder totaler bzw. suprazervikaler Hysterektomie im Rahmen des Eingriffs das Risiko deutlich geringer als bei voroperierten Patientinnen.<br /> Dabei ist eine Verletzung im Bereich des Blasendoms deutlich harmloser als eine Läsion im Blasenhalsbereich.<br /> Bei Letzterer muss man darauf achten, dass es nicht zu einer Einbeziehung der Ureteren in die Naht kommt. Dabei ist es meist indiziert, die Ureteren intraoperativ zu schienen.</p> <h2>Prävention bei laparoskopischen Eingriffen</h2> <p>Durch die Verwendung von vaginalen Manipulatoren können urologische Komplikationen bei laparoskopischen Deszensuseingriffen deutlich gesenkt werden.<br /> Dies können spezielle Manipulatoren sein oder auch konventionelle Operationsinstrumente, z.B. Breisky-Spekula, Stieltupfer etc.<br /> Die Verwendung von vaginalen Manipulatoren führt durch das Hochschieben von Scheide bzw. Uterus zu einer Distension von Uterus/Vagina und Blase sowie zu einer Verdrängung der Ureteren zur Seite.<br /> Weiters ist es hilfreich, bei der Blasenpräparation die Blase zu fassen und zu elevieren. Wird nur das Peritoneum eleviert, ist der Zugang zum Spatium vesicovaginale erschwert darzustellen.<br /> Besondere Vorsicht ist bei voroperierten Patientinnen geboten, weil am Scheidenapex meist narbige Verhältnisse herrschen und somit das Spatium vesicovaginale oft schwierig darzustellen ist und weder die Scheide noch die Blase eröffnet werden sollte.<br /> In speziellen Situationen kann es hilfreich sein, die Blase aufzufüllen, um die Grenze zur Scheide besser zu erkennen.</p> <h2>Praktisches Vorgehen bei iatrogener Blasenläsion</h2> <p>Entscheidend ist, dass die Läsion intraoperativ erkannt wird, da eine nicht erkannte Läsion zwangsläufig zu einer Fistelbildung führt. Im Zweifelsfall ist es sinnvoll, eine Blasenfüllung durchzuführen.<br /> Liegt eine Blasenläsion (Abb. 1) vor, gilt es, in einem ersten Schritt die Orientierung herzustellen und die Blasenwand darzustellen. Dies ist insbesondere erforderlich, weil die Blase so weit mobilisiert werden muss, dass eine spannungsfreie Adaptation möglich wird (Abb. 2). Üblicherweise ist es ohnehin erforderlich, die Präparation so weit fortzuführen, dass die ursprünglich geplante Operation fortgesetzt werden kann. Dies bedingt in den meisten Fällen eine entsprechende Mobilisierung, sodass die Versorgung der Läsion spannungsfrei möglich wird.<br /> Dabei ist besonders darauf zu achten, dass nicht weitere Läsionen gesetzt werden bzw. dass die Blasenwand nicht zu sehr ausgedünnt wird.<br /> Als Nächstes erfolgt die Versorgung der Verletzung, wobei der Zeitpunkt so gewählt werden sollte, dass im Anschluss keine Traktion auf die Blasennaht mehr erfolgt.<br /> Die Versorgung kann einschichtig oder zweischichtig erfolgen, wobei üblicherweise ein zweischichtiger Verschluss erfolgt (Abb. 3).<br /> Dabei wird die Schleimhaut meist mit einem rasch resorbierbaren monofilen Nahtmaterial Fadenstärke 4/0 genäht. Diese Naht erfolgt meist fortlaufend und wird bei laparoskopischem Zugang endokorporal geknüpft, um nicht zu viel Zug beim Knüpfen aufzubringen zu müssen. Ist die Mukosa gut adaptiert, wird im nächsten Schritt der M. detrusor vesicae genäht. Wir verwenden dazu resorbierbares multifiles Nahtmaterial der Fadenstärke 2/0. Auch diese Nahtreihe wird fortlaufend genäht und endokorporal geknüpft.<br /> Ist die Blasenläsion versorgt, erfolgt eine Füllung der Blase mit 300ml, um die Dichtheit zu überprüfen und zu dokumentieren.<br /> Ein transurethraler Dauerkatheter wird je nach Grösse der Läsion und etwaigen Zusatzfaktoren für mindestens 1 Woche in situ belassen, um die Blase zu entlasten.<br /> Vor Entfernung des Blasenkatheters wird ein Zystogramm durchgeführt, um ein Leakage auszuschliessen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1803_Weblinks_lo_gyn_1803_s49_abb1-3.jpg" alt="" width="1421" height="2628" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Urologische Komplikationen sind bei urogynäkologischen Eingriffen nicht selten. Ein Grossteil der Komplikationen kann intraoperativ erkannt und einfach behandelt werden.</p> </div></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Tamussino K et al.: Tension-free vaginal tape operation: results of the Austrian registry. Obstet Gynecol 2001; 98(5 Pt 1): 732-6 <strong>2</strong> Tamussino K et al.: Transobturator tapes for stress urinary incontinence: results of the Austrian registry. Am J Obstet Gynecol 2007; 197(6): 634.e1-5 <strong>3</strong> Mortin HC, Hilton P: Urethral injury associated with minimally invasive mid-urethral sling procedures for the treatment of stress urinary incontinence: a case series and systematic literature search. BJOG 2009; 116(8): 1120-6 <strong>4</strong> Findley AD, Solnik MJ: Prevention and management of urologic injury during gynecologic laparoscopy. Curr Opin Obstet Gynecol 2016; 28(4): 323-8 <strong>5</strong> Visco AG et al.: Cost-effectiveness of universal cystoscopy to identify ureteral injury at hysterectomy. Obstet Gynecol 2001; 97(5 Pt 1): 685-92 <strong>6</strong> Jackson E et al.: Risk factors for ureteral occlusion during transvaginal uterosacral ligament suspension. Int Urogynecol J 2015; 26(12): 1809-14 <strong>7</strong> Unger CA et al.: Perioperative adverse events after minimally invasive abdominal sacrocolpopexy. Am J Obstet Gynecol 2014; 211(5): 547. e1.8</p>
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