Endokarditis-Guideline: größere Rolle für ambulante antibiotische Therapie
Bericht:
Reno Barth
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Diagnostik und Therapie der infektiösen Endokarditis können auch 2023 noch herausfordernd sein. Im Rahmen des aktuellen ESC-Kongresses wurde eine Neufassung der ESC-Guidelines zu dieser Indikation vorgestellt, die einige wichtige Änderungen enthält. So können Betroffene in vielen Fällen nach initialer intravenöser antibiotischer Therapie ambulant und mit oralen Medikamenten weiterbehandelt werden.
Die infektiöse Endokarditis ist mit einer Inzidenz von jährlich 13,8 Fällen auf 100 000 Personen relativ selten, stellt jedoch aufgrund einer extrem hohen Mortalität weltweit ein erhebliches medizinisches Problem dar. Für das Jahr 2019 wurde abgeschätzt, dass infektiöse Endokarditis für mehr als 1,7 Millionen DALYs („disability-adjusted lifeyears“) verantwortlich gemacht werden kann, so Dr. Stefano Caselli von der Klinik im Park, Zürich, der im Rahmen seiner Präsentation der Guidelines auf die hohe Bedeutung der Endokarditisprophylaxe hinweist.
Voraussetzung für die Entwicklung einer Endokarditis sind Bakteriämie und prädisponierende Faktoren, wie zum Beispiel ein ungünstiger Immunstatus. Pathogene Keime können ihren Weg in die Blutbahn über die Mundhöhle oder Haut nehmen. Auch iatrogene Infektionen kommen vor. Bei bestimmten Konstellationen kann das Risiko jedoch auf fast 500/100 000 pro Jahr ansteigen, wie eine aktuelle britische Studie für Personen mit prädisponierenden kardialen Faktoren zeigt. Das höchste Risiko weisen Personen auf, die bereits eine infektiöse Endokarditis überstanden haben.1
Prophylaxe: Antibiotikaprophylaxe bei hohem Risiko
In ihren aktuellen „Guidelines for the management of endocarditis“ nimmt die ESC ausführlich zu Fragen der Prävention Stellung. Diese gestaltet sich je nach individuellem Risikoprofil unterschiedlich. Für Personen mit sehr hohem Risiko ist unter bestimmten Umständen, etwa bei orodentalen Eingriffen eine Antibiotikaprophylaxe mit Klasse-I-Empfehlung indiziert, generalpräventive Maßnahmen im Sinne verstärkter Hygiene werden auch bei mittlerem Risiko empfohlen und sollten „idealerweise auf Personen mit niedrigem Risiko ausgeweitet werden“. Zu diesen Maßnahmen zählen gute Mund- und Handhygiene und das Vermeiden von Piercings und Tätowierungen.
Hohes Risiko besteht wie bereits eingangs erwähnt gemäß der ESC-Leitlinie bei Patienten nach überstandener Endokarditis sowie bei Patienten mit Klappenprothesen, bei bestimmten Vitien und bei Trägern eines linksventrikulären Unterstützungssystems.
Mittleres Risiko besteht bei rheumatischer Herzerkrankung, nichtrheumatischer Klappenerkrankung, kongenitalen Klappendefekten, implantierten Devices sowie bei hypertropher Kardiomyopathie. Eine Empfehlung zur Einnahme von Antibiotika besteht nicht nur bei orodentalen Eingriffen, sondern beispielsweise auch bei bestimmten Herz- und anderen Operationen im Bereich des Thorax. Bei diesen Patienten soll vor der Operation auch ein Screening auf eine Besiedelung der Nase mit S. aureus vorgenommen werden. Auf maximale Hygiene im Operationssaal oder Katheterlabor ist zu achten. Caselli betont in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung der Patientenedukation.
Diagnostik: anhand von Klinik, Labor und Bildgebung
Die Diagnostik der infektiösen Endokarditis beruht auf dem klinischen Verdacht, einem konsistenten mikrobiologischen Befund sowie dem Nachweis passender Läsionen in der kardialen Bildgebung, so Nina Ajmone Marsan von der Universität Leiden, Niederlande.
Die Diagnostik beginnt mit der klinischen Klassifikation, der Blutkultur und sowohl transösophagealem als auch transthorakalem Ultraschall. Mit einer Klasse-I-Empfehlung wird betont, dass immer beide Methoden zum Einsatz kommen sollen. Weitere bildgebende Verfahren können indiziert sein, wenn der Ultraschall inkonklusiv bleibt. Sie werden in der Leitlinie mit Indikationen detailliert aufgelistet. Auch Hirn- und Ganzkörper-Imaging kann zur Diagnostik peripherer Läsionen indiziert sein. Die Guideline enthält auch einen mikrobiologischen Diagnosealgorithmus zur Identifikation unterschiedlicher Pathogene. Ausgehend von diesen Befunden wird anhand einer Reihe von Haupt- und Nebenkriterien die Diagnose einer Endokarditis gestellt.
Eine definitive Diagnose kann gestellt werden, wenn zwei Hauptkriterien oder ein Haupt- und drei Nebenkriterien bzw. fünf Nebenkriterien erfüllt sind. Eine mögliche Endokarditis liegt vor, wenn ein Haupt- und ein oder zwei Nebenkriterien bzw. drei bis vier Nebenkriterien erfüllt sind. In allen anderen Fällen liegt laut den Guidelines keine infektiöse Endokarditisdiagnose vor.
In der neuen ESC-Leitlinie finden sich mehrere Diagnosealgorithmen für spezifische Situationen, die insbesondere dann zum Einsatz kommen, wenn eine mögliche Endokarditis vorliegt.
Therapie: ambulante Behandlung nach frühestens zehn Tagen
Dr. Emil Fosbol vom Rigshospitalet Kopenhagen unterstreicht, dass auch 2023 das Management einer Endokarditis anspruchsvoll sein kann und daher in einem multidisziplinären Endokarditisteam erfolgen soll.
Die Therapie erfolgt – empirisch oder gezielt – zunächst mit intravenöser Gabe von Antibiotika. Die aktuelle Guideline weist im Vergleich zu früheren Dokumenten der oralen, ambulanten Behandlung eine größere Rolle zu. Diese kann bei vielen Patienten nach zehn Tagen intravenöser Therapie begonnen werden. Ausgenommen sind Infektionen mit schwierig zu behandelnden Pathogenen sowie Patienten mit schweren Komorbiditäten oder besonders problematischer Klinik. Rund 80 % der Patienten können nach initialer Stabilisierung oral weiterbehandelt werden. Die Leitlinie listet eine Reihe von Kriterien für Stabilität auf. Dass diese Strategie nicht nur mit kürzeren Krankenhausaufenthalten, sondern auch mit besserem Outcome assoziiert ist, konnte in der POET-Studie gezeigt werden.2 Es sei allerdings wichtig, so Fosbol, nur Patienten vorzeitig zu entlassen, bei denen von einer ausgezeichneten Adhärenz ausgegangen werden kann. Engmaschige Kontrollen sind in jedem Fall indiziert.
In schwierigen Fällen kann auch eine chirurgische Versorgung indiziert sein. Dies ist beispielsweise bei lokal nicht kontrollierten Infektionen (Abszess, Fistel etc.) sowie bei Infektionen mit Pilzen oder multiresistenten Keimen der Fall. Indikationen zur Operation werden in der Guideline detailliert aufgelistet.
Quelle:
ESC-Kongress 2023, Session „2023 ESC Guidelines for the Management of Endocarditis“, am 25. August 2023 in Amsterdam
Literatur:
1 Thornhill MH et al.: Eur Heart J 2018; 39(7): 586-95 2 Iversen K et al.: N Engl J Med 2019; 380(5): 415-24
Das könnte Sie auch interessieren:
ESC Newsroom 2023
Hier finden Sie die neuen ESC-Guidelines und die spannendsten Studienergebnisse vom Jahreskongress der European Society of Cardiology.
HFpEF: Semaglutid verbessert Symptome und reduziert Übergewicht
Semaglutid bewirkt bei Patienten mit Adipositas und Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Auswurffraktion (HFpEF) eine signifikante Symptomverbesserung sowie ...
OCT im Vergleich zu Angiografie in vielerlei Hinsicht überlegen
Mittels optischer Kohärenztomografie (OCT) über einen Katheter ist es möglich, die koronare Gefäßwand mit hoher Auflösung darzustellen und dreidimensionale Bilder der Anatomie sowie ...