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Den Ursachen von Husten auf die Spur kommen
Leading Opinions
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20.10.2016
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<p class="article-intro">Husten, ob akut oder chronisch, ist ein sehr häufiges Problem in der täglichen Praxis. Ein banaler Infekt ist rasch diagnostiziert. Schwierig wird es, wenn der Husten chronisch wird und man keine Ursache findet. Was alles hinter Husten stecken kann und wie man differenzialdiagnostisch vorgeht, erklärte Dr. med. Markus Hofer, Leitender Arzt Pneumologie am Kantonsspital Winterthur, anlässlich einer Fortbildung sehr anschaulich und praxisrelevant.</p>
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<p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1605_Weblinks_seite37.jpg" alt="" width="1583" height="1102" /></p> <p>Husten ist der letzte Schritt eines Reflexes, der zum Hustenstoss führt. Die Hustensensoren befinden sich nicht nur im gesamten Bereich der Atemwege, sondern auch in Lunge, Pleura, Perikard, Zwerchfell, Speiseröhre und Magen. Das erklärt, warum viele verschiedene Krankheiten Husten auslösen können.<br /> Seit einigen Jahren gibt es ein neues Erklärungsmodell für Husten: das Husten-Hypersensitivitäts-Syndrom, «cough hypersensitivity syndrome» (CHS). Während man früher dachte, dass sich bei mehr als 90 % der Patienten mit Husten eine Ursache finden lässt, weisen neuere Studien darauf hin, dass der Arzt bei 7–46 % der Patienten der Ursache nicht auf die Spur kommt.<sup>1–3</sup> Die Patienten spüren ständig ein Reizgefühl in den Atemwegen und fangen auch bei nicht tussigenen Stimuli an zu husten. Solche Trigger können Singen, Sprechen oder Lachen sein, thermische oder chemische Auslöser wie kalte Luft oder Sprays. Die Patienten können die Hustenanfälle oft nicht kontrollieren. Ursache für das CHS sei eine sensorische Neuropathie, die die gesamten Atemwege und den Ösophagus betreffen kann.<sup>4</sup> Dies führe zu einer erhöhten peripheren Sensibilität und/oder einer zentralen Dysfunktion. So hat man bei Patienten mit chronischem Husten mehr Chemorezeptoren im Atemtrakt gefunden, mehr sensorische Fasern und eine erhöhte Konzentration von Entzündungsmediatoren.<sup>5, 6</sup><br /> «Wie überall in der Medizin ist bei der Suche nach der Ursache die Anamnese enorm wichtig», sagte Hofer. Er stellt zunächst fest, ob der Husten akut (<3 Wochen), subakut (3–8 Wochen) oder chronisch ist (>8 Wochen), und fragt den Patienten, ob er Auswurf hat, wie dieser aussieht und ob Blut dabei ist. Wichtig ist auch zu wissen, in welchen Situationen der Patient hustet. Hustet er vor allem beim Sprechen, könnte ein Reflux die Ursache sein. Diese Patienten husten eher nicht nachts. «Solche Zusammenhänge sind aber ziemlich unspezifisch», erklärte Hofer. «Man muss das immer in der Gesamtschau sehen.» Die häufigste Ursache für akuten Husten sind virale Infekte (Tab. 1). «Vielen Leuten ist nicht bewusst, dass zwei bis fünf virale Infekte mit Husten pro Jahr völlig normal sind», sagte Hofer. 50 % der viralen Infekte verlaufen asymptomatisch, man steckt sich also nicht nur bei Hustenden an.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1605_Weblinks_seite38_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Chronischer Husten</h2> <p>Chronischer Husten wird oft durch das «postnasal drip syndrome» (PNDS) bzw. «upper airway cough syndrome» (UACS) hervorgerufen (Tab. 2). «Oft hat der Patient aber zwei Probleme, etwa PNDS und einen gastroösophagealen Reflux (GERD)», erklärte Hofer. «Da muss man genau nachfragen.» Schätzungen gehen davon aus, dass 10–15 % der Bevölkerung in der Schweiz unter chronischem Husten leiden. In Studien sind Frauen weltweit häufiger betroffen, vermutlich weil sie mehr Hustenrezeptoren in der Trachea haben. Bei der Anamnese fragt man zunächst nach Nikotinkonsum und Hinweisen für PNDS wie Fliessschnupfen im Rachen, verstopfter Nase und Heiserkeit sowie nach Symptomen von Asthma oder GERD. «Wichtig ist auch die Umgebungsanamnese», sagte Hofer. «Hier muss man hartnäckig fragen, weil die Patienten oft nicht wissen, dass es einen Zusammenhang geben könnte.» So können zum Beispiel Luftbefeuchter chronischen Husten auslösen oder ein Wellensittich im Rahmen einer exogen allergischen Alveolitis. Auch die Medikamentenanamnese gehört natürlich dazu. Bekannt ist, dass Husten eine typische Nebenwirkung von ACE-Hemmern ist; 35 % der Patienten, die diese Mittel einnehmen, sind davon betroffen. «Husten bei Medikamenten ist oft aber nur die Spitze eines Eisberges, den man abklären muss», sagte Hofer. So kann bei einem Patienten, der eine rheumatoide Arthritis (RA) hat und Methotrexat nimmt, das Präparat eine interstitielle Lungenkrankheit verursachen und damit Husten. Der Patient kann im Rahmen der RA aber auch eine interstitielle Lungenkrankheit haben und Husten kann als Nebenwirkung von Methotrexat auftreten. Unter <a href="http://www.pneumotox.org" target="_blank">www.pneumotox.org</a> kann man sich rasch darüber orientieren, welche Medikamente Lungenerkrankungen verursachen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1605_Weblinks_seite38_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Bei chronischem Husten: Röntgenbild</h2> <p>Während man bei akutem Husten auf ein Röntgenbild verzichten kann, gehört es bei chronischem Husten dazu. Ist neu eine Hämoptoe aufgetreten, sollte man den Patienten direkt zur Angio-CT anmelden. Bluthusten gehört zu einem der Warnsymptome (Tab. 3) bei chronischem Husten, die auf eine ernste zugrunde liegende Krankheit hinweisen können, etwa eine Pneumonie, ein Karzinom oder Tuberkulose. <br /> Hat man den Verdacht auf ein PNDS, doch der Patient zeigt weder retrograde Rhinitis, nasale Kongestion noch Heiserkeit, schliesst das ein PNDS als Hustenursache nicht aus. Typisch beim Blick in den Rachen – aber nicht zwingend notwendig – sind beim PNDS pflastersteinartige Veränderungen an der Rachenhinterwand. Eine Bildgebung ist bei Bedarf notwendig, um eine chronische Sinusitis auszuschliessen. Ebenso muss man andere Krankheiten ausschliessen, die ähnliche Symptome verursachen (Tab. 4). Therapie der Wahl des PNDS sind topische nasale Steroide in Kombination mit einem topischen Antihistaminikum (Dymista®) über mindestens acht Wochen. «Ist der Husten danach nicht besser geworden, muss weiter abklärt werden», so Hofer.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1605_Weblinks_seite38_3.jpg" alt="" width="" height="" /> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1605_Weblinks_seite38_4.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Abklärungsalgorithmus</h2> <p>Der Pneumologe stellte einen praktischen Algorithmus zur Abklärung von Husten vor, der gut in die Kitteltasche passt (Abb. 1–3).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1605_Weblinks_seite40_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Auf die Hustenvariante bei Asthma («cough-variant asthma») weisen eine positive Familienanamnese sowie Anzeichen für Atopie oder allergische Rhinosinusitis hin. Auch wenn der Patient öfter bei Kälte hustet und unter Dyspnoe oder Wheezing leidet, spricht das für Asthma. «Der Methacholintest eignet sich gut, um die Diagnose Husten-Asthma zu erhärten, denn er hat eine hohe Sensitivität und Spezifität (Abb. 3).» Vermutet man Asthma, ordnet man zunächst eine Lungenfunktion an. Weist diese auf eine obstruktive Ventilationsstörung hin, kann man eine Therapie mit einem lang wirksamen Betamimetikum und einem inhalativen Kortikoid probieren und den Patienten nach acht bis zwölf Wochen wieder einbestellen. «Ist der Husten dann nicht besser geworden, sollte man den Patienten an einen Pneumologen überweisen.» Ist der Methacholintest negativ und hat man den Verdacht auf GERD, kann man einen 3-monatigen Therapieversuch mit hoch dosierten Protonenpumpenhemmern, eventuell zusammen mit einem Prokinetikum und einer Lebensstiländerung machen. Bessert sich der Husten nicht und hat man andere Ursachen und Nebenwirkungen von Medikamenten ausgeschlossen, sollte eine gastroenterologische Abklärung inklusive pH-Messung erfolgen. Allerdings kann trotz Normalbefund in der Gastroskopie eine GERD vorliegen. Einen negativen Methacholintest findet man auch bei eosinophiler Bronchitis. «Das ist eine schwierige Erkrankung. Diese Diagnose kann der Hausarzt nicht stellen – solch ein Patient gehört zum Facharzt», so Hofer. Diagnostiziert wird die Krankheit durch >3 % Eosinophile im provozierten Sputum, erhöhte NO-Konzentrationen in der Ausatemluft und Nachweis der Entzündungszellen in der bronchoalveolären Lavage.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1605_Weblinks_seite40_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Die Abklärung von chronischem Husten braucht Zeit und die richtigen Fragen. Doch manchmal nützt selbst die beste Abklärung nichts – so wie bei einer Patientin von Hofer: Die Dame litt drei Jahre lang unter chronischem Husten, und trotz intensiver Suche konnte keine Ursache gefunden werden. «Irgendwann kam die Patientin wieder und erzählte, der Husten sei auf einmal weg», sagte Hofer. «So etwas passiert auch immer wieder mal.»</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1605_Weblinks_seite40_3.jpg" alt="" width="" height="" /></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Pavord ID, Chung KF: Management of chronic cough. Lancet 2008; 371: 1375-84 <strong>2</strong> Haque RA et al: Chronic idiopathic cough: a discrete clinical entity? Chest 2005; 127: 1710-3 <strong>3</strong> Chung KF et al: Chronic cough as a neuropathic disorder. Lancet Respir Med 2013; 1: 414-22 <strong>4</strong> Morice AH: The cough hypersensitivity syndrome: a novel paradigm for understanding cough. Lung 2010; 188(Suppl 1): S87-90 <strong>5</strong> Groneberg DA et al: Increased expression of transient receptor potential vanilloid-1 in airway nerves of chronic cough. Am J Respir Crit Care Med 2004; 170: 1276-80 <br /><strong>6</strong> Birring SS et al: Induced sputum inflammatory mediator concentrations in chronic cough. Am J Respir Crit Care Med 2004; 169: 15-9</p>
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