
WHO: schlechte Noten für europäische Gesundheitssysteme
Trotz Fortschritten zeigt der jüngste WHO-Bericht zu Europa besorgniserregende Entwicklungen bei Kindersterblichkeit und nicht übertragbaren Krankheiten.
Kopenhagen. Der aktuelle Europäische Gesundheitsbericht der WHO zeigt, dass die Region bei wichtigen Gesundheitsindikatoren stagniert oder sogar rückläufige Entwicklungen verzeichnet. 2022 starben knapp 76 000 Kinder unter fünf Jahren, wobei die häufigsten Todesursachen Frühgeburten, Geburtsasphyxie und Infektionen der unteren Atemwege waren. Besonders alarmierend sind die wachsenden psychischen Gesundheitsprobleme bei Jugendlichen – jede:r Fünfte leidet unter psychischen Erkrankungen, und Suizid bleibt die häufigste Todesursache unter den 15- bis 29-Jährigen. Und auch bei nicht übertragbaren Krankheiten, die weiterhin die häufigste Todesursache darstellen, sind die Zahlen besorgniserregend. Jede:r sechste Europäer:in stirbt vor dem 70. Lebensjahr an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder Diabetes. «Nicht übertragbare Krankheiten erhalten nach wie vor nicht die ihnen gebührende Aufmerksamkeit, obwohl sie für 90 Prozent aller Todesfälle in unserer Region verantwortlich sind», mahnte Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa. Alkohol- und Tabakkonsum blieben hohe Risikofaktoren, und die Region hinke bei der Verringerung des Tabakkonsums hinterher.
Darüber hinaus wird die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen laut Bericht weiterhin durch unzureichende Massnahmen zum Schutz vor schädlicher Werbung und ungesunden Lebensgewohnheiten gefährdet. Laut dem Bericht leiden etwa 30 Prozent der Kinder in Europa an Übergewicht oder Adipositas, und jeder zehnte Jugendliche konsumiert Tabakerzeugnisse. Hinzu kommen suboptimale Impfraten – in allen Altersgruppen. Eine in den vergangenen Jahren zunehmende und durch Desinformation genährte Impfskepsis hat laut der Weltgesundheitsorganisation zu einem Wiederauftreten vermeidbarer Krankheiten geführt. 2023 wurden in 41 Mitgliedstaaten in der Europäischen Region 58 000 Masernfälle verzeichnet, was einem unglaublichen 30-fachen Anstieg gegenüber dem Vorjahr entspricht.
Angesichts der drängenden Herausforderungen wie der Klimakrise und zunehmender Desinformation bleibt es laut WHO entscheidend, dass die politischen Entscheidungsträger:innen der Region ihre Gesundheitsstrategien anpassen, um die Lebensqualität und Gesundheit der Bevölkerung langfristig zu sichern. Die Organisation fordert nun umfassende Massnahmen, um die gesundheitsbezogenen Herausforderungen zu bewältigen, die durch soziale Ungleichheiten und den Mangel an Ressourcen verstärkt werden. «Ein Leben bei guter Gesundheit zu gewährleisten, bedeutet, strategisch in die Gesundheitssysteme zu investieren, um eine wirklich universelle Versorgung zu gewährleisten», schliesst Natasha Azzopardi-Muscat, Direktorin der Abteilung Gesundheitspolitik und Gesundheitssysteme der Länder bei WHO/Europa. (kagr)
Quelle: WHO
Das könnte Sie auch interessieren:
Neue Leitlinien für ethische, rechtliche und soziale Fragen
Neue ethische Leitlinien sollen das Vertrauen in die genomische Forschung stärken und den sicheren und transparenten Umgang mit genetischen Daten fördern.
Industrie warnt vor Versorgungskrise
Der Ständerat hat im Kostendämpfungspaket 2 wichtige Entscheidungen getroffen. Interpharma sieht dadurch die Versorgung und die Planbarkeit für die Pharmaindustrie gefährdet.
Etappensieg im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen
Forschende der Universität Fribourg haben die tatsächliche Wirksamkeit eines vielversprechenden Moleküls gegen antibiotikaresistente Bakterien getestet.