Vorteile der «fast-track surgery» am Beispiel Brustverkleinerung
Unsere Gesprächspartnerin:
Dr. med. Annett Kleinschmidt
Fachärztin für ästhetische und plastische Chirurgie
DOCURE Berlin
E-Mail: dr.annett.kleinschmidt@gmail.com
Das Interview führte Sabine Mack
Ofthaben Frauen, die sich einer Brustverkleinerung unterziehen, einen langen Leidensweg hinter sich. Die plastische Chirurgin Dr. med. Annett Kleinschmidt hat sich auf das Thema spezialisiert.Sie berichtet aus der eigenen Praxis – zum Beispiel über den Nutzen der Brustverkleinerung in jedem Alter und ihre Erfahrungen mit der Hall-Findlay-Methode, kombiniert mit Graf/Biggs – und gibt Tipps.
Frau Dr. Kleinschmidt, wie gross ist die Prävalenz von Brustanpassungen in Ihrer Praxis im Allgemeinen?Wie viele Patientinnen fragen nach einer Brustverkleinerung?
A. Kleinschmidt: In meiner Praxis wünschen etwa 40–50% der Patientinnen eine Brustverkleinerung oder Bruststraffung. Diese Eingriffe führe ich überwiegend in der Technik nach Hall-Findlay mit kraniomedialem Stiel durch, häufig in Kombination mit der Technik nach Graf/Biggs. Meine Expertise auf dem Gebiet der plastischen Chirurgie, insbesondere der Brustchirurgie, erstreckt sich über mehr als 25 Jahre. In Berlin habe ich 2008 als Oberärztin die grösste Brustchirurgie der derzeit bestehenden plastisch-chirurgischen Abteilungen mit aufgebaut, was sicherlich zu dieser hohen Nachfrage beiträgt.
Welche Problembilder liegen zugrunde? Wie lange ist der Leidensweg, bis sich Patientinnen an das Thema Brustverkleinerung heranwagen?
A. Kleinschmidt: Meine Patientinnen kommen aus allen Altersgruppen. Sie klagen häufig über Rückenschmerzen, Nackenverspannungen, Schnürfurchen und Hautinfektionen im Brustbereich, vor allem im Sommer.
Der Leidensweg ist sehr unterschiedlich. Seit der Änderung des Gesundheitsstrukturgesetzes 2008 gehört die Brustverkleinerung nicht mehr zum Leistungskatalog der Krankenkassen, sodass viele Patientinnen den Eingriff selbst finanzieren müssen. Hinzu kommt die Notwendigkeit einer postoperativen Ruhigstellung und Schonung, die für eine optimale Wundheilung entscheidend sind. Diese Faktoren führen zu unterschiedlich langen Leidenszeiten.
Gibt es bestimmte Zielgruppen oder lohnt sich eine Brustverkleinerung in jedem Alter?
A. Kleinschmidt: Eine Brustverkleinerung lohnt sich in jedem Alter. Denn die Patientinnen erleben nach der Operation in der Regel ein gesteigertes Selbstwertgefühl und ein neues Lebensgefühl. Ich beobachte Spitzen bei denPatientinnen: nach der Schulausbildung, vor dem Berufseinstieg, nach der Familiengründung oder nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben. Ein eindrückliches Beispiel ist eine 75-jährige Allgemeinmedizinerin, die sich nach der Pensionierung und der Pflege ihres Mannes einer Brustverkleinerung unterzogen hat. Ihre Freude, nach Jahren wieder in einen Berliner See springen zu können, zeigt den positiven Einfluss der Operation auf die Lebensqualität.
Eine umfassende Aufklärung ist wichtig, damit die Patientinnen realistische Erwartungen hegen und hinterher auch wirklich glücklich mit dem Ergebnis sind
Welche praktischen Tipps können Sie Kolleg:innen mit auf den Weg geben, die sich bisher noch nicht intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben?
A. Kleinschmidt: Ich empfehle Mediziner:innen, die sich im Bereich der Brustchirurgie weiterbilden möchten, mehrere Jahre in verschiedenen Abteilungen mit ausgewiesener Expertise zu arbeiten. Das ist wichtig, um Indikationsstellung, Randindikationen und den Umgang mit potenziellen Komplikationen sicher zu beherrschen. Das Erlernen von Operationstechniken aus dem angelsächsischen Raum oder aus Brasilien, wo innovative und ästhetisch bewusste Methoden angewendet werden, ist ebenfalls sinnvoll.
Warum ist «fast-track surgery» besser, insbesondere hinsichtlich der multimodalen perioperativen Patientenversorgung und der Rekonvaleszenz?
A. Kleinschmidt: Ich bevorzuge die ambulante «fast-track surgery», weil die Patientinnen schneller in die Rekonvaleszenzphase kommen. Zwei Stunden nach der Operation verlassen die Patientinnen mobilisiert das Operationszentrum, was das Risiko für dieEntstehungvon Thrombosen und Embolien praktisch auf null reduziert, sofern keine Blutgerinnungserkrankung vorliegt. Der Bedarf an Analgesie ist sehr gering, wenn der Eingriff von erfahrenen Händen durchgeführt wird. Die schnelle Mobilisation und kurze Immobilisationszeit führen zu einer geringeren systemischen Belastung und einem deutlich reduzierten Risiko für thromboembolische Ereignisse.
Welche Erfahrungen haben Sie mit der Hall-Findlay-Methode kombiniert mit der Muskelspange nach Graf/Biggs gemacht?
A. Kleinschmidt: Mammareduktionsplastiken und Mastopexien führe ich, sofern es der Abstand zwischen Mamma und Jugulum zulässt, in der Hall-Findlay-Technik durch. Die Ergänzung durch die Graf-Biggs-Methode, bei der der untere Teil des Drüsenkörpers unter einer Pectoralismuskelspange fixiert wird, entlastet den Hautmantel und formt die unteren Quadranten stabiler. Diese Methode eignet sich besonders für Patientinnen mit erschlafftem Hautmantel und schlechter Bindegewebsqualität, wie z.B. bei Striae, überdehnter Haut nach dem Stillen und älteren Frauen.
Beim Anzeichnen der Schnittführung sind Ruhe und Konzentration gefragt
Welche Rolle spielt die Anpassung der Brustwarzen und Brustwarzenhöfe?Eignet sich das Konzept für einen einseitigen Asymmetriausgleich?
A. Kleinschmidt:Bei jeder Mammareduktionsplastik und Mastopexie werden die Brustwarzenhöfe auf einen Durchmesser zwischen 38 und 42 mm verkleinert, je nach Ausgangsgrösse/Nippel-Warzenhof-Verhältnis und Gesamtgrösse der Brust in 3D, und auf den richtigen Mamillen-Jugulum-Abstand gemäss der angestrebten Cupgrösse angehoben. Dies lässt die Brustwarzenhöfe jugendlicher erscheinen. Das Konzept der Hall-Findlay-Methode eignet sich jedoch nicht für einen einseitigen Asymmetrieausgleich, da die nicht operierte Brustseite nicht die gleiche Form wie die operierte Brust aufweist. Daher müssen beide Brüste angepasst werden, um ein symmetrisches Ergebnis zu erzielen.
Welchen Zeitrahmen umfasst die Therapie und was gilt es vorab sowie im Nachgang zu beachten?
A. Kleinschmidt: Die Operation dauert etwa 3,5 bis 4 Stunden. Vor der Operation müssen die Patientinnen sieben Tage lang auf blutverdünnende Medikamente und bestimmte Nahrungsergänzungsmittel verzichten. Sie müssen acht Stunden vor der Operation nüchtern sein. Postoperativ wird für sechs Wochen ein Kompressions-BH getragen und die Redondrainagen verbleiben bis zu einer Fördermenge von weniger als 20ml/24h. Die postoperative Schonung beträgt etwa drei Wochen, für sechs Wochen sollte die Patientin keinen Sport treiben, nicht in die Sauna gehen und die Arme nicht über 90 Grad heben. Analgetisch orientiere ich mich am WHO-Stufenschema der Schmerztherapie, wobei die meisten Patientinnen kaum Schmerzmittel benötigen.
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