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Wirbel um Abnehmmittel: Was die Schweiz richtig macht

Neuartige Medikamente zum Abnehmen erobern seit Monaten den Markt. Eine neue Studie zeigt nun, was andere Länder von der Schweiz lernen können.

Zürich. GLP-1-Medikamente zur Gewichtsreduktion erfreuen sich grosser Beliebtheit, was immer wieder zu Versorgungsengpässen führt und Stakeholder aufgrund dessen und wegen hoher Kosten vor Herausforderungen stellt. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass die Schweiz hier eine Vorreiterrolle einnimmt: So liegt das Land bei der Verfügbarkeit solcher Medikamente vor den USA, Kanada und Deutschland, wo die GLP-1-Medikamente zur Gewichtsabnahme ebenfalls zugelassen sind. Hierzulande wurde laut Untersuchungen der grösste Anstieg der Pro-Kopf-Einnahme dieser Abnehmmittel beobachtet – und das, obwohl die Schweiz unter jenen vier Ländern die niedrigste Prävalenz von Fettleibigkeit aufweist. Grund dafür könnten günstige Preise und Erstattungsregelungen sein, wie die Ergebnisse der Studie von Erstautorin Kerstin Vokinger, Professorin für Recht, Medizin und Technologie an der Universität Zürich, nahelegen. Sie wurden nun im Fachjournal «JAMA Internal Medicine» der American Medical Association veröffentlicht.

GLP-1-Präparate zur Gewichtsabnahme mit den Wirkstoffen Liraglutid und Semaglutid sind in den USA, Kanada, der Schweiz und Deutschland zugelassen. Dass der Anstieg der Pro-Kopf-Einnahme in der Schweiz weit höher als in den anderen Ländern war, könnte laut Studienautor:innen mit Preisen und Erstattungsstatus in den drei Vergleichsländern zusammenhängen: Weder in den USA noch in Kanada oder Deutschland werden GLP-1-Produkte zur Gewichtsabnahme erstattet. In der Schweiz sieht das anders aus: Hier wird Liraglutid erstattet und auch für Semaglutid sind Preisverhandlungen im Gange. Das Erstattungsdatum für Liraglutid im Jahr 2021 fällt mit dem anschliessenden erheblichen Anstieg der Aufnahme in der Schweiz zusammen, wie die Studie zeigt. Auch bei den Preisen sticht die Schweiz hervor. Im Januar 2024 waren die geschätzten jährlichen Behandlungspreise in den USA am höchsten (14 080 US-Dollar für Semaglutid, 15 738 US-Dollar für Liraglutid), gefolgt von Kanada (3507 US-Dollar beziehungsweise 3248 US-Dollar), Deutschland (4917 US-Dollar beziehungsweise 2601 US-Dollar) und der Schweiz (2066 US-Dollar für Liraglutid).

Laut Studienautor:innen könnten sich die USA, Deutschland und Kanada ein Beispiel an den strengen Regelungen in der Schweiz nehmen, um die Kosten zu begrenzen, den Off-Label-Gebrauch zu verringern und Engpässe bei GLP-1-Medikamenten zur Gewichtsabnahme und GLP-1-Medikamenten für Diabetes zu vermeiden, denn: In der Schweiz haben nur Patient:innen mit einem Body-Mass-Index von 35 oder mehr oder 28 oder mehr mit einer zusätzlichen gewichtsbedingten Erkrankung (Prädiabetes, Diabetes Typ 2, arterielle Hypertonie, Dyslipidämie) Anspruch auf die Erstattung von Liraglutid.

Ausserdem dürfen nur Endokrinolog:innen und Diabetolog:innen oder medizinische Zentren, die auf Adipositas spezialisiert sind, diese Medikamente verschreiben. Die Behandlung wird zusätzlich mit einer 500-kcal/Tag-Defizitdiät, begleitender Ernährungsberatung und verstärkter sowie dokumentierter körperlicher Aktivität kombiniert, die Behandlungsergebnisse werden genau überwacht. Die Patient:innen müssen darüber hinaus 16 Wochen nach Behandlungsbeginn eine Gewichtsabnahme von mindestens fünf Prozent ihres Ausgangsgewichts erreichen, damit die Kosten für das Medikament weiterhin übernommen werden. Die Studienautor:innen empfehlen abschliessend eine vermehrte Aufklärung und Sensibilisierung zum Thema, um eine missbräuchliche Einnahme der Medikamente zu vermeiden. (kagr)

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