© Getty Images/iStockphoto

Entscheidungsfindung und Therapiekonzepte bei Typ-A-Frakturen der thorakolumbalen Wirbelsäule

<p class="article-intro">Die richtige Therapiewahl bei einer Typ-A-Wirbelfraktur ist von vielen Faktoren abhängig. Angefangen mit der richtigen Klassifizierung sind insbesondere patientenabhängige Faktoren und die Dynamik über die Zeit zu beachten. In diesem Artikel wollen wir einen Überblick über Entscheidungsfindung und Therapiekonzepte an der Abteilung für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie am Universitätsklinikum St. Pölten vorstellen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Eine klinische Untersuchung mit Erhebung des neurologischen Status ist obligat.</li> <li>Richtige Klassifikation (CT, MRT)</li> <li>Ab der Typ-A3-Verletzung zeigt sich eine Instabilit&auml;t.</li> <li>Nicht jede instabile Fraktur muss operativ versorgt werden.</li> <li>Patientenabh&auml;ngige Faktoren sind entscheidend f&uuml;r den Erfolg.</li> <li>N=1 stellt eine eindeutige OP-Indikation dar.</li> </ul> </div> <h2>Diagnostischer Algorithmus</h2> <p>Um die optimale Entscheidung zu treffen, sind eine ausf&uuml;hrliche Anamnese und klinische Untersuchung unumg&auml;nglich. Neben dem Unfallmechanismus und der Lokalisation der Schmerzen sollte auch besonders auf Vorerkrankungen des Patienten eingegangen werden: Ist eine degenerative Erkrankung bekannt? L&auml;sst der Allgemeinzustand des Patienten eine operative Therapie zu?<br /> Bei einem wachen und ansprechbaren Patienten wird zuerst eine klinische Untersuchung mit Erhebung des neurologischen Status durchgef&uuml;hrt zur Beurteilung der H&ouml;henlokalisation mit entsprechenden Kennmuskeln und zum Ausschluss einer medull&auml;ren oder radikul&auml;ren Symptomatik. Entsprechend der Schmerzlokalisation werden konventionelle R&ouml;ntgenaufnahmen in zwei Ebenen angefertigt. Bei einer radiologisch und anamnestisch gesicherten, frischen Fraktur stellt sich zur besseren Beurteilung je nach Klassifikation die Indikation zur CT-Aufnahme im betroffenen Segment. Ist aufgrund des Zustands des Patienten eine Untersuchung nicht m&ouml;glich, ist ein Schockraum- Spiral-CT der gesamten Wirbels&auml;ule obligat.<br /> Die Fraktur kann nun entsprechend der AO-Klassifikation eingeteilt werden. Bei Verdacht auf eine diskoligament&auml;re Verletzung wird zus&auml;tzlich ein MRT mit besonderem Augenmerk auf die STIR-Frequenz durchgef&uuml;hrt. Diese Untersuchungstechnik gibt besonders bei osteoporotischen Frakturen wichtige Informationen &uuml;ber die Beteiligung benachbarter Wirbel.</p> <h2>Klassifikation</h2> <p>Nach heutigem Standard wird eine modifizierte Version der AO-Klassifikation nach Magerl et al. unter Ber&uuml;cksichtigung des Kraftvektors durch den Unfallmechanismus und des neurologischen Status zur Beurteilung thorakolumbaler Verletzungen herangezogen. Unter Typ A werden Verletzungen zusammengefasst, die aus einer Kompression der Wirbelk&ouml;rper, Quer- und Dornforts&auml;tze hervorgehen. Diese werden wiederum in 4 Subtypen unterteilt, zus&auml;tzlich wird der neurologische Status einbezogen:</p> <ul> <li>Typ A1: Deckplatten- und Bodenplattenimpressionen</li> <li>Typ A2: Spaltbruch und Kneifzangenfraktur (&bdquo;Pincer&ldquo;)</li> <li>Typ A3: inkompletter Berstungsbruch</li> <li>Typ A4: kompletter Berstungsbruch</li> <li>N0&ndash;N4: Graduierung neurologischer Defizite</li> </ul> <p>Die durch die Krafteinwirkung hervorgerufenen kn&ouml;chernen und diskoligament&auml;ren Verletzungen werden zus&auml;tzlich hinsichtlich der Stabilit&auml;t nach Blauth et al. in stabil und instabil unterteilt. Definitionsgem&auml;&szlig; werden Frakturen des Typs A ab dem Subtyp A3 aufgrund der Hinterkantenbeteiligung als instabil gewertet. Unter Ber&uuml;cksichtigung der Dynamik &uuml;ber die Zeit kann jedoch eine stabile in eine instabile Fraktur &uuml;bergehen.</p> <h2>Entscheidungsfindung</h2> <p>Am Universit&auml;tsklinikum St. P&ouml;lten wurden in den Jahren 2016 und 2017 insgesamt 142 Verletzungen der subaxialen Wirbels&auml;ule operativ versorgt. Mit 55,9 % stellt der thorakolumbale &Uuml;bergang (TL&Uuml;) die am h&auml;ufigsten betroffene Region dar. Im Laufe dieser zwei Jahre wurden insgesamt 39 HWS-Verletzungen operativ therapiert.<br /> Eine klare Indikation zur operativen Therapie stellen Verletzungen der Wirbels&auml;ule mit einhergehender inkompletter beziehungsweise kompletter Querschnittssymptomatik dar (N=1), die einer raschen Dekompression des betroffenen Segments bed&uuml;rfen. Auch instabile Frakturen vom Typ B und Typ C werden in der Regel operativ versorgt.<br /> Reine Typ-A1-Frakturen sind per Definition als stabil zu werten. Werden diese daher immer konservativ behandelt? Neben der Stabilit&auml;t der Wirbels&auml;ule ist die Integrit&auml;t der Wirbels&auml;ulenkr&uuml;mmung, vor allem im sagittalen Profil, zu gew&auml;hrleisten. So empfehlen wir bei Impressionsfrakturen mit einer zunehmenden Abweichung des Grund-Deckplatten-Winkels (GDW) &gt;20&deg;, zur Vermeidung einer posttraumatischen Kyphose, eine operative Therapie mittels Kyphoplastie und gegebenenfalls dorsaler Instrumentierung.<br /> Bei einer &bdquo;Pincer&ldquo;-Fraktur (Typ A2) zeigt sich eine Beteiligung der Deck- und Bodenplatte mit konsekutiver Bandscheibenverletzung (Abb. 1). Es kann zu einer sekund&auml;ren Instabilit&auml;t kommen. Durch die m&ouml;gliche Luxation der Bandscheiben in die Fraktur erh&ouml;ht sich auch die Pseudarthrosengefahr erheblich. Deshalb bedarf es auch hier in der Regel einer operativen Reposition und Stabilisierung. In den Jahren 2016 und 2017 wurden an unserer Klinik 59 dorsale Stabilisierungen durchgef&uuml;hrt.<br /> An unserer Klinik werden inkomplette Berstungsbr&uuml;che (Typ A3) einer operativen Therapie zugef&uuml;hrt, wenn ein GDW von &gt;20&deg;, eine Destruktion des Wirbelk&ouml;rpers &uuml;ber 1/3 nach McCormack oder die Gef&auml;hrdung neurologischer Strukturen aufgrund von dislozierten Frakturfragmenten vorliegt.<br /> Bei inkompletten Berstungsbr&uuml;chen (Typ A3) ohne Dislokation von Knochenfragmenten und einem GDW von &lt;15&deg; ohne Verletzung des PLC (&bdquo;posterior ligament complex&ldquo;) kann unter Ber&uuml;cksichtigung individueller Parameter des Patienten (Alter, Morbidit&auml;t, Operations-Kontraindikationen) und bei engmaschigen R&ouml;ntgenkontrollen zun&auml;chst zugewartet und eine konservative Therapie angestrebt werden. Hier kann jedoch bei prolongierter Beschwerdesymptomatik, weiterem Einsinken oder Dislokation des frakturierten Wirbels sekund&auml;r eine operative Therapie erforderlich sein (Abb. 2).<br /> Ein konservativer Therapieversuch bei Typ-A4-Verletzungen kann sich als kompliziert erweisen, da aufgrund der Instabilit&auml;t und Zerst&ouml;rung des Wirbelk&ouml;rpers von einer weiteren Fehlstellung in frontaler und sagittaler Ebene auszugehen ist.<br /> Zus&auml;tzlich ist die genaue Evaluation der Frakturmorphologie durchzuf&uuml;hren. Bei ausgepr&auml;gter Destruktion der Hinterkante bei (in)kompletten Berstungsfrakturen sind die Dislokation der Frakturfragmente und eine Spinalkanaleinengung sehr wahrscheinlich, jedoch wird die Indikation zur Dekompression des Spinalkanals bei signifikant dislozierten Hinterkantenfragmenten, aber gleichzeitiger Abwesenheit einer neurologischen Symptomatik kontrovers diskutiert.<br /> Bei Berstungsfrakturen mit hohem Substanzverlust, h&auml;ufig bei Hochrasanztraumen junger Patienten, besteht die Indikation zu kombinierten dorsoventralen Verfahren. Sie k&ouml;nnen meist zweizeitig operiert werden. Mit dorsalem Fixateur interne und ventraler Verplattung oder Wirbelk&ouml;rperersatz mit Knochensp&auml;nen und verschiedenen soliden oder expandierbaren Cages (z.B. Hydrolift<sup>&reg;</sup>) k&ouml;nnen diese Frakturen versorgt werden. Der Einsatz der verschiedenen Implantate und die Operationstechnik (&bdquo;miniopen&ldquo; vs. thorakoskopisch) sind jeweils individuell zu bestimmen und h&auml;ngen von der Destruktion des Wirbelk&ouml;rpers, der Knochenqualit&auml;t, dem Zustand der Bandscheibe und nicht zuletzt von der Expertise und Erfahrung des Operateurs ab. In den vergangenen zwei Jahren wurde zweimal ein zweizeitiger Wirbelk&ouml;rperersatz am Universit&auml;tsklinikum St. P&ouml;lten durchgef&uuml;hrt (Abb. 3).<br /> Bei stabilen Wirbelk&ouml;rperkompressionsfrakturen osteoporotischer Genese und insuffizienter konservativer Therapie kommt eine perkutane Wirbelk&ouml;rperaugmentation wie die Ballonkyphoplastie zum Einsatz. Dieser Eingriff wurde in den letzten zwei Jahren 55 Mal durchgef&uuml;hrt. In 20 F&auml;llen wurde eine dorsale Stabilisierung zusammen mit einer Kyphoplastie durchgef&uuml;hrt. Aufgrund der verminderten Knochenqualit&auml;t bei Patienten fortgeschrittenen Alters kann die Verwendung einer dorsalen Instrumentierung problematisch sein. Um die Stabilit&auml;t des Fixateur interne zu verbessern, kann eine Zementaugmentierung der Schrauben den Halt im Knochen deutlich verbessern und das Risiko eines Schraubenausrisses verringern.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1802_Weblinks_s30_abb1.jpg" alt="" width="1051" height="1040" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1802_Weblinks_s30_abb2.jpg" alt="" width="1418" height="965" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1802_Weblinks_s30_abb3.jpg" alt="" width="1418" height="965" /></p> <h2>Schlussfolgerung</h2> <p>F&uuml;r die optimale Therapie einer Typ-A-Wirbelk&ouml;rperfraktur m&uuml;ssen viele Fakten evaluiert werden. Jede Behandlung beginnt mit einer l&uuml;ckenlosen Anamnese und der entsprechenden Bildgebung. Die korrekte Klassifikation, unter Ber&uuml;cksichtigung der Dynamik &uuml;ber die Zeit, stellt die Weichen f&uuml;r jede Therapieentscheidung. Entscheidend f&uuml;r den Erfolg ist es jedoch, die Therapie entsprechend der jeweiligen Erwartung des Patienten bez&uuml;glich der privaten und beruflichen Situation sowie unter Ber&uuml;cksichtigung des Allgemeinzustandes anzupassen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1802_Weblinks_s30_abb4.jpg" alt="" width="2187" height="1157" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
Back to top