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Medikamentöse Hilfsmittel in der Raucherentwöhnung
Jatros
Autor:
Dr. Irmgard Homeier
Lungenfachärztin<br>E-Mail: irmgard.homeier@gmx.at
30
Min. Lesezeit
12.07.2018
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<p class="article-intro">Trotz vorliegender tabakassoziierter Erkrankungen und aufrichtigen Bemühens schaffen stark nikotinabhängige Raucher es oft nicht, das Rauchen einzustellen. Dies war in Österreich vor nunmehr über 20 Jahren Anlass dafür, dieser Klientel die Rauchertherapie stationär anzubieten.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die stationäre Rauchertherapie hilft entwöhnungsbereiten Rauchern: 1. mit starker (stofflicher) Nikotinabhängigkeit, 2. mit hohem und bereits bestehendem Gesundheitsrisiko, 3. die in der Selbsthilfe oder einem ambulanten Setting nicht erfolgreich sind; sie werden daher für drei Wochen aus der Alltagssituation herausgenommen.</li> <li>Die Erfolgsquoten sind unter Berücksichtigung dieser speziellen Klientel durchaus gut, weil Exraucher mit ihrer nunmehrigen Situation in allen Belangen zufriedener sind und die Mehrzahl von ihnen deutliche gesundheitliche Verbesserungen registriert.</li> <li>Weitere Informationen: www.josefhof.at www.wgkk.at www.ooegkk.at</li> </ul> </div> <h2>Schwerpunkte der stationären Rauchertherapie</h2> <p>Die stationäre Rauchertherapie umfasst vorwiegend psychologische Gruppen- und Einzelbetreuung, dauert 20 Tage und gliedert sich in drei Abschnitte: Die erste Woche dient dem Erkennen der individuellen Auslöser und Ursachen für das Rauchverlangen. In der zweiten Woche lernen die Teilnehmer Alternativen zum Rauchen kennen und einzusetzen. Im letzten Abschnitt sollen eine Stabilisierung des Nichtraucherverhaltens erreicht und Rückfallprophylaxe effektiv betrieben werden. Monatliche Treffen (Jour fixe) im Anschluss an den stationären Aufenthalt und Einladungen zu Nachfolgeuntersuchungen nach 6 und 12 Monaten vervollständigen das Programm.</p> <h2>Zielgruppe „stark nikotinabhängige Raucherinnen und Raucher“</h2> <p>Es hat sich bewährt, Raucher in drei Gruppen einzuteilen: Die größte Gruppe umfasst jene Personen, die keine allzu starke körperliche und psychosoziale Abhängigkeit aufweisen und daher von Ta­bakkontrollmaßnahmen, wie etwa Erhöhung der Zigarettenpreise, Werbeverbote, Warnaufdrucke etc., gut erreicht werden können. Die zweite, etwas kleinere Gruppe zeichnet sich durch deutlichere Nikotinabhängigkeit aus und ist auch außerstande, bei eventuell ersten Anzeichen von Gesundheitsbeeinträchtigungen den Tabakkonsum einzustellen. Diese Personen bedürfen einer entsprechenden Raucherdiagnostik und darauf abgestimmter Intervention, wie sie in ambulanten Einrichtungen vermittelt wird. Für die dritte, relativ kleine Gruppe von Rauchern reicht diese Art der Betreuung aufgrund der intensiven Nikotinabhängigkeit und bereits bestehender oder sich in naher Zukunft abzeichnender Gesundheitsrisiken nicht aus. Diese Personen benötigen eine umfassende Rauchertherapie, die abseits ihrer Alltagssituation stattfindet, wie sie mit der stationären Rauchertherapie angeboten wird.<br />Im Zeitraum zwischen 2004 und 2016 nahmen 474 Versicherte der Wiener Gebietskrankenkasse (198 Männer und 276 Frauen) an der stationären Rauchertherapie in der Einrichtung Josefhof (Graz) teil. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer betrug 53,1 Jahre und war bei Männern und Frauen nahezu gleich. Betrachtet man den Familienstand der Teilnehmer, so fällt auf, dass rund 50 % in Partnerschaft lebten oder verheiratet waren, doppelt so viele Frauen wie Männer waren geschieden.<br />Die erhobenen Ausgangsdaten verdeutlichen vor allem die starke Nikotinabhängigkeit der Teilnehmer. So liegt der Zigarettenkonsum nahezu doppelt so hoch wie beim Durchschnittsraucher in der Gesamtbevölkerung. Aber auch der Score des Fagerström-Tests (FTND) und der Wert bei der Kohlenmonoxidmessung (CO-Wert) sind sehr ausgeprägt (Tab. 1).<br />Die Teilnehmer waren zu fast 75 % älter als 15 Jahre, als sie mit dem Rauchen begonnen haben.<br />Betrachtet man die Angaben über die Vorbehandlung, so zeigt sich, dass 38,7 % der Männer und 23,6 % der Frauen angeben, noch nie versucht zu haben, mit dem Rauchen aufzuhören. 21,6 % der Männer und 39,5 % der Frauen haben es ambulant versucht und 9,3 % der Männer und 6,1 % der Frauen stationär. 30,4 % der Männer und 30,8 % der Frauen haben im Selbstversuch den Rauchstopp probiert.<br />Bei den Wünschen der Patienten, sich das Rauchen abzugewöhnen, steht bei 57,3 % der Männer und 63,6 % der Frauen eine Erkrankung im Vordergrund.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1803_Weblinks_s36_1.jpg" alt="" width="2151" height="636" /></p> <h2>Resultate der Nachuntersuchung nach einem Jahr</h2> <p>An der Nachuntersuchung nach einem Jahr (NU2) haben 247 Personen teilgenommen (52,1 % der Programmstarter) (Abb. 1).<br />Bei jenen Personen, die bei der NU2 nicht mehr rauchten, waren alle erhobenen Parameter signifikant verändert. Der Zigarettenkonsum sank von durchschnittlich 31 Zigaretten pro Tag auf null. Der FTND veränderte sich von durchschnittlich 7,4 auf 1,1. Jedoch haben die Nichtraucher signifikant an Gewicht zugenommen – von durchschnittlich 75,9kg bei Programmstart (BMI 25,7) auf 81,2kg (BMI 27,7).<br />Bei den Rauchern oder jenen, die ihren Tabakkonsum reduziert haben, zeigt sich das in Tabelle 2 dargestellte Bild.<br />Die Mehrzahl der Teilnehmer an der Jahresnachuntersuchung ist mit ihrem derzeitigen Rauchverhalten (sehr) zufrieden. Bei Nichtrauchern und auch Rauchern kam es zu einer Gewichtszunahme, die aber nicht als problematisch gesehen wird. Bei fast allen Teilnehmern hat sich die Gesundheit verbessert. Die Raucher gaben an, dass sie in Stress-Situationen wieder zu rauchen begonnen haben.<br />Es wurde auch das Rauchverhalten in bestimmten Situationen erhoben. Zur Auswahl standen dabei die Kategorien: „Rauchen zur Entspannung (Relax)“, „Rauchen als Bewältigung (Coping)“, „Rauchen in Stress-Situationen (Stress)“ und „Rauchen in depressiver Stimmung (Depression)“.<br />Bei allen Teilnehmern an der NU2 hat sich das Rauchverlangen in bestimmten Situationen signifikant verbessert, sowohl bei Nichtrauchern als auch bei Rauchern.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1803_Weblinks_s36_2.jpg" alt="" width="1417" height="1670" /></p> <h2>Diskussion</h2> <p>Mit der stationären Rauchertherapie gibt es in Österreich ein Interventionsprogramm, das schwer abhängigen Rauchern die Möglichkeit bietet, eine auf ihre Erkrankung und ihre starke Nikotinabhängigkeit ausgerichtete Therapie zu erhalten. Die Programmteilnehmer schaffen es nicht, mittels Selbsthilfe oder ambulanter Unterstützung eine Nikotinabstinenz zu erreichen. Die Ergebnisse unserer Auswertung haben gezeigt, dass selbst für stark nikotinabhängige Raucher die dreiwöchige stationäre Rauchertherapie eine gute Möglichkeit ist, mit dem Rauchen aufzuhören (Schoberberger, Böhm, Gromann 2011).<br />Während alle Teilnehmer das stationäre Raucherentwöhnungsprogramm als Nichtraucher beendeten, identifizierten sich 58,3 % der Teilnehmer bei der Jahresnachuntersuchung als Nichtraucher und 20,6 % konnten ihren Tabakkonsum reduzieren. Dies zeigt, dass ein stationäres Mehrkomponentenprogramm einen Raucher zu einem erfolgreichen Nichtraucher machen kann (Starzer-Eidenberger 2005; Sciamanna et al. 2000). Unsere Untersuchungen können die These nicht bestätigen, dass Frauen weniger erfolgreich bei dem Rauchstopp sind als Männer (Perkins 2001).<br />Es stellt sich uns aber die Frage, warum rund 50 % der Programmstarter nicht bereit sind, den Nachuntersuchungstermin in Anspruch zu nehmen. Durch dieses Nichtteilnehmen an der Kontrolluntersuchung reduziert sich der Anteil der gesicherten Nichtraucher auf 30,4 % und jener der Personen mit reduziertem Tabakkonsum auf 10,8 % .<br />Es hat sich gezeigt, dass die Angst vor einer Gewichtszunahme bei Exrauchern begründet ist (Aubin et al. 2012). Der durchschnittliche BMI bei den Nichtrauchern hat sich von Normalgewicht (25,7) auf Übergewicht (27,7) erhöht.<br />Aber nichtsdestotrotz wurde von den Teilnehmern nicht nur eine deutliche gesundheitliche Verbesserung berichtet, sondern auch eine vermehrte Lebenszufriedenheit (Schoberberger, Böhm, Schroeder 2015). Der Rauchstopp trägt auch wesentlich dazu bei, dass die Sorge hinsichtlich einer drohenden gesundheitlichen Beeinträchtigung infolge des Lebensstils abnimmt.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>• Aubin HJ et al.: Weight gain in smokers after quitting cigarettes: meta-analysis. BMJ 2012; 345: e4439 • Perkins, K: Smoking cessation in women. Special considerations. CNS Drugs 2001; 15(5): 391-411 • Sciamanna CN et al.: Opportunities for improving inpatient smoking cessation programs: a community hospital experience. Prev Med 2000; 30(6): 496-503 • Schoberberger R et al.: Psychologie im Bereich Sozialmedizin. Stationäre Raucherentwöhnung als Beispiel nationaler Forschungskooperationen. In: Lehrner J. Klinische Psychologie im Krankenhaus. Wien-New York: Springer, 2011, 283-90 • Schoberberger R, Böhm G, Schroeder Y: Heavy dependent nicotine smokers – newfound lifestyle appreciation after quitting successfully. Experiences from inpatient smoking cessation therapy. Public Health 2015; 129: 539-544 • Starzer-Eidenberger B: Psychosoziale Betreuung nikotinabhängiger Patienten in stationärer Behandlung. Masterthesis. Krems: Donauuniversität Krems, 2005</p>
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