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Werden Spitäler bei Implantatkäufen abgezockt?
Eine neue Untersuchung des Preisüberwachers zeigt erhebliche Unterschiede bei den Einkaufspreisen für orthopädische und kardiale Implantate in Schweizer Spitälern.
Bern. Der Preisüberwacher hat kürzlich die Ergebnisse einer im Jahr 2024 bei 67 Spitälern durchgeführten Umfrage veröffentlicht: Die Untersuchung umfasst eine Marktanalyse sowie einen Vergleich der Beschaffungspraktiken und zeigt Unterschiede bei den Einkaufspreisen für orthopädische und kardiale Implantate zwischen den befragten Gesundheitseinrichtungen auf. Bei einigen Modellen gibt es zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis deutliche Abweichungen – was Fragen hinsichtlich der Fairness und Effizienz des Gesundheitssystems aufweist, heisst es.
Im Jahr 2023 wurden 27 087 Hüftprothesen und 23 911 Knieprothesen eingesetzt, was im Vergleich zu 2013 einem Wachstum von 44 % bzw. 59 % entspricht. Bei den Herzschrittmachern (6054) und den Defibrillatoren (1218) ist ein moderaterer Anstieg zu beobachten (31 % bzw. 19 %). Die Ausgaben für diese Eingriffe, die sich 2023 auf knapp eine Milliarde Franken beliefen, werden grösstenteils von den Krankenversicherungen und den Kantonen übernommen, fasst die Untersuchung zusammen. Durchgeführt werden die Eingriffe vorwiegend in den grossen Universitätsspitälern oder spezialisierten Kliniken.
Markt-Dominanz grosser Anbieter
Der Markt werde von einigen wenigen grossen Anbietern dominiert – häufig multinationalen Unternehmen. Die Mehrheit der Spitäler arbeite mit drei Anbietern zusammen, was darauf hindeute, dass sie eine moderate Diversifizierung anstreben, lautet die Analyse. Die Beschaffung von Implantaten erfolge dabei hauptsächlich im Rahmen direkter Verhandlungen mit den Lieferanten. Öffentliche Ausschreibungen werden nur in 7 % der Fälle durchgeführt, hält der Preisüberwacher fest.
Aus den Umfrageantworten wird der Schluss gezogen, dass in den letzten zehn Jahren fast alle Schweizer Spitäler ihr Beschaffungswesen im Bereich der Medizinprodukte optimiert haben – über Zentralisieren und Digitalisieren der Prozesse sowie die Reduktion der Lieferanten. Die dadurch erzielten Einsparungen werden bei den Medizinprodukten auf durchschnittlich 7 % des jährlichen Beschaffungsvolumens geschätzt (Implantate: 10 %). Als grösste Herausforderung für Schweizer Spitäler auf dem Markt für orthopädische und kardiale Implantate wird vor allem die mangelnde Preistransparenz ins Treffen geführt, die die Spitäler daran hindere, ihre Einkäufe zu optimieren und wettbewerbsfähige Preise auszuhandeln. Zudem seien die Beziehungen zwischen den Anbietern medizinischer Implantate sowie den Chirurg:innen oftmals sehr eng.
Deutliche Preisunterschiede zwischen Spitälern
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Durchschnittspreise für orthopädische Implantate grundsätzlich niedriger sind als diejenigen für kardiale Implantate. Eine vollständige Knieprothese kostet demnach im Durchschnitt zwischen 3000 und 6815 Franken, eine Hüftprothese zwischen 2250 und 4946 Franken. Die Durchschnittspreise für einen Herzschrittmacher werden auf 3078–9400 Franken geschätzt, für einen Defibrillator auf 9389–23 500 Franken.
Die Analyse einiger ausgewählter Implantate kommt zu dem Ergebnis, dass bei identischen Modellen teils grosse Preisunterschiede zwischen den einzelnen Spitälern bestehen. So sei für die gleichen Komponenten einer Hüftprothese der Unterschied zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis relativ gross: Für einen Hüftschaft liege er je nach Modell bei einem Faktor von 1,8−2,9, für eine Pfanne bei einem Faktor von 1,9. Die Preisdifferenz zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis für eine Knieprothese entspricht bei einem Modell einem Faktor von 3,8 und bei einem anderen Modell sogar einem Faktor von 6,1. Bei den Herzimplantaten erreichten bei den analysierten Modellen die Unterschiede zwischen den von den Spitälern gezahlten Einkaufspreisen bei einem Herzschrittmacher einen Faktor von bis zu 4,5.
Die grossen Preisunterschiede könnten auf eine Marktsegmentierung durch die Hersteller hindeuten, die die unterschiedliche Verhandlungsmacht und Zahlungsbereitschaft der einzelnen Spitäler ausnutzen, folgert der Preisüberwacher. Solange keine Preistransparenz bestehe, sei eine solche Diskriminierung weiterhin möglich. Daher werden – gestützt auf die Ergebnisse der Umfrage – sieben Massnahmen vorgeschlagen, um die Transparenz und Rechenschaftspflicht im Gesundheitswesen zu fördern. Dazu zählen: die Schaffung eines nationalen Registers mit den effektiven Einkaufspreisen; die Einführung einer gesetzlichen Pflicht für Lieferanten zur Offenlegung der Preiskomponenten ihrer Produkte bei Verhandlungen und in den Verträgen mit den Spitälern; die Wahl der Implantate innerhalb der Spitäler anhand objektiver Kriterien; eine Förderung von Parallelimporten durch geeignete rechtliche Massnahmen; die Stärkung der interkantonalen Zusammenarbeit im Bereich der Einkaufsgemeinschaften; eine Einführung von Mindestfallzahlen für die wichtigsten Implantatkategorien und eine verstärkte Kontrolle der Beschaffungsverfahren in den öffentlichen Spitälern durch die Kantone. (ehs)
Quelle: Preisüberwachung
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