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Metastasenchirurgie beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom
Jatros
Autor:
Prof. Dr. med. Hans-Stefan Hofmann
Abteilung für Thoraxchirurgie<br>Universitätsklinikum Regensburg<br>Klinik für Thoraxchirurgie<br>Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Regensburg<br>E-Mail: hans-stefan.hofmann@ukr.de
30
Min. Lesezeit
12.07.2018
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<p class="article-intro">Als eine der häufigsten Krebserkrankungen ist das Lungenkarzinom mit einer schlechten Gesamtüberlebensprognose verbunden. Zum Zeitpunkt der Diagnose weisen bereits 50 % der Patienten Metastasen auf. Das Stadium und die Lokalisation der Metastasierung wirken sich auf die Prognose und somit auf die Indikation zur Metastasenchirurgie aus. </p>
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<p class="article-content"><p>Das Lungenkarzinom gehört zu den häufigeren Krebserkrankungen in Deutschland und Österreich. Man schätzt die Neuerkrankungsrate pro Jahr auf ca. 53 500 Fälle in Deutschland und 4800 Fälle in Österreich. Die schlechte Überlebensprognose des Lungenkarzinoms ergibt sich aus seinem hohen Anteil an fortgeschrittenen Stadien zum Zeitpunkt der Operation. Bei Diagnosestellung werden bei ca. 50 % der Lungenkarzinompatienten bereits Fernmetastasen festgestellt. Aus dem klinischen Alltag sind jedoch auch Patienten mit einer umschriebenen Metastasierung und einer guten Überlebensprognose bekannt. Hellmann und Wechselbaum inaugurierten daher 1995 das Konzept der Oligometastasierung. Oligometastasen sind Metastasen, die in begrenzter Anzahl vorhanden sind. Für die „oligometastasierte Erkrankungssituation“ beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) existierte bisher keine allgemein akzeptierte und prospektiv validierte Definition. Lungenkrebspatienten mit einer isolierten Fernmetastase unabhängig von ihrer Lokalisation (Organe: Gehirn, Leber, Nebenniere, Knochen, Haut, Lunge und nicht lokoregionäre Lymphknoten) sollen als oligometastasierte Erkrankung nach IASLC 2016/2017 eingruppiert werden. In Einzelfällen kann das Vorliegen von mehreren Metastasen in einem Organ (insbesondere Gehirn) das Kriterium einer Oligometastasierung erfüllen.</p> <h2>Zerebrale Oligometastasen bei NSCLC</h2> <p>Ungefähr 10–20 % der Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) haben zum Zeitpunkt der Diagnostik synchrone Hirnmetastasen (ca. 25 % solitär). Eine aggressive Behandlung (Neurochirurgie/stereotaktische Bestrahlung [SBRT]) von Patienten mit synchronen zerebralen Oligometastasen (n=1–3) kann das mediane Gesamtüberleben auf ca. 12 Monate verlängern. Eine zusätzliche radikale Behandlung des Primärtumors (Thoraxchirurgie/SBRT mit kurativer Intention) kann das mediane Überleben nochmals auf ca. 28 Monate anheben. Der lokoregionale Status des Lungenkarzinoms (Tumorstadium ohne Hirnmetastasen) hat einen erheblichen Einfluss auf die Überlebensprognose. So haben Patienten mit mediastinalen Lymphknotenmetastasen oder zusätzlichen extrazerebralen Fernmetastasen wiederum eine schlechte Überlebensprognose und sollten daher nur palliativen Therapiekonzepten zugeführt werden. Bei Vorliegen von singulären Hirnmetastasen <3cm sollte insbesondere bei inoperablen Metastasen und Metastasen des Hirnstamms die stereotaktische Bestrahlung (SRS) angeboten werden. Auch Patienten mit multiplen Metastasen (2–4), alle mit einem Durchmesser <2,5cm, sollten bei einer Lebenserwartung von >3 Monaten ebenfalls primär eine SRS (statt einer Ganzhirnbestrahlung, WBRT) erhalten. Eine adjuvante WBRT nach SRS von 1–4 Hirnmetastasen erhöht die lokale Kontrolle und reduziert die Häufigkeit weiterer Hirnmetastasen, verlängert aber das Gesamtüberleben nicht.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1803_Weblinks_s27_1.jpg" alt="" width="1417" height="750" /></p> <h2>Oligometastasen der Nebenniere bei NSCLC</h2> <p>Nebennierenmetastasen finden sich bei Patienten mit einem NSCLC bis zu 6 % bei der Erstdiagnose bzw. bis zu einem Viertel in der Autopsie. Die Lokalisation der Nebennierenmetastasen ist meist unilateral (lymphatischer/hämatogener Metastasierungsweg), wobei die Überlebensprognose auch deutlich besser ist (5-Jahres-Überlebensrate: ca. 80 % ) als bei kontralateralem Befall durch den hämatogenen Metastasierungsweg (5-Jahres-Überlebensrate: 0 % ). Die Resektion von Nebennierenmetastasen kann offen wie auch laparoskopisch und sollte zweizeitig zur Lungenoperation durchgeführt werden. Die Resektion kontralateraler und bilateraler Metastasen wird von einigen Kollegen als Kontraindikation gesehen.<br />Eine Alternative zur Adrenalektomie ist die SRS von Nebennierenmetastasen. Eine SRS mit 36Gy/3 Fraktionen erreichte eine lokale Kontrolle nach 2 Jahren von 90 % . In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass die Resektion der Nebennierenmetastase das Überleben der Patienten verlängert, wobei die Patienten mit einem frühen Stadium des primären NSCLC (Stadium I und II gezählt ohne Nebennierenmetastase) die beste Prognose haben.</p> <h2>Pulmonale Oligometastasen bei NSCLC</h2> <p>Die unterschiedliche klinische Bedeutung von Lungenmetastasen in Abhängigkeit von ihrer Lokalisation spiegelt sich schon in ihrer Zuordnung zu verschiedenen Tumorstadien entsprechend der 8. Ausgabe der TNM-Klassifikation wider. Nur die pulmonal kontralateral gelegenen Metastasen (M1a) werden in das Stadium IVA eingeschlossen. Metastasen im gleichen Lungenlappen T3 werden den Stadien IIB (bei N0), IIIA (N1), IIIB (N2) und IIIC (N3) bzw. Metastasen in einem anderen Lungenlappen, jedoch ipsilateral T4 den Stadien IIIA (N0-1), IIIB (N2) und IIIC (N3) zugeordnet. Ein zweiter pulmonaler Rundherd bei einem primären NSCLC ist häufiger eine pulmonale Metastase als ein pulmonales Zweitkarzinom. Die Überlebensprognose bei synchroner pulmonaler Oligometastasierung liegt deutlich über der bei synchronen extrapulmonalen Metastasen. Analysen zum Bronchialkarzinom zeigen für den bilateralen Befall, die Lymphknotenmetastasierung wie auch die sublobäre Resektion einen negativen prädiktiven Wert hinsichtlich des Überlebens. Empfohlen wird für die primäre Tumorresektion in den überwiegenden Fällen ein anatomisches Resektionsverfahren (z.B. Lappenresektion) mit Lymphknotendissektion, für die pulmonalen Metastasen im Wesentlichen nicht anatomische Resektionsverfahren (z.B. Enukleation), bei kontralateraler Lage jedoch ohne Lymphknotendissektion.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1803_Weblinks_s27_2.jpg" alt="" width="1417" height="727" /></p> <h2>Extrapulmonale, -adrenale und -zerebrale Oligometastasen bei NSCLC</h2> <p>Ergebnisse zu Oligometastasen von NSCLC-Patienten außerhalb von Hirn, Nebenniere und Lunge liegen kaum oder nur auf der Basis weniger Patienten (Kasuistiken) vor. Patienten mit nicht viszeralen Metastasen scheinen eine bessere Überlebensprognose als Patienten mit viszeralen Metastasen zu haben. Auch bei diesem Metastasierungsmuster hatte die media­stinale Lymphknotenmetastasierung einen signifikanten Einfluss auf das Überleben, sodass empfohlen wird: erstens den me­diastinalen Lymphknotenstatus vorher mittels endobronchialen Ultraschalls bzw. Mediastinoskopie zu klären und zweitens bei Vorliegen eines N2- oder N3-Status die systemische Therapie zu präferieren. <br />Bronchialkarzinompatienten mit ossären Oligometastasen haben eine mittlere Überlebenszeit von nur ca. 5 Monaten, was deutlich unter der Prognose von allen Patienten mit Oligometastasen (ca. 40 Monate) liegt. Somit besteht auch für Patienten mit einer ossären Oligometastasierung eher die Empfehlung einer systemischen Therapie.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Die Indikation zur Metastasenchirurgie von Patienten mit einem oligometastasierten NSCLC kann nicht validierten Standards, sondern nur individuellen Empfehlungen folgen. Die komplette Resektion des Primärtumors bietet im Vergleich zu den nicht chirurgischen Therapien die deutlich bessere Überlebensprognose. Bei inkompletter Resektion des Primärtumors zeigt sich eine schlechte Überlebensprognose, sodass größte Aufmerksamkeit auf die präoperative Diagnostik (Pleurakarzinose, mediastinaler Lymphknotenstatus) gelegt werden sollte. Nach kompletter Resektion des Primärtumors und der Oligometastasen sowie adjuvanten Therapien (Chemotherapie) können 5-Jahres-Überlebensrate von bis zu 30–40 % erreicht werden, wobei Patienten mit pulmonalen Oligometastasen die beste Prognose haben. Die Lymphknotenmetastasierung des primären Lungenkarzinoms (vor allem media­stinal) stellt einen erheblichen negativen Prognosefaktor und somit fast ausnahmslos eine Kontraindikation für einen kurativen Therapieansatz dar.</p></p>
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<p>beim Verfasser</p>
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