«Die personalisierte Medizin in der Rheumatologie steht noch am Anfang»
Unser Gesprächspartner:
PD Dr. med. Raphael Micheroli
Klinik für Rheumatologie Universitätsspital Zürich
Das Interview führte Dr. med. Felicitas Witte
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Im Gegensatz zu vielen Krebserkrankungen gibt es für die rheumatoide Arthritis noch keine Biomarker, anhand derer man die Therapie individuell anpassen kann. Eine internationale Forschergruppe hat jetzt versucht, mithilfe von Synoviabiopsien eine stratifizierte Therapie vorzunehmen, was leider gescheitert ist.1 Warum es so schwierig ist, personalisierte Behandlungen anhand von Biomarkern zu finden, erklärt PD Dr. med. Micheroli aus Zürich.
Was lautet Ihr Fazit: Ist die Synoviabiopsie Hype oder Hope?
R. Micheroli: Die STRAP-Studie1 zielte darauf ab, den aktuellen «Trial-and-error»-Ansatz in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis anzugehen, indem sie auf Erkenntnisse aus der ersten biopsiegesteuerten randomisierten kontrollierten Studie bei rheumatoider Arthritis (R4RA)2 aufbaute. Diese zeigte, dass Patienten mit fehlenden oder wenigen B-Zell-Signaturen im Synovialgewebe auf Rituximab schlechter ansprachen als auf Tocilizumab. Dies deutet darauf hin, dass Synoviabiopsien und eine anschliessende histologische und molekulargenetische Auswertung des Gewebes möglicherweise nützlich sein könnten, um die Behandlung der rheumatoiden Arthritis zu personalisieren. Allerdings – und das ist die grösste Schwäche der Studie – identifizierten die Kollegen auch jetzt noch keine prädiktiven Biomarker für die Behandlungswahl.
Wie beurteilen Sie die Studie1?
R. Micheroli: Sie war «biopsy-driven», das heisst, die Patienten wurden erst nach der Biopsie randomisiert, basierend auf dem B-Zell-Status im Synovialgewebe. Das halte ich für eine innovative Herangehensweise. Diese Methodik ermöglicht gleichzeitig eine detailliertere Untersuchung der Pathophysiologie der rheumatoiden Arthritis und der Wirkungsweise der Therapien auf molekularer Ebene. Ich denke, dies ist ein grosser Schritt in Richtung personalisierte Medizin. Die vorhergehende R4RA-Studie2 deutete darauf hin, dass die Einteilung in «B-Zell-arm» und «B-Zell-reich» potenziell valide ist, aber die Ergebnisse der jetzigen STRAP-Studie1 reichen nicht aus, um definitive Schlüsse über den prädiktiven Wert dieser Einteilung zu ziehen.
In der Krebsmedizin gibt es schon seit Jahren stratifizierte Therapien anhand der molekularen Charakterisierung und es gibt diverse gezielt ansetzende Medikamente. Warum gibt es das für die rheumatoide Arthritis noch nicht?
R. Micheroli: Verglichen mit der Krebsmedizin sind wir in der Rheumatologie noch in einem frühen Stadium der Identifizierung spezifischer biologischer Marker. Ich denke, das liegt an der komplexen Pathophysiologie der rheumatoiden Arthritis und an der Vielfalt der beteiligten Immunzellen. Bei Krebs haben wir beispielsweise oft nur einen Rezeptor verändert, der massgeblich an der Krebsentstehung beteiligt ist, und dann ist es natürlich naheliegend, hier ein gezielt wirkendes Medikament einzusetzen.
Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der STRAP-Studie1?
R. Micheroli: Leider können wir für den klinischen Alltag keine direkten Konsequenzen ziehen. Die Verwendung von synovialen Biopsien in der klinischen Praxis wird aber in Zukunft an Wertigkeit zunehmen und möglicherweise unerlässlich werden. Neben der Klinik wird auch die Forschung weiterhin Material vom Menschen untersuchen wollen, um die Krankheit besser verstehen zu können. Die ultraschallgesteuerte synoviale Biopsie ist hierfür das optimale Instrument. Andere Ansätze zur individuellen Therapieanpassung könnten neue Biomarker im Blut sein, genetische Tests und detaillierte klinische Beobachtungen. Die personalisierte Medizin in der Rheumatologie steht zwar noch am Anfang, sie hat aber das Potenzial, dass wir möglicherweise irgendwann die Krankheit heilen können.
Literatur:
1 Rivellese F at al.: Stratification of biological therapies by pathobiology in biologic-naive patients with rheumatoid arthritis (STRAP and STRAP-EU): two parallel, open-label, biopsy-driven, randomised trials. Lancet Rheumatol 2023; 5(11): e648-59 2 Humby F et al.: Rituximab versus tocilizumab in anti-TNF inadequate responder patients with rheumatoid arthritis (R4RA): 16-week outcomes of a stratified, biopsy-driven, multicentre, open-label, phase 4 randomised controlled trial. Lancet 2021; 397(10271): 305-17
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