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Gesundheitsgefährdung durch lungengängige Kohlenstofffasern beim Abbrand von Carbonkunststoffen
Jatros
Autor:
Prof. Dr. Sebastian Eibl
Wehrwissenschaftliches Institut für <br/>Werk- und Betriebsstoffe<br>Deutsche Bundeswehr, Erding <br>E-Mail: sebastianeibl@bundeswehr.org
30
Min. Lesezeit
04.05.2017
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<p class="article-intro">Kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK) – häufig als „Carbon“ bezeichnet – stellen einen wichtigen Leichtbauwerkstoff dar. Sie finden neuerdings nicht nur in modernen Luftfahrzeugen mehr Verwendung, auch die Automobilindustrie setzt zunehmend auf eine mögliche Gewichtseinsparung durch CFK. Dieser Artikel zeigt einen neuen Gefährdungsaspekt auf, der sich ergibt, wenn lungengängige Kohlenstofffasern nach einem CFK-Brand freigesetzt werden.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Intaktes Carbonmaterial (CFK) stellt keine Gefährdung hinsichtlich enthaltener Kohlenstofffasern dar.</li> <li>Nach einem Brand mit sehr hohen Temperaturen kann der Faserdurchmesser abnehmen und lungengängige Fasern können freigesetzt werden.</li> <li>Vor allem der Umgang mit abgebranntem CFK kann demnach eine Gesundheits-gefährdung darstellen.</li> <li>Künftig ist aufgrund des vermehrten Einsatzes von CFK <br />im Automobilbereich mit häufigeren Unfallereignissen mit CFK-Bränden zu rechnen.</li> </ul> </div> <h2>Thermische Eigenschaften von CFK</h2> <p>Im Gegensatz zu Metallen weisen CFK eine begrenzte thermische Stabilität auf und sie können brennen. Dabei kommt es zunächst zu einem Abbau des Kunststoffanteils. Wie bei jedem anderen Kunststoffbrand entsteht eine Vielzahl an akut toxischen Verbindungen, wobei Vergiftungen durch Kohlenmonoxid wohl am gefährlichsten sind und auch die häufigste Todesursache in diesem Zusammenhang darstellen.<br />Ein neuer Aspekt hinsichtlich freigesetzter Gefahrstoffe beim CFK-Brand ergibt sich durch lungengängige Kohlenstofffaserbruchstücke. Nach der Definition durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind Fasern lungengängig, wenn sie einen Durchmesser kleiner als 3µm aufweisen. Gleichzeitig muss die Faserlänge mindestens 5µm betragen. Das Verhältnis von Länge und Durchmesser muss zusätzlich größer als 3:1 sein. In diesem Fall sind die Fasern so dünn, dass sie in die freien Lungenbläschen (Alveolen) passen, jedoch so sperrig, dass sie nicht einfach abgeatmet bzw. durch Reinigungsmechanismen der Lunge abtransportiert werden können.<br />Alle kommerziell verfügbaren Kohlenstofffasern sind jedoch dicker als 5µm. Im intakten Zustand des CFK-Materials ergibt sich damit keine Gesundheitsgefährdung. Setzt man Kohlenstofffasern Temperaturen über 600°C in der Luft aus, tritt ein thermischer Abbau ein. Dieser ist geprägt von einer Abnahme des Faserdurchmessers. Gleichzeitig werden oberflächliche Defekte erzeugt, die sich bei einer sehr starken Schädigung zu ausgeprägten Löchern in den Fasern entwickeln können. Diese Fasern brechen leicht und können lungengängige Bruchstücke bilden (Abb. 1).<br />An dieser Stelle muss einschränkend darauf hingewiesen werden, dass glasfaserverstärkte Kunststoffe diese Problematik nicht aufweisen. Glasfasern schmelzen bei erhöhten Temperaturen und bilden typischerweise Schmelzperlen. Diese können im Gegensatz zu Kohlenstofffasern keine luftgetragenen Faserstäube bilden. Verstärkungen aus Polymerfasern wie z.B. Aramiden sind diesbezüglich ebenfalls unproblematisch. Sie brennen mit der Kunststoffmatrix ab.<br />Nicht bei jedem CFK-Brand entstehen jedoch lungengängige Kohlenstofffaserbruchstücke. Es sind hohe Verbrennungstemperaturen erforderlich, die sich typischerweise bei voll entwickelten Bränden mit hoher externer Brandlast ergeben. Bei einem Luftfahrzeugbrand werden diese Bedingungen z.B. erreicht, wenn große Mengen an Treibstoff brennen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1702_Weblinks_s40.jpg" alt="" width="1417" height="513" /></p> <h2>Nachweis kritischer Faserkonzentrationen bei Brandschäden</h2> <p>In der jüngsten Vergangenheit wurden bei der Deutschen Bundeswehr großmaßstäbliche Brandversuche durchgeführt, um zu prüfen, ob es unter realitätsnahen Bedingungen zu einer kritischen Faserfreisetzung kommt. Dafür wurden ca. 20kg CFK-Material unter Verwendung von 40l Flugkraftstoff über einen Zeitraum von 15min abgebrannt. Parallel dazu wurden stationäre und personenbezogene Fasermessungen durchgeführt. Dafür wird Luft über goldbedampfte Kernporenfilter gezogen und abgeschiedene Fasern im Anschluss im Rasterelektronenmikroskop vermessen und gezählt.<br />Im Rahmen des Brandversuchs wurde festgestellt, dass Fasern mit kritischen Dimensionen entstehen, diese allerdings durch den thermischen Auftrieb vom Brandherd entfernt werden. Vom Wind getrieben erfolgen eine Verteilung und starke Verdünnung. Gegenwärtig stehen keine verlässlichen Daten zur Verfügung, die es erlauben, Faserkonzentrationen in der Umgebung einer Brandstelle abzuschätzen.<br />Das wichtigste Ergebnis des Brandversuchs bezieht sich auf die Rückstände des Brands. Hantiert man mit abgebranntem CFK-Material, können Faserbruchstücke freigesetzt werden. Bei der Einwirkung einer mechanischen Belastung brechen die freiliegenden Fasern, nachdem der Kunststoff abgebrannt ist, sehr leicht. Entstandene Faserfragmente sind sehr leicht und luftgetragen. Am Beispiel des Brandversuches wurden ca. 100 000 Fasern mit kritischen Dimensionen pro m<sup>3</sup> Luft festgestellt. Diese Größenordnung wurde bei einem Absturz und vollständigen Ausbrand eines militärischen Hubschraubers für die Person, die den Flugschreiber geborgen hat, bestätigt.</p> <h2>Gesetzliche Vorgaben zum Arbeitsschutz</h2> <p>Nach den technischen Regeln für Gefahrstoffe, Verzeichnis krebserzeugender, keimzellmutagener und reproduktionstoxischer Stoffe (TRGS 905), handelt es sich bei Kohlenstofffaserbruchstücken mit kritischen Dimensionen nach der Definition durch die WHO um ein Material, das Anlass zur Sorge gibt, beim Menschen kanzerogen zu sein. Demgegenüber sind etwa Asbestfasern nachweislich krebserzeugend. Eine abschließende Bewertung der toxikologischen Wirkung von Kohlenstofffasern steht noch aus. Es fehlen im Vergleich zur Asbestproblematik entsprechende Langzeiterfahrungen. Grundsätzlich ergeben sich jedoch Ähnlichkeiten mit Asbest. Das Material der Kohlenstofffaser ist ebenfalls chemisch nicht reaktiv. Die gesundheitsschädliche Wirkung erfolgt damit primär aufgrund der kritischen Fasergeometrie. Ein Abbau des Materials in den Alveolen der Lunge ist zusätzlich erschwert, da Makrophagen nicht in der Lage sind, diese Faserbruchstücke v.a. aufgrund ihrer Länge zu umschließen, und dabei absterben. Sehr wahrscheinlich verbleiben damit eingeatmete Faserstäube sehr lange im menschlichen Lungengewebe. Gegenwärtig werden aufgrund dieser Unsicherheit verstärkt Forschungsarbeiten z.B. an der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in Deutschland durchgeführt.<br />Nach den technischen Regeln für Gefahrstoffe, Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten mit alter Mineralwolle (TRGS 521) bzw. dem „Risikobezogenen Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen“ (TRGS 910) sind bei den ermittelten Faserkonzentrationen diverse Schutzmaßnahmen zu ergreifen, damit die Exposition gegenüber kritischen Faserstäuben vermieden wird. Dazu zählt das Tragen einer persönlichen Schutzausrüstung mit Feinstaubmaske (FFP3), Augenschutz, Handschuhen und Einwegschutzanzug. Eine Faserfreisetzung beim Umgang mit abgebranntem CFK-Material ist zu vermeiden. Zu entsorgendes Material sollte staubdicht in Kunststofffolien/-beuteln verpackt werden. Betroffenes Personal ist zu unterweisen und arbeitsmedizinisch zu untersuchen.</p> <h2>Gefährdeter Personenkreis</h2> <p>Es ist davon auszugehen, dass eine einmalige Exposition gegenüber lungengängigen Kohlenstofffasern im nachgewiesenen Konzentrationsbereich zu keinem signifikant erhöhten Risiko führt, an Krebs zu erkranken. In den geschilderten Unfallsituationen ist eine Gefährdung durch akut toxisch wirkende Brandprodukte oder andere Brandbegleiterscheinungen als wesentlich kritischer anzusehen. Damit wird der möglicherweise gefährdete Personenkreis auf Rettungspersonal und Polizei im Fall einer sich wiederholenden Exposition eingeschränkt. Anders verhält es sich – im Gegensatz zu den geschilderten Notfallsituationen – bei Arbeitsplätzen, an denen CFK mechanisch bearbeitet werden. Beim Schleifen, Schneiden, Bohren usw. können und müssen Vorgaben eingehalten werden, um eine Faserfreisetzung zu verhindern. Dies kann beispielsweise durch geeignete Absauganlagen und die Verwendung von faserbindenden Kühlflüssigkeiten erfolgen. Eine Orientierungshilfe für Schutzmaßnahmen ist zum Beispiel die Information der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) „Bearbeitung von CFK-Materialien“.</p> <div id="fazit"> <p>Fazit<br />Zurzeit sind Unfallereignisse, bei denen es zu einer Freisetzung lungengängiger Kohlenstofffaserstäube kommen kann, selten. Mit einer vermehrten Verwendung von CFK im Automobilbereich ist jedoch von einer Zunahme von Brandereignissen mit CFK-Bränden auszugehen. Im Zusammenhang mit dem Einsatz von CFK in Windkraftanlagen ist anzumerken, dass hier keine aktiven Löschmaßnahmen durch die Feuerwehr möglich sind. Die Rotorblätter sind typischerweise mit einer Drehleiter nicht erreichbar.</p> </div></p>
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<p>beim Verfasser</p>
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