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Systemische Sklerose

Gezieltere Therapie der Lungenfibrose

<p class="article-intro">Bisher lässt sich eine systemische Sklerose nicht heilen. Doch eine neue Studie vom Universitätsspital Zürich lässt hoffen, die Lungenfibrose gezielter behandeln zu können und damit die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die systemische Sklerose ist eine Autoimmunkrankheit, die vor allem mit drei pathophysiologischen Ver&auml;nderungen einhergeht: Mikrovaskulopathie, Aktivierung des Immunsystems mit Entz&uuml;ndung und Gewebsfibrose, die am h&auml;ufigsten die Haut, aber auch innere Organe betreffen kann. Der Befall innerer Organe tr&auml;gt massgeblich zur erh&ouml;hten Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t bei. Ein grosses Problem ist die Lungenfibrose: Durch zunehmende Atemnot ist die Lebensqualit&auml;t der Betroffenen deutlich eingeschr&auml;nkt. Die Fibrose ist einer der Hauptgr&uuml;nde, warum Patienten, die von systemischer Sklerose betroffen sind, vorzeitig sterben. Bisher wird mit Cyclophosphamid oder Mycophenolatmofetil behandelt. In den Scleroderma-Lung-Studien I und II<sup>1, 2</sup> zeigten beide Medikamente eine kleine, aber signifikante Verbesserung der Lungenfunktion und &auml;hnliche Reduktionen des modifizierten Rodnan-Skin-Scores (mRSS), allerdings hatte die Studie mit Mycophenolatmofetil (SLS II)2 keine Placebogruppe und Cyclophosphamid kann wegen der Toxizit&auml;t nicht &uuml;ber l&auml;ngere Zeit appliziert werden. <br />Eine Stabilisierung der Lungenfunktion wird aber auch durch Registerdaten gest&uuml;tzt,<sup>2, 3&nbsp;</sup>deshalb werden beide Medikamente empfohlen.<sup>4</sup> &laquo;Die Datenlage ist unbefriedigend &raquo;, sagt Prof. Dr. med. Oliver Distler, Direktor der Klinik f&uuml;r Rheumatologie am Universit&auml;tsspital Z&uuml;rich. &laquo;Aber wir verschreiben die Medikamente, weil wir bisher nichts anderes hatten.&raquo; Doch in naher Zukunft k&ouml;nnten Rheumatologen ihren Patienten mehr Hoffnung machen: Distler hat mit seinem internationalen Team gezeigt, dass das &laquo;small molecule&raquo; Nintedanib die Lungenfunktion etwas l&auml;nger erh&auml;lt als Placebo.<sup>5</sup> &laquo;Nintedanib hat eine signifikante Wirkung auf die Lungenfibrose und verst&auml;rkt auch den Effekt von Mycophenolatmofetil&raquo;, so Distler.</p> <h2>Einsatz von Nintedanib</h2> <p>Nintedanib ist ein intrazellul&auml;rer Hemmstoff von Tyrosinkinasen. Der Wirkstoff hemmt mehrere Signalwege in Fibroblasten, die f&uuml;r den narbigen Umbau der Lunge verantwortlich sind. Nintedanib wurde als Hemmstoff des Fibroblasten- Wachstumsfaktor-Rezeptors FGFR, des vaskul&auml;ren endothelialen Wachstumsfaktor- Rezeptors VEGFR und des Pl&auml;ttchen- Wachstumsfaktors PDGFR entwickelt. Da diese Rezeptoren auch wichtig f&uuml;r die Fibroseentwicklung sind, kamen Forscher auf die Idee, es gegen idiopathische Lungenfibrose einzusetzen.<sup>6</sup><br /> In den zwei einschl&auml;gigen Phase-III-Studien bremste Nintedanib das Fortschreiten der idiopathischen Lungenfibrose, erkennbar daran, dass die forcierte Vitalkapazit&auml;t (FVC) langsamer abnahm.<sup>7, 8</sup> Inzwischen ist Nintedanib in der Europ&auml;ischen Union und in der Schweiz zur Behandlung der idiopathischen Lungenfibrose zugelassen. Die empfohlene Dosis betr&auml;gt zweimal t&auml;glich 150 mg im Abstand von etwa 12 Stunden.<sup>9</sup> &laquo;Obwohl die idiopathische Lungenfibrose und eine Lungenfibrose bei systemischer Sklerose andere Trigger haben, liegt eine zumindest teilweise &uuml;berlappende Pathophysiologie zugrunde&raquo;, sagt Distler. &laquo;Deshalb erschien es uns sinnvoll, Nintedanib auch bei systemischer Sklerose- assoziierter Lungenfibrose zu untersuchen. &raquo; Bei beiden Formen wandeln sich die Fibroblasten zu Myofibroblasten um und es kommt zu einer &uuml;berm&auml;ssigen Ablagerung von extrazellul&auml;rer Matrix.<sup>10 &ndash;13</sup><br /> In Distlers doppelblinder, randomisierter Studie bekamen 576 Patienten entweder zweimal t&auml;glich 150 mg Nintedanib oder Placebo. 139 Patienten der Nintedanibgruppe beziehungsweise 140 Placebopatienten nahmen als Grundmedikation Mycophenolatmofetil ein &ndash; das war fast jeder zweite Patient. Weniger als 8 % bzw. 5,2 % Prozent der Patienten erhielten gleichzeitig noch Methotrexat. Die Medikation konnten die Patienten bei konstanter Dosis w&auml;hrend der Studie ad libitum w&auml;hrend der Studie weiterf&uuml;hren. Laut Distler nahmen die meisten Patienten Mycophenolatmofetil durchgehend. Pro Jahr sank die FVC im Schnitt um 52,4 ml bei den Nintedanib-Patienten und um 93,3 ml in der Placebogruppe (Abb. 1). Der Unterschied von 41,0 ml pro Jahr war knapp signifikant (95 % CI: 2,9 &ndash;79,0; p = 0,04). Bei den Patienten, die zus&auml;tzlich Mycophenolatmofetil nahmen, nahm die FVC unter Nintedanib um durchschnittlich 40,2 ml pro Jahr und unter Placebo um 66,5 ml ab. Bei Studienteilnehmern ohne Mycophenolatmofetil waren es 63,9 ml bei Nintedanib und 119,3 ml bei Placebo.<br />&laquo;Nintedanib und Mycophenolatmofetil greifen mit ihrem unterschiedlichen Wirkmechanismus an verschiedenen Stellen im Krankheitsprozess an&raquo;, sagt Distler. &laquo;Vielleicht hat es Sinn, die Medikamente zu kombinieren.&raquo; Im Rodnan-Skin-Score und im Saint George Respiratory Questionnaire (SGRQ), mit dem sich die Beeinträchtigung der Lebensqualität bei chronischen Erkrankungen der Atemwege absch&auml;tzen l&auml;sst, unterschieden sich die beiden Gruppen nicht. &laquo;Ein klarer Hinweis darauf, dass Nintedanib auf die Lungenver&auml;nderungen bei systemischer Sklerose, aber nicht generell auf die Hautfibrose wirkt&raquo;, so Distler.<br />Nicht nachgewiesen wurde, dass Nintedanib die Lebensqualität erhöht oder die Mortalität senkt. &laquo;Beides halte ich f&uuml;r wahrscheinlich, es muss formal aber durch weitere Studien bewiesen werden&raquo;, kommentiert Prof. Dr. med. Ulf M&uuml;ller- Ladner, Direktor der Abteilung Rheumatologie &amp; Klinische Immunologie an der Kerckhoff-Klinik im hessischen Bad Nauheim und Beirat der Deutschen Gesellschaft f&uuml;r Rheumatologie. Es lohne sich, Geld in die Erforschung solch seltener Krankheiten wie die systemische Sklerose zu investieren. &laquo;Erstens haben diese Patienten genauso ein Recht auf Forschung wie Patienten mit h&auml;ufigen Krankheiten. Zweitens k&ouml;nnen wir durch die Systemische- Sklerose-Forschung viel f&uuml;r andere Kollagenosen lernen.&raquo;<br />Die 41 ml Unterschied in der Abnahme der FVC w&uuml;rden sich auf den ersten Blick zwar wenig anh&ouml;ren, sagt M&uuml;ller-Ladner, &laquo;aber f&uuml;r den Patienten ist das sp&uuml;rbar&raquo;. Wie das in der Praxis aussieht, w&uuml;rde der 6-Minuten-Gehtest zeigen. &laquo;Kommt ein Patient 20 Meter weiter, ist das f&uuml;r ihn ein Riesenerfolg.&raquo; M&uuml;ller-Ladner hofft, dass Nintendanib bei l&auml;ngerer Anwendung &uuml;ber viele Jahre das Fortschreiten der Fibrosierung aufhalten k&ouml;nne, die &laquo;schliesslich eine der Hauptursachen der bei systemischer Sklerose erh&ouml;hten Mortalit&auml;t&raquo; sei.<br />Nebenwirkungen traten in der Studie &ndash; wie zu erwarten &ndash; h&auml;ufiger unter Nintedanib auf, am &ouml;ftesten wurden Diarrh&ouml;en dokumentiert. 75,7 % der Patienten berichteten &uuml;ber Durchfall, bei den Placebopatienten waren es nur 31,6 %. Die meisten beschrieben den Durchfall als milde bis moderat. Unter Nintedanib kam es zudem h&auml;ufiger zu einer Erh&ouml;hung der Transaminasen (4,9 % vs. 0,7 %). &laquo;Mit den Nebenwirkungen kann man umgehen&raquo;, sagt M&uuml;ller-Ladner. &laquo;Ist der Durchfall zu stark, kann man die Dosis reduzieren.&raquo; Hersteller Boehringer-Ingelheim hat im M&auml;rz 2019 den Antrag auf Zulassung zur Behandlung der mit systemischer Sklerose assoziierten Lungenfibrose bei der EMA, der FDA und der Swissmedic gestellt.<sup>14</sup> Das FDA Advisory Committee empfiehlt die Zulassung von Nintedanib bei systemischer Sklerose mit assoziierter interstitieller Lungenerkrankung.<sup>15</sup> &laquo;Sobald Nintedanib f&uuml;r diese Indikation zugelassen ist, w&uuml;rde ich meine Patienten damit behandeln&raquo;, so das Fazit von Prof. M&uuml;ller-Ladner.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1903_Weblinks_lo_ortho_1903_s58_abb1.jpg" alt="" width="300" height="583" /></p> <p>&nbsp;</p> <p>Lesen sie auch: <a href="https://ch.universimed.com/fachthemen/1000001887">&laquo;Ein klares Signal&raquo;</a></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Tashkin DP et al.: N Engl J Med 2006; 354: 2655-66 <strong>2</strong> Tashkin DP et al.: Lancet Respir Med 2016; 4: 708-19 <strong>3</strong> Owen C et al.: Clin Exp Rheumatol 2016; 34 Suppl 100(5): 170-6 <strong>4</strong> Fernandez-Codina A et al.: Arthritis Rheumatol 2018; 70(11): 1820-8 <strong>5</strong> Distler O et al.: N Engl J Med 2019; 380: 2518-28 <strong>6</strong> Wollin L et al.: Eur Respir J 2015; 45: 1434-45 <strong>7</strong> Richeldi L et al.: N Engl J Med 2011; 365: 1079- 87 <strong>8</strong> Richeldi L et al. N Engl J Med 2014; 370: 2071-82 <strong>9</strong> https://compendium.ch/mpro/mnr/26678/html/de <strong>10</strong> Kikuchi K et al.: J Invest Dermatol 1995; 105: 128-32 <strong>11</strong> Hsu E et al.: Arthritis Rheum 2011; 63: 783-94 <strong>12</strong> Lam AP et al.: Am J Respir Cell Mol Biol 2011; 45: 915- 22 <strong>13</strong> Huang J et al.: Ann Rheum Dis 2017; 76: 1941-8 <strong>14</strong> Presseaussendung von Boehringer Ingelheim vom 18.3. 2019 <strong>15</strong> Presseaussendung von Boehringer Ingelheim vom 25.6.2019</p> </div> </p>
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