In 5 Schritten aus der Hyponatriämie
Autoren:
Davide Spica
Dr. med. Florian Buchkremer
Abteilung für Nephrologie
Medizinische Universitätsklinik
Kantonsspital Aarau
E-Mail: florian.buchkremer@ksa.ch
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Die Hyponatriämie gehört zu den häufigsten Elektrolytstörungen im klinischen Alltag.1 Dennoch bereiten ihre Differenzialdiagnose und Behandlung oft Schwierigkeiten. Dies nicht zuletzt aufgrund althergebrachter diagnostischer Algorithmen,2,3 die die Hyponatriämie in schlecht definierte und therapeutisch wenig relevante Subkategorien unterteilen. Wir empfehlen stattdessen ein einfaches fünfstufiges Vorgehen, das konsequent den meist multifaktoriellen Charakter einer Hyponatriämie4 berücksichtigt.
Keypoints
5-stufiges Vorgehen bei Hyponatriämie
-
1. Hypotonizität bestätigen
-
2. Akute Symptome behandeln
-
3. Ätiologische Faktoren identifizieren
-
4. Therapie planen
-
5. Verlauf überwachen
Schritt 1 – Hypotonizität bestätigen
Die klinische Relevanz der Hyponatriämie ergibt sich aus dem Beitrag des Natriums zur effektiven Osmolalität oder Tonizität der extrazellulären Flüssigkeit und dem daraus folgenden Einfluss auf das Zellvolumen.5 Die Natriumkonzentration im Serum wird hierbei als Surrogat der Tonizität verwendet. In bestimmten Situationen, am häufigsten bei Hyperglykämien, Hyperlipidämien oder Hyperproteinämien, kann die Tonizität aber trotz erniedrigter Serum-Natriumkonzentration normal sein.2 Vor Einleitung Hyponatriämie-spezifischer Massnahmen sollte deshalb immer das Vorliegen einer hypotonen Hyponatriämie bestätigt werden. Dies erfolgt am einfachsten über die Messung der Serum-Osmolalität und/oder die Schätzung der Tonizität sowie eine direkte Natriummessung mittels ionenspezifischer Elektrode an einem Blutgasgerät (Abb. 1).6
Abb. 1: Algorithmus, um das Vorliegen einer hypotonen Hyponatriämie zu bestätigen (angepasst nach Buchkremer, 2022, mit Erlaubnis)6
Schritt 2 – akute Symptome behandeln
Akute Symptome einer Hyponatriämie sind Folge von Hirnödem und erhöhtem intrakraniellem Druck.5 Die europäische Guideline zur Diagnose und Therapie der Hyponatriämie2 empfiehlt bei schweren Symptomen wie Erbrechen, kardiorespiratorischem Disstress, Krampfanfällen, tiefer Somnolenz oder Koma die sofortige Verabreichung von hypertoner Kochsalzlösung, ohne weitere diagnostische Abklärungen abzuwarten. Es können z.B. repetitiv 150ml 3% NaCl-Lösung über 20 Minuten verabreicht werden mit dem Ziel, die Serum-Natriumkonzentration rasch um etwa 5mmol/l anzuheben. Bei den meisten Patienten ist theoretisch von jedem Bolus ein Anstieg der Serum-Natriumkonzentration um 1–2mmol/l zu erwarten.7
Schritt 3 – ätiologische Faktoren identifizieren
Traditionelle Algorithmen unterteilen Hyponatriämien anhand arbiträrer Grenzwerte von Urinosmolalität und Urin-Natriumkonzentration bzw. Volumenstatus in verschiedene Kategorien und versuchen, jede Hyponatriämie durch einen singulären pathogenetischen Faktor zu erklären.2,3 Tatsächlich sind die meisten Hyponatriämien aber multifaktoriell bedingt.4 Jede Hyponatriämie lässt sich durch das Nebeneinander von drei verschiedenen pathogenetischen Mechanismen definieren:
-
Hohe Nettozufuhr freien Wassers
-
Eingeschränkte Urinverdünnung
-
Niedrige Nichtelektrolyt-Ausscheidung im Urin
Diese drei Mechanismen repräsentieren die komplette externe Bilanz freien Wassers, sodass sich alle ätiologischen Faktoren und Therapiemassnahmen hypotoner Hyponatriämien in dieses Schema einordnen lassen (Abb. 2). Die verschiedenen Mechanismen und ihre Komponenten können beim einzelnen Patienten in den unterschiedlichsten Kombinationen vorhanden sein.4 Wir empfehlen deshalb, Abbildung 2 als Checkliste zu verwenden, um bei der Behandlung von Patienten alle relevanten Aspekte zu erfassen.8
Abb. 2: Die drei Mechanismen der hypotonen Hyponatriämie mit entsprechenden ätiologischen Faktoren und Behandlungsoptionen. Die meisten Hyponatriämien sind multifaktorieller Natur (angepasst nach Buchkremer, 2022, mit Erlaubnis)8
Schritt 4 – Therapie planen
Die Therapie der hypotonen Hyponatriämie richtet sich sinnvollerweise nach den zuvor identifizierten ätiologischen Faktoren und lässt sich sehr einfach aus dem obigen Schema ableiten. Entsprechend ist auch hier meist eine Kombination verschiedener Therapiemassnahmen sinnvoll. Bei chronischen und/oder wenig symptomatischen Hyponatriämien wird vom Einsatz von hypertoner Kochsalzlösung und Tolvaptan abgeraten.2
Schritt 5 – Verlauf überwachen
Die osmotische Demyelinisierung ist eine gefürchtete, wenn auch seltene neurologische Komplikation einer schnellen Korrektur (>8mmol/l/24h) einer chronischen Hyponatriämie. Zur Vermeidung sollte die Serum-Natriumkonzentration alle 6 Stunden kontrolliert werden bis zu ihrer Stabilisierung ohne weitere Therapieanpassung.2 Zusätzlich empfehlen wir ein Monitoring des Urinvolumens. Mit einer Urinausscheidungsrate <1ml/min/kg Körpergewicht ist das Risiko für einen zu schnellen Anstieg der Serum-Natriumkonzentration gering.9,10
Literatur:
1 Upadhyay A et al.: Incidence and prevalence of hyponatremia. Am J Med 2006; 119: 30-5 2 Spasovski G et al.: Clinical practice guideline on diagnosis and treatment of hyponatraemia. Nephrol Dial Transplant 2014; 29: i1-39 3 Adrogué HJ et al.: Diagnosis and management of hyponatremia: a review. JAMA 2022; 328: 280-91 4 Buchkremer F et al.: Classifying hyponatremia by projected treatment effects – a new, quantitative approach for clinical practice and research. Swiss Med Wkly 2022; 152 (Suppl. 266): 27 5 Workeneh BT et al.: Hyponatremia demystified: integrating physiology to shape clinical practice. Adv Kidney Dis Health 2023; 30: 85-101 6 Buchkremer F: Confirming hypotonicity in hyponatremia. 2022; swissnephro.org 7 Buchkremer F: Hyponatremia infusion plots - Edelman in Pictures. 2021; swissnephro.org 8 Buchkremer F: Rethinking hyponatremia - a new framework for clinical practice. 2022; swissnephro.org 9 Buchkremer F et al.: Monitoring urine flow to prevent overcorrection of hyponatremia: derivation of a safe upper limit based on the Edelman Equation. Am J Kidney Dis 2019; 73: 143-5 10 Gonzalez Rivera GC et al.: Treatment of severe hyponatremia in the usual clinical scenarios: time to include urinary output in algorithms? J Am Soc Nephrol 2022; 33:FR-PO562
Das könnte Sie auch interessieren:
Prävention von Nierensteinen mit Thiaziden: top oder Flop?
Trotz unklarer Datenlage werden Thiazide und Thiazid-ähnliche Diuretika seit Jahrzehnten zur Prävention von idiopathischen Nierensteinen eingesetzt. Die NOSTONE-Studie, eine vom ...
Können Biomarker bei der Diagnose helfen?
Die Lupusnephritis ist ein häufiger und folgenschwerer Organschadeneines systemischen Lupus erythematodes (SLE). Der Schaden der Podozyten wird als einer der essenziellen Faktoren ...
Lupusnephritis: frühzeitig erkennen – richtig behandeln
Die Lupusnephritis ist eine der wichtigsten Organmanifestationen des systemischen Lupus erythematodes, da sie entscheidend zur Morbidität und Mortalität der Erkrankung beiträgt. Die ...